Länder auf der Flucht: Palästina

Charlotte Bamberger wurde 1904 als Charlotte Hammerschlag in Wien geboren und besuchte die Schwarzwaldschule. Sie begann im Alter von acht Jahren Geige zu spielen und studierte von 1918 bis 1925 an der k. k. Akademie für Musik und darstellende Kunst. 1936 wurde sie vom Palästinensischen Symphonischen Orchester als Bratschistin engagiert und zog deshalb nach Palästina. Aufgrund des ,Anschlusses’ kehrte sie 1938 nicht nach Wien zurück, sondern folgte ihrem Mann in die USA, wo sie eine erfolgreiche Karriere als Musikerin einschlug. Zum Zeitpunkt des Interviews lebte Bamberger in New York City.
Herbert Blankstein wurde 1925 geboren und wuchs im 9. Wiener Gemeindebezirk auf. Er flüchtete im Dezember 1938 gemeinsam mit seiner Mutter nach Brüssel. Sein Stiefvater wurde 1941 nach Südfrankreich und später ins KZ Auschwitz deportiert. In Belgien arbeitete Blankstein in einem Rüstungsbetrieb, wo ihn seine Deutschkenntnisse vor der Deportation schützten. Blankstein heiratete noch in Brüssel und emigrierte 1948 mit seiner Mutter, seiner Frau und seinem Sohn nach Palästina/Israel, wo er als Goldschmied tätig war. Zum Zeitpunkt des Interviews lebte Blankstein in Tel Aviv.
Lotte Boneh wurde 1919 als Lotte Ramler in Wien geboren und lebte mit ihrer Familie im 2. Wiener Gemeindebezirk, wo sie ein Gymnasium besuchte. Nach dem ‚Anschluss‘ 1938 konnte sie noch ihre Matura abschließen. Bonehs Schwester, die bereits einige Jahre zuvor nach Palästina ausgewandert war, verschaffte ihr ein Zertifikat, mit dem sie nach Palästina flüchten konnte. Die Eltern folgten ihren beiden Töchtern, der Bruder flüchtete nach England. In Palästina wurde Boneh Mitglied der Haganah. Zum Zeitpunkt des Interviews lebte sie in Israel.
Catriel Fuchs wurde 1925 im Burgenland geboren, seine Familie zog jedoch bereits in seiner Kindheit nach Wien. Dort lebte Fuchs lange in einem Waisenhaus und besuchte die Volksschule. Nachdem er 1938 aus der Schule ausgeschlossen worden war, wurde er Mitglied einer zionistischen Jugendorganisation und konnte mit Hilfe dieser über Jugoslawien nach Palästina flüchten. Nach einiger Zeit im Kibbuz Gan Shmuel meldete sich Fuchs für die britische Royal Navy. Später arbeitete er u.a. bei einer großen Containerreederei – ein Job, der ihn bis nach Taiwan brachte. Heute lebt Fuchs wieder in Israel.
Rachel Gross wurde 1915 als Rose Brock geboren und lebte mit ihrer Familie im burgenländischen Gols. Dort besuchte sie die Volksschule, später eine Schule in Wien und schließlich eine Klosterschule in Neusiedl am See. Im April 1938 wurden Gross und ihre Familie gezwungen, Österreich zu verlassen, indem SS- und SA-Männer sie an die ungarische Grenze brachten und sie durch den Wald nach Ungarn trieben. Von hier aus gelang es ihnen mit einem Schiff über Rumänien nach Palästina zu kommen. In Israel betrieb Gross gemeinsam mit ihrem Mann ein Café in Tel Aviv.
Josef Kohn wurde 1925 in Wien geboren und lebte mit seinen Eltern im 20. Bezirk. Nach dem ‚Anschluss’ trat er dem Hashomer Hatzair bei, durch den er als Teil des sogenannten „Kladovo-Transportes“ aus Österreich flüchten konnte. Kohn gehörte zu einer kleinen Gruppe, die diesen Transport überlebte und im März 1941 in Palästina ankam. Seine Eltern überlebten nicht. Kohn war später im Kibbuz Gan Shmuel in verschiedenen Bereichen tätig, bevor er sich der Arbeit mit Jugendlichen widmete, was ihn in den 1970er-Jahren auch einige Jahre nach Wien führte. Heute lebt er in Israel.
Chava Lifschitz wurde 1924 geboren und lebte mit ihrer Familie zunächst im 9., später im 2. Wiener Gemeindebezirk. 1938 besuchte sie das Gymnasium, das sie nach dem ‚Anschluss’ verließ. Durch ihre Mitgliedschaft bei Makkabi Hatzair konnte Lifschitz das Hachscharalager Ahrensdorf in Brandenburg besuchen, von wo aus sie nach Palästina flüchtete. Dort war sie vor allem als Lehrerin tätig. Zum Zeitpunkt des Interviews lebte sie in Israel.
Baruch Milrom wurde 1921 in Baden bei Wien geboren, wo seine Eltern ein Lebensmittelgeschäft betrieben. Nach dem ‚Anschluss’ wurde das Geschäft von SA-Männern geplündert, die Familie musste Baden kurze Zeit später verlassen. Mit Hilfe einer zionistischen Jugendorganisation konnte Milrom nach Palästina flüchten. Seinem Bruder gelang ebenfalls die Flucht, seine Eltern wurden jedoch in der Schoa ermordet. In Israel war Milrom unter anderem für eine internationale Schifffahrtsgesellschaft tätig. Zum Zeitpunkt des Interviews lebte er in Haifa.
Otto Nagler wurde 1920 in Wien geboren und lebte mit seiner Familie im 20. Bezirk. Dort besuchte er die Volksschule und – noch während der Zeit des ‚Anschlusses’ – das Realgymnasium. Durch seine Mitgliedschaft in einer zionistischen Jugendorganisation konnte er 1939 nach Palästina fliehen. Seinen Eltern gelang es nach Italien zu entkommen, wo sie während des Krieges lebten. Nachdem Nagler ein Studium am Technion in Haifa absolviert sowie seinen Militärdienst beendet hatte, war er im Bewässerungswesen und in der Entwicklungshilfe tätig – sowohl in Israel als auch weltweit. Heute lebt er wieder in Israel.
Lea Peled wurde 1924 in Wien geboren und wuchs im 3. Wiener Gemeindebezirk auf. Da ihre Mutter herzkrank war, blieb Peled nach dem ‚Anschluss‘ 1938 bei ihr, während ihr Vater und Bruder – welche die beiden schnellstmöglich aus Wien rausholen wollten – ins Ausland flohen. Der Tod der Mutter führte dazu, dass Peled im Herbst 1939 mit Hilfe der Jugend-Alija nach Dänemark gelangte. Im März 1941 emigrierte sie über Skandinavien und die UdSSR nach Palästina, wo sie zunächst im Kibbuz Ben Schemen lebte. Peled war als Grafikerin tätig und lebte zum Zeitpunkt des Interviews in Ramat HaScharon.
Hedwig Rosner wurde 1924 in Wien geboren und lebte mit ihrer Familie im 7. Wiener Gemeindebezirk, wo sie eine Klosterschule besuchte. Durch ihre Mitgliedschaft in der zionistischen Jugendorganisation Betar war es ihr im November 1938 möglich, nach Palästina zu flüchten. Dort schlug sich Rosner zunächst mit zahlreichen Jobs durch, unter anderem als Arbeiterin in einer Ölfabrik. Später war sie in verschiedenen Funktionen im Sozialbereich tätig. Zum Zeitpunkt des Interviews lebte Rosner in Haifa.
Mordechai Sella wurde 1933 als Viktor Kopfstein in Wien geboren. Er wuchs in Pilgersdorf im Burgenland auf, wo seine Familie ein Geschäft betrieb. Nach dem ‚Anschluss‘ 1938 mussten sie nach Wien ziehen, wo der Vater während den Novemberpogromen verhaftet und nach Dachau deportiert wurde. 1940 gelang es der Familie illegal mit dem Schiff nach Palästina zu flüchten. Bei der Ankunft wurden sie von den britischen Behörden nach Mauritius gebracht und bis zum Ende des Kriegs interniert. 1945 emigrierten sie nach Palästina, wo Sella zunächst in ein Kinderheim kam. Später lebte er in einem Kibbutz. Zum Zeitpunkt des Interviews lebte Sella in Jerusalem.
Micha Shagrir wurde 1937 als Michael Schwager in Linz geboren. Sein Vater war bereits 1921 nach Palästina emigirert, wo er Shagrirs Mutter kennenlernte. Gemeinsam kehrten sie 1932 nach Linz zurück. Unmittelbar nach dem ‚Anschluss‘ emigirierte die Familie nach Palästina, wo sie zunächst im Kibbuz Chefziba und dann in Tel Aviv lebte. Shagrir arbeitete anfangs als Journalist und beim Radio. Später war er als Filmproduzent und Regisseur tätig und drehte unter anderem einen Dokumentarfilm über die Bischofstraße in Linz, wo seine Familie gelebt hatte. Zum Zeitpunkt des Interviews lebte er in Israel.
Hilda Spodek wurde1922 in Wien geboren und wuchs im 16. Wiener Gemeindebezirk auf, wo ihr Vater ein Bekleidungsgeschäft betrieb. Nach dem ‚Anschluss‘ 1938 wurde ihr Vater verhaftet und in die Konzentrationslager Dachau und Buchenwald deportiert. Das Familiengeschäft wurde ‚arisiert‘ und Spodek durfte ihre Ausbildung zur Schneiderin nicht beenden. Nach der Freilassung des Vaters flüchtete die Familie über Triest nach Palästina, wo sie sich in Tel Aviv niederließ. In den darauffolgenden Jahren arbeitete Spodek als Schneiderin und im Verkauf. Zum Zeitpunkt des Interviews lebte sie in Cholon.
Susanna Yokel wurde 1923 in Wien geboren und besuchte bis März 1938 das Schubert Realgymnasium im 9. Wiener Gemeindebezirk. Durch ihre Mitgliedschaft in der zionistischen Jugendorganisation Blau-Weiß erhielt sie ein Ausreise-Zertifikat und flüchtete im März 1939 über Italien nach Palästina. Dort war sie 1943 Mitbegründerin des Kibbuz Kfar Blum. 1956 wanderte sie mit ihrer in Israel gegründeten Familie in die USA aus. Zum Zeitpunkt des Interviews lebte sie in Bethesda, Maryland.