Otto Nagler

Otto Nagler wurde 1920 in Wien geboren und lebte mit seiner Familie im 20. Bezirk. Dort besuchte er die Volksschule und – noch während der Zeit des ‚Anschlusses’ – das Realgymnasium. Durch seine Mitgliedschaft in einer zionistischen Jugendorganisation konnte er 1939 nach Palästina fliehen. Seinen Eltern gelang es nach Italien zu entkommen, wo sie während des Krieges lebten. Nachdem Nagler ein Studium am Technion in Haifa absolviert sowie seinen Militärdienst beendet hatte, war er im Bewässerungswesen und in der Entwicklungshilfe tätig – sowohl in Israel als auch weltweit. Heute lebt er wieder in Israel.

Vollständiges Interview

Teil 1
Teil 2
Art des Interviews:
Video
Ort des Interviews:
Israel
Sprache(n) des Interviews:
Deutsch
InterviewerIn:
Lisa Schulz-Yatsiv
Interviewdauer:
01:59:42
Bestand:
LBI Jerusalem
Sitzungsanzahl:
1
Datum des Interviews:
18. November 2013
Otto Nagler
Geburtsdatum:
28. Oktober 1920
Geburtsort:
Wien, Österreich
Fluchtroute
1939 Wien, Deutsches Reich
1939 Haifa, Palästina
Lebensstationen
Hier sind in chronologischer Reihenfolge Orte erfasst, an denen sich die interviewte Person im Laufe ihres Lebens aufgehalten hat.
Wien, Österreich
Haifa, Israel
USA
Iran
Spanien
Südamerika
Thailand
Afrika
Jamaika
Ecuador
Ägypten
Israel
Organisationen
1934 bis 1939
Blau-Weiß - Wien, Österreich
ab 1948
Israelische Verteidigungsstreitkräfte - Israel
Ausbildung
1926 bis 1930
Pflichtschule
Volksschule
Wasnergasse, 1200
Wien, Österreich
1930 bis 1938
höhere Schule
Realgymnasium (heute: Brigittenauer Gymnasium (BRGORG 20))
Karajangasse 14, 1200
Wien, Österreich
1939 bis 1943
Hochschule
Technion - Israel Institute of Technology
Haifa, Israel
Beruf/Beschäftigung

in chronologischer Reihenfolge

Ingenieur
Landwirtschaft, Gartenbau, Forstwirtschaft
Israel
USA
Iran
Spanien
Südamerika
Thailand
Afrika
Jamaika
Ecuador
Ägypten
„Spricht über“ sind besonders interessante Passagen in den Interviews, die von der Redaktion des Austrian Heritage Archive zusammengestellt wurden.
Antisemitismus und Religiosität in der Zwischenkriegszeit
Identität der Familie
Ankunft in Palästina
Berufliche Laufbahn in Palästina/Israel
Persönliche Botschaft

Teil 1

 

 

LSY: Interview am 18. November 2013 mit Otto Nagler, interviewt von Lisa Schulz-Yatsiv. Und wir befinden uns in der Wohnung von Otto Nagler. Ich würde Sie bitten, könnten Sie mir erst einmal davon erzählen, wie ihre Familie nach Wien gekommen ist…ob Sie sich noch an Ihre Großeltern erinnern und an Ihre Familie.

 

ON: Von meinen vier Großeltern ist einer, der Vater meiner Mutter, in Wien geboren. Und auch seine Eltern sind schon in Wien geboren. Ich kann Ihnen später dann die genauen Daten geben. Ich habe sie von der [Israelitischen] Kultusgemeinde und zum Teil auch von den Dokumenten meiner eigenen Familie erhalten. Ist eine Frau…meine Großmutter und die Mutter meiner Mutter, ist in Iglau geboren, aber ist als Kind schon nach Wien gekommen. Und sie haben dann in Wien geheiratet. Der Großvater war damals schon dreißig Jahre alt. Er war Witwer. Warum er Witwer war, weiß ich nicht. Ich habe es noch nicht herausgefunden. Möglicherweise ist seine Frau damals…es gab damals ein paar Krankheiten. Ich glaube Tuberkulose war sehr gängig um diese Zeit – ist sie wahrscheinlich daran gestorben. Und er hat sich dann als Witwer mit meiner Großmutter, die aus Iglau auch schon in Wien ansässig war, verheiratet. Mein Großvater war von Beruf Fiaker…Fiaker-Unternehmer. Er hat drei Fiaker-Fahrzeuge gehabt. Sein Standplatz war an der Reichsbrücke, ich glaube in der Aspernstraße. Ich habe noch seine Visitenkarte, die ist auch noch vorhanden. Und das hat er sein ganzes Leben lang gemacht. Ich glaube, er war auch bei der Kultusgemeinde, der Jüdischen Kultusgemeinde, akkreditiert und hat auch, wie jetzt hier die Taxis, als Fiaker für die Kultusgemeinde gefahren. Die Großmutter hatte eine Konfektion und hat Damenkonfektion selbst betätigt. Sie hatte eine kleine Werkstatt im Hof der Wohnung – dort, wo sie gewohnt haben in der Waldsteinstraße 13 – hatte ein paar Arbeiter und Arbeiterinnen dort und sie hat auch für die höhere Gesellschaft, inklusive der Kaiserin und den Adel in Wien, gearbeitet. Und es ist wahrscheinlich für ihre Verhältnisse gut gegangen. Sie hatten vier Kinder, zwei Söhne und zwei Töchter. Und die Wohnung, in der sie gewohnt hat…nach damaligen Verhältnissen klein…oder für heutige Verhältnisse klein. Es war ein großes Schlafzimmer, ein großes Wohnzimmer und eine Küche, und Toilette – so wie üblich, draußen auf dem Gang. Und dort sind die vier Kinder mit den Eltern aufgewachsen. Dazu kam noch ein Cousin von der Fam…von den Kindern. Genaue Einzelheiten weiß ich nicht. Er hat Julius Deutsch geheißen und er ist bei ihnen aufgewachsen. Er hat seine Eltern früh verloren. So haben fünf Kinder und meine zwei Großeltern in dieser Wohnung gelebt. Das war die eine Familie.

 

 

1/00:04:39

 

 

Die andere Familie, von meinem Vater die Familie…der Großvater ist in Groß-Poznań geboren, ist als Kind nach Wien gekommen…ich weiß nicht, wann. Er verwaiste im Alter von sieben oder acht Jahren. Ob er damals schon nach Wien gekommen ist oder später? Ich finde ihn im Jahr…in seinem siebzehnten Lebensjahr finde ich ihn in Wien bei einer Lehre als Hufschmied. Er hat dort drei Jahre gearbeitet und hat dort sein…wie sagt man…sein…beendet…seine Ausbildung…beendigt und ist dann zur österreichischen Armee gegangen. Er war zehn Jahre bei der Armee – warum, weiß ich nicht. Vielleicht wollte er dort bleiben. Es war damals glaube ich schon obligatorische Militärpflicht für Juden. Ich glaube sie wurde 18-und [1788]…ich weiß nicht genau…eingeführt. Aber er war zehn Jahre bei der Kavallerie – beim Dragonerregiment Nummer zwei, wenn Ihnen das noch etwas sagt [Lacht.] – und ist dann ausgetreten nach zehn Jahren und bekam einen Posten bei der Staatsdruckerei als Hausdiener und hat dort gearbeitet bis zu seiner Pension. Seine Frau kam aus Milchdorf, heute Slowakei, damals war es Ungarn. Aber ihre Mutter kam aus Eisenstadt und ist wahrscheinlich von einer alteingesessenen Familie. Eisenstadt hatte ja eine große jüdische Gemeinde damals. Aber sie hat sich nach Eisenstadt verheiratet…nach Milchdorf verheiratet. Dann ist sie…ist sie verwaist, ihr Vater ist ein Jahr nach ihrer Geburt verstorben. Und ist dann ihre Mutter…mit der Mutter allein geblieben. Ich weiß nicht, ob sie Geschwister gehabt hat. Ich glaube, sie hatte noch eine Schwester. Aber Einzelheiten kenne ich nicht. Ich habe es noch nicht so nachgeforscht. Ich habe erst jetzt begonnen, mehr in die Einzelheiten hineinzugehen. Die Mutter hat dann als Hebamme…sagt man Hebamme? Als Hebamme in Wien…auf der Universität Wien gelernt und hat auch die Prüfungen bestanden. Ob sie mit ihrer Tochter nach Wien gekommen ist oder nicht, weiß ich nicht. Wahrscheinlich musste sie sich ernähren, weil der Vater ist gestorben. So musste sie die Familie weiterbringen. Was sie weiter gemacht hat…die Mutter hat Ungarisch…die Großmutter hat Ungarisch gesprochen. Auch die Juden in Eisenstadt haben ja auch Ungarisch…Eisenstadt war ja zum Teil ungarisch, zum Teil Österreich. Nach 1920 mit der Abstimmung haben sie beschlossen, zu ihrem Vorteil, zu Österreich zu gehören. Aber es war unter dem Schutz von Esterházy, vom Fürsten Esterházy. Auch die Großmutter ist dann nach Wien gekommen. Die Großmutter und der Großvater, die Eltern meines Vaters, haben sich dann im Jahre…haben sich dann im Alter von 30 verheiratet. Wo sie sich kennengelernt haben…wie, weiß ich nicht. Ob das damals…wie sagt man?

 

LSY: Matchmaking war.

 

ON: Ja…oder nicht. Auch bei dem Großvater…unter den Juden war es ja sehr üblich, dass man diese Matches gemacht hat, zwischen Mann und Frau. Aber sie haben beide im Alter ziemlich spät geheiratet eigentlich…mit 30 war verhältnismäßig spät. Und haben in einer kleinen Wohnung im 3. Bezirk in der Kegelgasse gewohnt. Ein großes Schlafzimmer…Wohnzimmer – das war immer damals zusammen –, ein kleines Kabinett und eine Küche; das Klo draußen, wie üblich. Sie hatten sechs Kinder, davon sind vier bei der Geburt gestorben. – Ich habe den Verdacht…oder es ist vielleicht möglich, dass sie Rh- hatten. Sie kennen das? Den Faktor? Denn zwei meiner Töchter haben auch Rh-. Vielleicht ist das der Grund. Denn damals…heute, glaube ich, bei Geburt von Kindern, die Blut Rh- haben, tauscht man das Blut gleich aus. Aber damals kannte man das nicht…sind sie wahrscheinlich daran gestorben. – Blieben dann mein Vater und sein Bruder Leo noch übrig. Die sind dann aufgewachsen, auch in Wien. Das war nun die Großeltern-Seite. [Lacht.]

 

 

1/00:11:17

 

 

LSY: Und wie haben sich Ihre Eltern dann kennengelernt?

 

ON: Wie sie sich kennengelernt haben, weiß ich nicht. Beide Eltern haben die Volksschule absolviert – das war obligatorisch damals. Mein Vater hat dann auch in der Konfektion gearbeitet, hat auch absolviert und dann weiter gearbeitet, hat aber dann im Alter von zwanzig ungefähr das Geschäft verlassen. Es steht auf dem Brief nur, dass er nach seinem eigenen Willen – das habe ich noch, den Brief –nach seinem eigenen Willen die Arbeit verlässt und man gibt ihm alle guten Empfehlungen. Und die Mutter hat auch gearbeitet in einer Wirtschaftszeitung. Und sie hatten sich im jungen Alter kennengelernt. Ich weiß nicht, wo und wie. Aber sie hat im Alter von…die Mutter war 21, der Vater 23, haben sie geheiratet. Ein Jahr vorher hatten sie sich schon verlobt. Das war natürlich verhältnismäßig sehr jung und nicht mit viel…wie sagt man…praktischem Hintergrund und nicht finanziell ausgesorgt. Ich glaube, die Mutter war die treibende Kraft sich rasch zu verheiraten. Sie war immer sehr energisch. Sie war immer die treibende Kraft, auch zu Hause. Aber sie hatten sich dann jung verheiratet. Ich glaube es war 1911…hatten sie geheiratet. Und bald ist meine Schwester, meine ältere Schwester geboren – sie wurde 1913 geboren. Und dann 1914 begann der Weltkrieg. Und da hat sich unsere Familie ziemlich aktiv beteiligt. Beide, mein Vater und sein Bruder, wurden ins Militär eingezogen und auch die zwei Brüder meiner Mutter wurden ins Militär eingezogen und dienten vier Jahre beim Militär, so wie alle. Zwei davon sind gefallen. Der Bruder meines Vaters und der Bruder meiner Mutter sind gefallen im Krieg. Einer war Sanitäter. Er ist in Russland, in Polen…Russland gefallen und dort begraben. Das war der Bruder von meinem Vater. Und der Bruder von meiner Mutter: ich glaube, er wurde am Schluss schon Fähnrich. Das so wie Unterleut…fast der unterste Grad vom Offizier hat er dann bekommen. Ich habe noch den Brief, in dem er geschrieben hat an meine Mutter: „Jetzt wird sich die Familie sehr freuen, dass ich so einen guten Fortschritt gemacht habe und avanciert wurde.“ Er ist dann ein oder zwei Monate vor Kriegsende an der italienischen Front gefallen. Und beide…mein Vater und der andere Bruder meiner Mutter wurden beide verletzt. Mein Vater hatte einen Durchschuss im Fußgelenk mit einem Dum-Dum-Geschoss und der Bruder…der andere Bruder meiner Mutter wurde verschüttet bei einem Granateneinschlag und kam dann mit einem schweren Nervenanfall…wurde dann herausgezogen aus dieser Verschüttung noch rechtzeitig bevor er erstickt ist. Das waren die Grundsage…oder der…die…sagen wir der Grund…meiner Eltern…das war ein Überblick über meine Großeltern und meine Eltern.

 

 

1/00:16:09

 

 

LSY: Und sie wurden dann geboren?

 

ON: Ich wurde dann…während des Krieges waren die Eltern kaum…waren die Männer fast kaum zu Hause. Sie waren ja…damals war es nicht so wie heute: Sie waren monatelang an der Front ohne Verbindung mit zu Hause. Telefon gab es ja keines. Die Feldpost war die einzige Verbindung. Ich habe ein paar Karten noch von…Postkarten, die…mein Vater an meine Mutter schreibt. Besonders hat er sich sehr nach seiner Tochter, die war damals, als er eingerückt ist beim Militär…war sie eineinhalb Jahre…knapp eineinhalb Jahre, noch ganz jung. Und er hat sie dann kaum gesehen. Man hat nur sehr wenig Urlaub bekommen. Und das meiste waren Verbindungen über…dann halt über Feldpost hat man sich geschrieben. Ich habe noch ein paar Karten, die ich durchgelesen habe und auch die Korrespondenz…

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

…mit ihrem Bruder, der dann gefallen ist, geführt haben. Sie haben sehr aneinander gehangen, die beiden, und sie haben sich dann sehr oft geschrieben. Nur ein kleiner Teil ist übriggeblieben, aber daraus sehe ich, wie sehr sie sich gesehnt hat und wie schwer es ihnen war so lange von zu Hause weg zu sein, ohne Verbindung. Weil sie ja nicht genau wussten, was geschieht zu Hause und die anderen wussten nicht was geschieht…was auf dem Feld geschieht. Auch die finanzielle Lage der Soldaten war nicht sehr gut: Ich habe…in einem der Briefe von meinem Onkel habe ich gelesen, dass er meiner Mutter schreibt: „Na, schick mir ein paar Zigaretten und schick mir noch ein paar Kronen. Jetzt haben sie eine Kantine eröffnet. Da möchte ich gerne manchmal etwas kaufen. Ein paar Sardinen und so kleine Sachen.“ Die Lage war nicht sehr rosig damals für die Soldaten an der Front: Sowohl waren sie sehr isoliert von der Familie, aber auch wenig finanzielle Hilfe hatten sie. Das Gehalt wahrscheinlich war sehr, sehr klein, das sie bekamen. Auch der Krieg war ja sehr, sehr schlimm. Es war ein zum Teil Stellungskrieg und zum Teil Frontalkrieg, in dem man die Schützengräben, in denen sich die Gegner…beide haben sich im Schützengraben versteckt, in einem gewissen Abstand voneinander, und dann haben sie den Befehl bekommen zu stürmen, um zu erobern. Wenn sie den anderen Schützengraben gestürmt haben, wurden sie mit Maschinengewehren abgeschlachtet. Deswegen sind ja damals viele Millionen von Soldaten…ich glaube 30,000.000 Soldaten sind damals im Ersten Weltkrieg umgekommen. Also es war nicht sehr…nicht sehr schön und nicht sehr einfach. Und aus den Briefen erlese ich, wie schwer es die Soldaten damals hatten. Und besonderes die Entfernung von der Familie und kein Kontakt außer Briefe, die ja Wochen gedauert haben, bis sie von einem zum anderen gekommen sind. Und die große Sorge, einerseits für die Kinder an der Front, und anderseits die Soldaten an der Front, was zu Hause geschieht.

 

Auch die wirtschaftliche Lage hat sich damals immer verschlimmert. Am Anfang hat man versprochen: „Der Krieg geht sehr rasch zu Ende, dann ist alles gut und wir sind die großen Sieger, und dann kommt ihr alle nach Hause.“ Und das hat sich dann vier Jahre hingezogen, der Erste Weltkrieg. Und es ist immer schwieriger geworden, auch zu Hause: Lebensmittel wurden knapper, Medizin wurde knapper und alles. Meine Mutter hat bei ihren Eltern…mit ihrer kleinen Tochter, meiner Schwester, bei ihren Eltern gewohnt, damit sie…sie ist arbeiten gegangen, damit sie für den Unterhalt sorgen konnte. Und die Eltern haben auf die kleine Tochter aufgepasst. Aber es war ihnen sehr schwer. Und ich sehe auch an der…auch an der Front hat es immer…genug in den späteren Jahren Essen gegeben – das habe ich aus den Briefen herausgelesen –, bis dann 1918 der Zusammenbruch gekommen ist.

 

 

1/00:21:33

 

 

LSY: Haben Sie in den Briefen auch etwas gelesen oder hat ihr Vater Ihnen vielleicht auch später erzählt…hat man einen Unterschied gefühlt als man…als Jude damals in der Armee zu sein? Oder hat ihr Vater darüber nie…darüber nicht gesprochen?

 

ON: Ich glaube nicht. Ich habe noch die Dokumente von meinem…dem Bruder von meinem Vater, der 1916 in Polen…ich weiß nicht, ob das Polen oder Russland war…gestorben ist. Er war Sanitäter und hat sich mit Typhus infiziert und ist dort im Spital gestorben. Und die Nachricht darüber hat mein Großvater im Büro erhalten durch ein Telegramm. – Das war damals nicht so wie heute hier: Wenn ein Junge fällt, kommt ein Offizier und eine Schwester und eine Sozialbeamtin und…damit sich die beruhigt. Damals hat der Großvater ein Telegramm bekommen, aufgemacht und gelesen, dass sein Sohn gefallen ist. – Wir haben nie darüber gesprochen. Ich war damals zu jung und auch nie daran gedacht, dass man in solche Sachen ein bisschen tiefer hineinschauen muss. Man hat sich um seine eigene Zukunft mehr gesorgt als junger Mensch, oder fast als Kind, als über diese Details nachzudenken und zu fragen. Heute tut es mir leid…es ist viel Interessantes…und die…zu verstehen das Heute und das Damals: Wie hat dein Großvater darauf…darüber reagiert? Plötzlich ein Telegramm zu bekommen und darin steht: „Dein Sohn ist gefallen.“ – das Telegramm habe ich noch. Und dann hat ihm der Stabschef vom Spital einen schönen…sehr schönen Brief geschrieben. Und das Begräbnis war im Beisein von einem Rabbiner. Ich habe noch die Bilder auch davon. Das heißt, ich glaube nicht, dass da ein…dass es sich als Juden benachteiligt oder unterschiedlich…habe nie etwas darüber gehört, auch später nicht. Nie haben meine Eltern erwähnt oder meine Onkel, dass sie da irgendwie als Juden benachteiligt wurden.

 

LSY: Und Ihr Vater ist dann gegen Ende des Krieges wieder nach Wien gekommen?

 

 

1/00:24:17

 

 

ON: Ja, nach Ende des Krieges sind alle zurückgekommen. Das war damals wahrscheinlich bisschen…nicht sehr organisiert. Das war ein Zusammenbruch eigentlich, das Ganze…in jeder Beziehung. Und der Vater ist zurückgekommen. Seine Zivilkleidung hat man ihm gestohlen, die ganzen…wie sagt man…wo man das…Magazine wurden ausgeraubt. Das war damals sehr üblich. Und er hat einen Brief bekommen, dass er vielleicht etwas später eine Bezahlung dafür bekommt, ich weiß nicht. Aber dann ist er zurückgekommen. Dann mussten die Eltern von neu beginnen eigentlich, und mit…fast mit gar nichts. Ich habe mit meinen Eltern nie darüber gesprochen. Und es tut mir leid heute, dass wir nicht gefragt haben, wie sie sich damals durchgebracht haben. 1918…Ende 1918 war der Krieg zu Ende. Meine Eltern haben eine Wohnung gemietet im 20. Bezirk in der Heinzelmanngasse – auch eine damals normale Wohnung – für heute sehr, sehr klein, 40…45 Quadratmeter. Es war ein großes Wohnzimmer, vielleicht so groß wie dieser Salon ohne den Zuteil, und ein Zimmer, und ein Kabinett und eine Küche, und ein Klo draußen zusammen mit einer anderen Familie. Wir waren dann fünf Menschen in der Familie, nachdem dann nach mir noch meine jüngere Schwester geboren wurde. Und die andere Familie waren drei Personen: Mein Freund und seine zwei Eltern. Wir waren acht Personen auf einem Klosett auf dem Gang gemeinsam. Das war auch nicht sehr bequem. Wasser war auch nicht in der Wohnung – das war alles draußen am Gang, das musste man holen. Und im Winter…erstens war es ziemlich schwierig in der Früh, wenn alle aufgestanden sind, zur Arbeit gegangen sind und in die Schule: Alle wollten aufs Klo. [Beide lachen.] Mussten sich alle dann ein bisschen zurückhalten. Und in der Nacht herauszugehen war überhaupt…es war sehr finster und kalt. Da hat man lieber einen Topf unter dem…unter dem Bett gehalten und in der Wohnung seine…verrichtet, was man tun musste. Ich weiß nicht, ob Sie kenn…diese Verhältnisse ein bisschen kennen. [Lacht.] Bitte?

 

LSY: Nicht wirklich. [Beide lachen.]

 

ON: Wahrscheinlich nicht. Aber das war die…das war die Wirklichkeit von damals. Und zum Beispiel…Sie wissen, dass in Wien nur zehn Prozent der Wohnungen Klo und Wasser in der Wohnung hatten. Heute bauen sie das alles um: Die Wohnung, in der meine Eltern und wir die Geschwister dort gewohnt haben, und die Wohnung nebenan haben sie heute in eine große Wohnung umgebaut. Das wird alles heute umgebaut, um große Wohnungen mit Toiletten und Wasser drinnen…damit das einen annehmbaren Standard erreicht. Aber damals war das nicht…vor 1920, als ich geboren wurde, und bis ich verlassen hatte, 1939, war das der Standard. Der Großteil der Bevölkerung, das Kleinbürgertum, hat so gewohnt. Nur in ein paar Gegenden – Währing, Döbling und so – hatte es größere Wohnungen…wo bessere…wo die höhere Gesellschaft gewohnt hat. Dort hat es dann auch bessere, annehmbarere Wohnbedingungen gegeben. Aber ich habe einen…es gibt eine Beschreibung dieser Wohnverhältnisse in Wien von damals mit Details und so weiter. Es war nicht sehr bequem. Zum Beispiel, man konnte sich nicht…wie haben wir uns gewaschen? Ein Stockerl in die Küche gestellt, Wasser vom Gang gebracht in einem Lavoir und dann ein bisschen das Gesicht gewaschen, die Hände gewaschen. Dann hat die Mutter geschaut, ob der Hals gut gewaschen ist, damit das Hemd nicht so schmutzig wird. Und das war das…unsere hygienischen Bedingungen. Und einmal von Zeit zu Zeit ist man ins Tröpferlbad, ins öffentliche, gegangen und hat sich dann gewaschen. Oder gewartet bis Sommer war…bis Sommer geworden ist. Dann ist man ins Bad gegangen. Das waren damals die Verhältnisse in Wien, in einer der modernsten Städte auf der Welt. Aber…

 

 

1/00:30:26

 

 

LSY: Was sind die frühesten Kindheitserinnerungen, die Sie noch so haben?

 

ON: Ich habe noch viele. [Lacht.] Die erste Erinnerung? Ich wurde Oktober…28. Oktober geboren, 1920. Das Datum, um in die Schule einzutreten, war der 1. September. Wer nach dem 1. September geboren wurde, musste ein Jahr warten. Und meine Mutter hat gesagt: „Du bist zu gescheit, dass du noch ein Jahr verlierst“, und hat zu meiner Großmutter gesagt: „Nimm den Buben und geh aufs Magistrat und sage, sie sollen ihm erlauben in die Schule etwas früher…etwas früher einzutreten.“ Und dann – ich erinnere mich – ist meine Großmutter mit mir gegangen aufs Magistrat. Das war in der Klosterneuburger Straße, nicht weit von wo wir gewohnt haben. Und da ist…bin ich hineingegangen mit der Großmutter zum Beamten, der sich darüber…damit beschäftigt hat. Hinter einem großen Schreibtisch gesessen und da fragt er…nimmt er einen Leuchter aus der Schublade und fragt mich: „Was ist das?“ „Ja, das ist ein Leuchter für eine Kerze.“ – sagt er: „Du bist sehr gescheit. Da kannst du in die Schule eintreten.“ [Kichert.] Und dann konnte ich in die Schule eintreten. Und ich erinnere mich noch an den Mann so dunkel. Und ich war damals ja kaum…knappe sechs Jahre alt. Und es hatte…es war ein Glück, weil ich dann später, mit 1938 noch maturieren konnte. Denn wenn ich für ein Jahr…wenn ich das Jahr verloren hätte, hätte ich die Matura nicht mehr beenden können.

 

LSY: In welche Volksschule sind Sie gegangen?

 

ON: In die Volksschule bin ich in der Wasnergasse gegangen, vier Jahre. War sehr leicht für mich, kein Problem. Und da hatte ich wieder ein Problem: In der…am Ende des dritten Schuljahres hat man die drei Klassen aufgeteilt in zwei Klassen. Und das erinnere ich mich auch noch: Da ruft mich der Lehrer – alle hat er gerufen nach dem Namen, Alphabet einmal vom Ende, einmal vom Anfang, ich war in der Mitte mit N, ich war der Letzte – da sagt er: „Komm zu mir. Wohin willst du gehen? In welche Klasse? In die oder in die? In die A oder in die B?“ Ich war ganz gelähmt. Ich konnte nicht…kein Wort herausbringen. Ich bin dort so gestanden und – das sehe ich noch heute, wie ich dort gestanden bin – ich sage: „Ich möchte in diese Klasse, in die B, aber wie kann ich ihm das sagen?“ Und da hat er am Schluss…hat er gesagt: „Ich sehe, du gehst in die B-Klasse.“ Da habe ich mich sehr gefreut. Und habe mich…das sind so Einzelheiten, die so komisch sind, die ich mich daran erinnere. Na, als Kind wie normale…wir haben gespielt im Augarten, ein bisschen Fußball, ein bisschen…mit den Kugeln…mit den kleinen Kugeln haben wir gespielt. Ein kleines Loch in die Erde gegraben und…kennen Sie noch, wie Kinder damit gespielt haben? [Lacht.] Wir haben uns gefreut. Und eins haben mein Freund und ich…wir haben zusammen am selben Gang gewohnt und sind zwölf Jahre in dieselbe Schule, in dieselbe Klasse gegangen.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

1/00:34:43

 

 

Und wir hatten jeder in unserer…in der Küche ein kleines Loch gegraben, das die Eltern nicht so sehen konnten und dann haben wir zu Hause auch gespielt. Ich bin ganz gerne in die Schule gegangen, dann hatte ich die Aufnahmeprüfung – damals musste man Aufnahmeprüfung machen für die…um in die Mittelschule zu kommen – auch leicht bestanden und dann in der Unterbergergasse im RG 20[Realgymnasium Wien 20] habe ich acht Jahre gelernt. Ich kann nicht sagen, dass ich viel…etwas schon…dass ich Antisemitismus gespürt habe. Die Lage hat sich verändert 1934 nach der Ermordung von Dollfuss. Die Christlichsozialen, die damals an der Regierung waren, die eigentlich autoritär geherrscht haben – Austrofaschismus wie man das nennt –, hatten ein bisschen den Antisemitismus gefördert, auch in der Schule. Obwohl man…keinen direkten Antisemitismus gespürt habe. Ich war die ganze Zeit mit meinem Freund gut befreundet. Er war Christ und ich war jüdisch und haben nie etwas…hat uns nie etwas ausgemacht. Aber es hat sich dann doch ein bisschen…ist in der Luft gelegen. Nicht, dass jemand mir gesagt hat „Jude“ oder „Sau-Jude“ oder so…oder so irgendetwas…oder so beleidigt. Wir waren weiter gut. Aber man hat es…hat eine Atmosphäre gespürt, dass die eine Seite ist jüdisch die andere Seite ist christlich. Und die jüdische Gesellschaft hat sich langsam…und die Gesellschaft hat sich langsam geteilt in die jüdische und eine christliche. Ich bin ja zu Hause…unsere Familie war sehr assimiliert, obwohl mein Großvater, von Vaters Seite, sehr fromm war…sehr fromm würde ich nicht sagen. Die Großmutter war fromm, sehr fromm sogar, koscher zu Hause gehalten. Sie wissen ja, die Juden in Eisenstadt waren sehr fromm. Und sie hat das alles mitbekommen und sie war wirklich in der Beziehung fromm. Mein Großvater ist nach der Pension zweimal am Tag in die Synagoge gegangen – früh und abends – und hat alle…hat beachtet die Gebote. Von Mutter…meiner Mutter seitens überhaupt nichts…sie war total assimiliert. Und auch ihr Bruder hat sich christlich verheiratet und ihre Schwester hat sich evangelisch verheiratet, sodass meine Familie eigentlich ein bisschen vermischt war.

 

Obwohl, die Familie von meinem Onkel…von der Mutter…der Bruder meiner Mutter, die Familie war stärker antisemitisch orientiert. Obwohl sie der Hochzeit von ihrer Tochter zugestimmt haben, aber sie haben da immer so Bemerkungen gemacht über Antisemitismus. Aber wir haben es wenig gemerkt, weil wir wenig Kontakt mit…mit ihnen wenig Kontakt hatten. Die Schwester meiner Mutter hat evangelisch geheiratet, einen Deutschen…und er war im Gegenteil sehr freundlich und nie je irgendeine Bemerkung. Der Bruder meiner Mutter ist katholisch geworden, die Schwester meiner Mutter evangelisch. Aber dort hat man nie irgendetwas gemerkt. Ich war immer sehr gut…sie hatten eine Tochter, meine…Ilse, meine Cousine. Ich war mit ihr immer sehr gut befreundet. Wir hatten uns immer…wir haben sehr viel zusammen gespielt. Sie war zwar fünf Jahre jünger, aber sie ist in dieselbe Schule gegangen, in die Unterbergergasse, und wir haben immer sehr gut zusammen…aber man hat immer gesprochen über die Familie vom Bruder…ist ein bisschen antisemitisch. Die hat…man hat sich ein bisschen distanziert von ihnen. Aber die…meine Mutter selbst war total assimiliert. Mein Vater--

 

LSY: --haben Sie irgendwelche Feiertage gehalten?

 

 

1/00:39:50

 

 

ON: Die jüdischen? Nein.

 

LSY: Selbst Jom Kippur nicht? [Beide kichern.]

 

ON: Meine Mutter hat Jom Kippur gehalten. Und wissen Sie warum? Als meine Schwester geboren wurde 1923 war ihr Kopf an der Schulter angewachsen. Man musste sie operieren um den Kopf von der Schulter zu befreien. Und dabei…sie war im Allgemeinen Krankenhaus und hat sich dabei…bei der Operation infiziert und bekam eine Nierenbeckeneiterung. Und sie ist ein paar Monate im Spital gelegen zwischen Leben und Tod. Da hat meine Mutter gesagt: „Wenn sie gesund wird, werde ich mein ganzes Leben Jom Kippur fasten“. Und sie ist gesund geworden und meine Mutter hat ihr ganzes Leben gefastet. Vielleicht die letzten Jahre, als sie schon krank war, nicht so, aber da hat sich…sehr, sehr daran gehalten. Aber das war der einzige Feiertag, den wir wirklich gehalten haben. Mein Großvater, von Vaters Seite, hatte Pessach gehalten – bin ich manchmal bei Pessach zu ihm gegangen. Er hat auch meine Bar-Mizwa organisiert. Denn wenn ich von meinen Eltern abhängig gewesen wäre, hätte ich nie Bar-Mizwa gehabt. Sie waren schon so assimiliert. Also der Kontakt…der jüdische war wenig. Religionsunterricht hatten wir damals…etwas über das Judentum gelernt, aber nicht sehr…nicht sehr viel. Und meine Mutter hat jedes Jahr den Christbaum angezogen zu…am 24. Februar. [Meint wohl Dezember.] Das hat ihr sehr gefallen und das war schön. Und wir haben uns gefreut über die Geschenke, die wir bekommen haben. Aber--

 

LSY: --[19]34 hat sich das dann ein bisschen verändert?

 

ON: Hat sich das ein bisschen geändert. Und dann hat man ein bisschen begonnen zu sprechen über…Zionismus. Und dann habe ich Kontakt bekommen mit Juden…jüdischen Kindern, die zionistischen Organisationen beigetreten sind. Und dann habe ich auch gesagt: „Vielleicht gehöre ich auch dahin.“ Und ich bin beigetreten dann dem Zionistischen Jugendverband, es war Brit BILU am Anfang. Hat sich dann vereint mit Blau-Weiß und ist dann Netzach geworden. Ich weiß nicht, ob Sie über die Organisationen…ob Sie darüber etwas kennen. Es war…und dort bin ich bis zu meiner Auswanderung geblieben--

 

LSY: --und Ihre Eltern haben das auch unterstützt?

 

ON: Naja, es war ihnen ganz egal. Sie haben gesagt, es seien Ideen…hat damals nicht gedacht, dass Hitler kommen wird…und gesagt: „Das geht vorüber. Soll er dort sein bei der zionistischen Organisation.“ Und dann ist alles sehr rasch gegangen, hat sich alles sehr rasch geändert und ich war dort in der Organisation. Es hat mir dort sehr gut gefallen. Es war…man hat sich ein bisschen freier gefühlt und es war gut organisiert. Wir hatten jeden Freitagabend Oneg Sabbat, wie man sagt. Haben immer ein bisschen getanzt, Hora, und ein bisschen gesungen und so. Und jede Woche waren auch ein- oder zweimal Vorträge. Wir waren in kleinen Gruppen organisiert, jeder hatte einen Gruppenvorstandschef. Meiner war…Sie haben vielleicht über ihn gehört…Ehud Überall…Ehud Avriel. Er war mein…und ich war…sehr gut mit ihm befreundet. Er war ein unglaublich talentierter Mensch – er war drei Jahre älter als ich, hat sieben Sprachen fließend gesprochen – in jeder Beziehung. Politisch…wenn er etwas analysiert hat, so präzise und so schön, so gut. Unglaublich. Und ich war mit ihm sehr befreundet.

 

Ich habe mich sehr gut gefühlt und bin auch ins Sommerlager dann mit der Organisation gegangen. Und dann ist es automatisch eigentlich Basis für die Auswanderung geworden – und daran hätte keiner gedacht 1938, als Hitler…als Österreich an das Reich angeschlossen wurde. Ich habe damals noch eine Rede von [Kurt] Schuschnigg gehört und die letzten Worte „Gott segne Österreich“. Es war schon damals Radio, man konnte schon damals hören…ein großes Radio, so groß. [Zeigt die Größe.] Aber selbst damals hatten meine Eltern, meine Mutter besonders, gesagt: „Uns kann nichts passieren. Vater war Frontkämpfer, verwundet. Sein Bruder ist gefallen. Mein Bruder ist gefallen. Uns passiert nichts. Auch mit Hitler nicht.“ Das war…hat man geglaubt, bis dann die Kristallnacht gekommen ist. Am 10.…am 9. November. Dann war es schon zu Ende. Dann hat schon jeder geglaubt, dass man nicht mehr bleiben kann und dass man alles tun muss.

 

 

1/00:46:18

 

 

LSY: Ihre Familie hat sich sehr integriert in Österreich…hat sich sehr österreichisch gefühlt?

 

ON: Ja. Die Mutter hat sogar ein bisschen Wienerisch…wenn sie gesprochen hat, war es ein bisschen Wienerisch – der Vater weniger. Aber die Familie hat sich total österreichisch gefühlt. Mein Großvater hat im…von meiner Vater Seite…hat im Bosnien…an der Besetzung von Bosnien mit der österreichischen Armee teilgenommen. Wir haben eine lange Geschichte mit Österreich und der Großvater von meiner Mutter Seite…ich weiß nicht, wie weit man das noch verfolgen kann, aber war sicher ein paar Hundert Jahre in Wien ansässig…von den ältesten Familien, sodass man da wirklich ziemlich österreichisch war…auch österreichisch gedacht und österreichisch in jeder Beziehung. Ein Onkel war…von meiner Mutter ein Onkel, war ein hoher Beamter in der Creditanstalt und in einer der Banken. Es war auch eine angesehene Familie, die verwurzelt in Österreich war. Und deswegen war es für meine Mutter besonders schwer, dass so plötzlich das Ganze sich geändert hat. Sie konnte es überhaupt nicht glauben, dass so etwas passierte. Man hat--

 

LSY: --auch wie begeistert die Österreicher…war man überrascht darüber, wie begeistert die Österreicher mitgemacht haben? Wie begeistert sie auf den Einmarsch der Deutschen reagiert haben?

 

ON: Es hat nicht so sehr überrascht, denn die Österreicher waren ja…sind ein bisschen…man ist ein bisschen nachgelaufen. Man darf nicht vergessen, dass die wirtschaftliche Situation – daran kann ich mich gut erinnern – von 1934 an sehr schwer war in Österreich, bis 1938; also, eine sehr schwierige ökonomische Situation. Und das war…und das hat sich sehr auf die Bevölkerung ausgewirkt. Und man hat ja auch gewusst, dass es sehr viele unterirdische Freunde gegeben…auch in der Klasse haben wir gewusst, dass ein paar von ihnen--

 

LSY: --illegale Nazis waren.

 

ON: Sogar auch Nazi…direkt Nazi…in der Partei mitgemacht haben. Aber man hat darüber nicht gesprochen – weder die, die dabei waren, oder wir, die als jüdische…man hat das…man ist darüber hinweggegangen. Verhältnismäßig in der Schule, besonders in meiner Schule, im RG 20 [Realgymnasium Wien 20], war…wo ein Drittel der Schüler jüdisch war, war wenig…habe ich von Antisemitismus eigentlich nichts gespürt. Auch als Hitler nach Österreich gekommen ist, die Nazis gekommen sind…einen Tag nach dem Anschluss wurden…wir waren drei Klassen…im achten Jahrgang: A, B, C – zwei Jungen und zwei…und eine Mädchen[klasse]. Damals war das noch getrennt, war doch ein katholisches Land, da konnten…so wie die Juden…da durfte man nicht vermischen. Und da haben sie dann bei Hitler…bei Hitler hat das keinen Unterschied mehr gemacht. Man hat uns sofort aufgeteilt in zwei katholische…zwei christliche Klassen und eine jüdische. Aber es ist sehr reibungslos von sich gegangen. Wir hatten nichts gespürt. Wir hatten einen…man hat uns die Schule…wir haben die Schule beendet. Man hatte…Hitler ist im März…Österreich ist im März angeschlossen worden, die Matura sollte im Mai sein – es war eine kurze Zeit. Eigentlich haben wir schon nicht mehr viel gelernt, es war schon mehr Vorbereitung für die Matura. Und dann hat man uns es noch erleichtert das Ganze: Wir hatten ein neues Fach, Heimatkunde…hatten sie eingeführt, kurz…ich glaube, ich war damals in der…in der siebten Klasse. Heimatkunde, das war christlich orientiert und der Regierung entsprechend – sie war ja unter starkem christlichen und…unter katholischem Einfluss…nicht christlichem, aber katholischem Einfluss – und Heimatkunde hatte Wert darauf gelegt, dass Österreich ein tief katholisch denkendes…fühlendes Volk ist. Und da hat man dann ein Fach eingeführt: Heimatkunde. Und das mussten wir dann alles lernen. Wir hatten das nicht alle sehr…nicht gern gehabt.

 

 

1/00:51:56 [Übergang/Schnitt.]

 

 

Und das Erste, was Hitler gemacht hat: Er hat Heimatkunde gestrichen. Und das war sehr gut, denn es sollte auch ein Fach für die Matura sein. Und dann sind dann nunmehr die schriftlichen und mündlichen Prüfungen übergeblieben. Mündlich waren damals drei Prüfungen – ich weiß nicht, welche…ich glaube Deutsch, Lateinisch und Mathematik – und vier Schriftliche: Französisch, Deutsch, Mathematik und Latein. Dann hat man uns auch noch die Prüfungen…die mündlichen Prüfungen gestrichen. Es war dann schon eine Stimmung…ganz anders. Es war schon alles eine Stimmung auf den nächsten Weltkrieg. Man hat das schon gefühlt und auch keiner hatte mehr viel Lust zum Lernen. Und dann hatten sie uns die mündliche Prüfung gestrichen – hatten wir dann nur vier schriftliche Prüfungen. Ich glaube, alle hatten sie gemacht. Wer in die achte Klasse gekommen ist, hat normalerweise auch die Matura beendet – es war schon keine Schwierigkeit mehr. Wir konnten dann noch alle das Abschlusszeugnis, die Maturazeugnisse, bekommen. Und dann stand vor den Juden: „Was weiter?“ Die christliche Bevölkerung eigentlich hat ihren Weg zum Militär mehr oder weniger. Hitler hat sich schon damals begonnen auf den nächsten Weltkrieg…die Prüfung…wir hatten maturiert im Mai ]19[39. Der nächste Weltkrieg hat im September 1939 begonnen. Der…eigentlich die ganzen Vorbereitungen von Hitler, die Aufrüstung und…war alles schon darauf gerichtet, gezielt den nächsten Weltkrieg in Gang zu setzen.

 

 

Ende von Teil 1

 

 

Teil 2

 

 

LSY: Wie war die Atmosphäre auf den Straßen nach dem Anschluss? Können Sie sich noch erinnern? Hatten sie Angst hinaus zu gehen oder ist Ihnen auch irgendetwas passiert? Wurden Sie--

 

ON: --ja. Es war nicht sehr angenehm, damals auf die Straße zu gehen. Erstens hat man einen Teil der jüdischen Familien aus den Wohnungen hinausgeschmissen, zum Beispiel meine Schwester, die in der Wohnung der Großeltern dann gewohnt hat, im 3. Bezirk. Der Mann meiner Schwester hatte eine Stärkefabrik im 2. Bezirk, auch in der Nähe von der Reichsbrücke. Das war ihnen sehr bequem. Das war ziemlich da, wo sie gewohnt hat. Und über Nacht aus der Wohnung herausgeschmissen und sind dann zu uns gekommen. Wir waren dann in dieser kleinen Wohnung acht Personen – eine Wohnung von 40 oder 45 Quadratmeter für acht Personen. War undenk…und meine Tochter…meine Schwester hatte damals ihr erstes Kind. Es war, glaube ich, ein Jahr alt. Es war nicht sehr bequem, acht Personen zusammengepfercht, aber sie wurden einfach auf die Straße geworfen. Und man hat sich damals ziemlich gefürchtet auf die Straßen zu gehen, weil man nie wusste, wer einem als Jud [Jude] was machen kann. Man konnte ihnen einfach…man konnte den Revolver herausziehen und ihn niederschießen und keiner hätte gefragt: „Er ist doch ein Jud [Jude].“ Ich habe damals noch in der…in der Kristallnacht am 9. November am Abend sind sie…haben sie an jeder Wohnung angeklopft. Auch bei unserer Wohnung haben sie angeklopft: „Wo sind die Männer?“ Mein Schwager und mein Vater und ich haben uns dann gestellt.

 

Und dann haben sie zu meinem Schwager gesagt: „Komm mit uns“, dann zu meinem Vater: „Komm mit uns.“ Mein Vater wollte ihnen noch zeigen: „Ich war Frontkämpfer.“ – „Interessiert mich nicht.“ Und dann schaut er mich an und sagt: „Der ist zu jung. Bleib zu Hause.“ Ich habe…so wie damals so wie heute…heute sagten Sie 70…damals war ich achtzehn, wahrscheinlich wie fünfzehn ausgesehen. Und das war mein Glück. Haben sie gesagt: „Bleib zu Hause.“ Und dann sind wir zu Hause geblieben. Natürlich waren wir sehr besorgt, was mit dem Vater, mit dem Schwager geschieht. Und am Abend haben wir dann hinausgeschaut und da haben die auf die Straße unten…das war jede Straße…war beschriftet. Vorher sollte eine Volksabstimmung sein, ob Österreich ans Deutsche Reich angeschlossen werden soll oder nicht. Damals [Kurt] Schuschnigg hat das noch vorbereitet die Volksabstimmung, aber Hitler ist ihm zuvorgekommen. Er hat Angst gehabt, Österreicher werden vielleicht doch nicht zustimmen, und da ist er einfach in Österreich einmarschiert. An die Straßen…an alle beschriftet…von allen Parteien. Und da haben sie dann die Frauen geholt und sind unten mit den Kübeln gestanden und haben gerieben. Meine Mutter zum Glück haben sie nicht mitgenommen. Ich weiß nicht, warum. Sie haben wahrscheinlich nicht so genau…sie haben genug gehabt. Dann ist die ganze Bevölkerung ringsherum gestanden. Von den Häusern sind alle heruntergekommen und haben gelacht und geschimpft und sie geschlagen, die Juden, und ihnen die Kübel umgeworfen, damit sie wieder hinauflaufen mussten, um Wasser zu holen und wieder zu reiben. Und wir sind am Fenster gestanden. Wir hatten ja Angst, denn wir konnten auch kein Licht machen. Wo sie Licht gesehen haben – unten waren die SA und die SS – haben sie gleich raufgeschossen. Es war nicht…von diesem Tag an wurde man schon sehr, sehr vorsichtig, weil man wusste jetzt gibt’s [gibt es] keine Spiele mehr. Bis…zwischen dem 12. März und dem 9. November hat man noch so gedacht, obwohl es auch nicht sehr schön war. Aber nach dem 9. März…nach dem 9. November war es ganz klar, dass man nicht mehr bleiben kann und dass auch die Bevölkerung sehr schon antise…total antisemitisch orientiert wurde. Weil sie auch zum Teil ausgenützt hatten, um sich Sachen zu nehmen, die sie wollten. Es gab ja keinen Schutz für Juden.

 

 

2/00:05:06

 

 

Meinen Vater hatten sie dann doch – er war etwas älter – nach zwei oder drei Monaten entlassen, vielleicht weil er Frontkämpfer war, vielleicht oder nicht…vielleicht war er…aber er hatte Glück und man hat ihn nach Hause…meinen Schwager hatten sie nicht nach Hause gelassen. Sie hatten ihn dann ein paar Monate behalten. Und dann ist ein…ein SS-Standartenführer gekommen und hat ihm gesagt: „Gib mir deine Fabrik und dann lasse ich dich heraus. Und ein Jahr wirst du die Fabrik mit den Arbeitern einarbeiten und dafür bringe ich dich heraus.“ Und hat ihn bemet [wirklich]…wirklich herausgeholt. Hat ihm dann…mein Schwager die Fabrik übergeben und hat begonnen die Leute zu…einzuarbeiten. Hat dabei…sein Vater…der Vater vom Schwager hat die Ausreise für ihn vorbereitet. Er hatte gute Beziehungen zum Palästina-Amt und hat ihm ein Zertifikat für ihn und seine Frau und das Kind beschafft. Dann über Nacht sind sie dann verschwunden, damit er sie nicht…sonst hätte er nicht herausgelassen. Das waren damals die Bedingungen, die damals geherrscht hatten. Und so konnte er damals das Land verlassen. Ich bin schon vorher weg. Ich habe sie nicht gesehen…ich habe ihn erst dann in Palästina wieder gesehen mit meiner Schwester. Und jeder hatte Angst. Weil ich hatte damals Probleme…ein gesundheitliches Problem: Ich hatte Atembeschwerden und hohen Blutdruck – wahrscheinlich Angst. Auch die gute Erziehung, die ich zu Hause bekommen habe, die etwas zu streng war…von meiner Mutter, hatte dazu geführt, dass ich ein bisschen…das alles herunter…herunter--

 

LSY: --heruntergeschluckt hat--

 

ON: --als Kind…in mich eingeschluckt habe und das hat sich dann dadurch ausgedrückt: durch hohen Blutdruck und nervöse Erscheinungen. Damals hat man noch nicht viel darüber gewusst, so wie heute. Aber…im Spital wussten sie auch nicht genau, was zu machen ist. Haben sie gesagt: „Hör auf zu turnen, hör auf…das und das.“ – alles umgekehrt von dem, was man heute machen würde. Und dann hat der Ehud Avriel mir gesagt – alle meine Freunde sind auf Hachschara-Vorbereitung zur Auswanderung in einen Kibbuz zu…vorbereitet worden – sagt: „Du, für dich habe ich etwas anderes vor. Du brauchst nicht in einen Kibbuz gehen. Du bist nicht geeignet als Landarbeiter. Du bekommst ein…du gehst lernen auf die Technik [Technion] in Haifa.“ Und er hat mir dann ein Zertifikat beschafft und da konnte ich dann 19…im März 1939 nach Palästina kommen und auf der Technik [Technion] studieren. Ich habe hier dann vier Jahre…viereinhalb Jahre…beendigt das Studium und dann das Diplom noch gemacht, wie es damals noch üblich war.

 

LSY: Was ist mit dem Rest Ihrer Familie passiert?

 

 

2/00:09:09

 

 

ON: --der Rest der Familie? War nicht sehr einfach. Meine Schwester – die ältere Schwester – und ihr Mann, der im Gefängnis war…dadurch, dass er seine Fabrik an den SS-Standartenführer übergeben hatte, konnte er dann aus dem Gefängnis herauskommen und sein Vater hat ihm dann rasch…dafür gesorgt, dass die Familie nach Palästina kommt. Ich bin im März gekommen und sie sind im Juni nach Palästina gekommen. Dann war meine jüngere Schwester – die war erst vierzehn Jahre alt – und der hat man versprochen, dass sie mit der Jugend-Alija nach Wien…nach Palästina kommen wird. Da ist aber im…es war noch nicht soweit, dass sie einen Platz hatten. Es war ja alles begrenzt – sowohl die Schiffe als auch die Zertifikate von der britischen Regierung her. Und im Juli [19]39 hatten sie meinen Eltern gesagt: „Oder ihr verlasst über Nacht Österreich oder ihr kommt ins Konzentrationslager.“ Da blieb meinen Eltern nichts anderes übrig als zu flüchten. Meine Eltern wollten nicht…meine Mutter wollte nicht…sie wollte meine jüngere Schwester nicht alleine lassen, besonders nach allem, was mit ihr geschehen war, mit ihrer Krankheit, und die Mutter für sie gefastet hat und so…wollte sie nicht alleine lassen. Da haben sie ihr versprochen, dass auch sie nach Palästina…sie werden dafür sorgen, dass sie mit der Jugend-Alija nach Palästina kommt. Und dann sind meine Eltern nach Italien geflüchtet. Dort konnten sie einreisen und sind nach Milano gekommen und sind dort geblieben.

 

Sie haben dort…meine Mutter hat dort im Haushalt gearbeitet. Mein Vater war zu Hause, konnte nicht arbeiten, aber sie konnten die Zeit dort gut verbringen und sie haben mir erzählt, dass sich die Italiener sehr gut verhalten hatten. In der Beziehung waren…hat es dort keinen Antisemitismus gegeben. Sie haben sie gefragt – meine Eltern – immer: „Juden? Welche Strömung…welche katholische Strömung ist das?“ Sie wussten sehr wenig in der Beziehung. Sie verbrachten den ganzen Krieg über in Italien verhältnismäßig gut, nur das letzte Jahr war sehr schwer. Denn im letzten Jahr…Hitler hat nicht mehr…hat Mussolini nicht mehr vertraut und hat seine deutsche Armee…hat dann Italien besetzt. Die Alliierten haben die Invasion begonnen und Hitler hat die deutsche Armee nach Italien geschickt. Und damals hatten sie meinen Vater inhaftiert in einem…würde nicht sagen Konzentrationslager…in einem…leichtere Inhaftierung. Und das hat ein paar Monate gedauert bis die dann…die Armee…die Alliierten ganz Italien erobert hatten und auch meine Eltern befreit wurden. Und sie wurden dann…meine Schwester war auch bei der englischen Armee--

 

LSY: --die ältere Schwester?

 

ON: Die jüngere. Nein, die jüngere. Sie ist dann hier in die englische Armee eingetreten und ist mit der englischen Armee nach Italien gekommen und mit ihrem Freund hat sie meine Eltern ausfindig gemacht…1944. Es war schon Mitte 1944. Und dann haben wir versucht, die Eltern…die britische Regierung hier soll meinen Eltern erlauben nach Israel…nach Palästina zu kommen, um sie mit der Familie…vereinigt zu sein. Und sie haben das erlaubt. Sie sind dann nach Palästina gekommen. Aber meine Schwester, die jüngere Schwester, die blieb allein dann in Wien von Juni und konnte dann mit der letzten Jugend-Alija…mit dem letzten Transport der Jugend-Alija, 1939 im Dezember, nach Palästina kommen und ist dann in den Kibbuz Beit Joseph gegangen. Dort, wo die…wo man ihre Gruppe der Jugend-Alijah hingeschickt hat. Sie blieb dort ein paar Jahre, bis sie dann in die britische Armee eingetreten ist – ich glaube 1942 oder [19]43…ich weiß nicht genau das Jahr – und war dort zwei oder drei Jahre bei der Armee…war dann ambulance driver.

 

 

2/00:14:55

 

 

LSY: Können Sie sich noch an Ihre Ankunft in Palästina erinnern? Wie war das? Wie war Ihr erster Eindruck? War das so, wie Sie das erwartet haben?

 

ON: Nein, erwartet habe ich gar nichts. [Kichert.]

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

Aber es war, muss ich sagen, sehr gut organisiert. Wir waren zwanzig Studenten aus Österreich. Man hatte uns im Auf[fang]lager in Bat Galim neben Haifa…machne klitah [Auffanglager] kiltat olim [Aufnahme von neuen Einwanderern]hatten wir zwei Tage und von dort alles Formelle erledigt. Und von dort hat sie uns in eine Studentenwohnung in Haifa gebracht. Dort hatten wir begonnen uns fürs Lernen vorzubereiten. Das war alles organisiert durch Hitachdut Olej Germania. Wenn Sie das heute…das Merkaz Europa [Irgun Olej Merkas Europa] oder so…das war damals…und hatten wirklich sehr, sehr viel dazu getan. Erstens, wer studieren wollte, musste eine Summe einzahlen, eine ziemlich große – Studiengeld und Lebensunterhalt waren ziemlich teuer. Aber sie hatten dann ein oder zwei – für mich und noch einen, der kein Geld…meine Eltern hatten ja überhaupt kein Geld – hatten sie dann durch die…denn da wurde ein Sammelgeld…eingezahlt. Und dann für alle, die sie schicken wollten an die Technik [Technion] zum Studieren…ans Technion…wurden dann bezahlt. So hatten sie auch für mich, obwohl ich nichts eingezahlt hatte, aber durch die Organisation, durch Hitachdut Olej Germania, hatten sie dafür gesorgt, dass auch ich für zwei Jahre das Studiengeld bezahlt bekam…bekommen habe. Und auch die…wir hätten etwas für den Unterhalt…hatten wir jeder zweieinhalb Pfund Sterling bekommen. Das war…so zweieinhalb Pfund Sterling…sagen wir, so wie hier für 3…4.000 Schekel heute ungefähr. Es war nicht genug zum Leben, nicht zum Sterben, aber es war annehmbar. Es war in der Beziehung sehr gut…wirklich sehr gut vorbereitet. Denn wir sind nicht [Hustet.]…nicht ins Leere gekommen. Wir hatten…wir waren alle…jeder ist über diese Studentenwohnung, die die Hitachdut Olej Germania unterhalten hat, gegangen. Dort hatten wir uns organisiert, je drei Studenten…hatten uns dann ein Zimmer gemietet, je drei, und hatten dann begonnen zu lernen. Auch das…wir sind ja sehr spät…wir sind erst im März hierher gekommen und man hat dann im Technion…es waren noch paar Studenten auch aus anderen Ländern, auch aus Polen, glaube ich. Es waren ungefähr 30 oder 40 Studenten. Und da hatten sie einen Extrakurs organisiert von März bis November, Anfang des nächsten Studienjahres, und hatten uns das ganze erste Studienjahr in die…in dieser Zeit absolviert, sodass wir eigentlich keine Zeit verloren hatten und einen normalen Studiengang durchführen konnten.

 

LSY: Auf Hebräisch?

 

ON: Hebräisch war das andere Problem [Lacht.]. Hebräisch war ein bisschen schwierig. Wir hatten alle…konnten ein bisschen. Aber sie haben uns auch Hebräisch-Kurse organisiert, intensive, damit wir recht…rasch ins Reden…ins Hebräische reinkommen. Und es ist ganz gut gegangen. Der Vorteil war, dass auch die Professoren nicht immer sich sehr gut in Hebräisch…zum Teil auch Deutsch…die meisten waren deutsche Professoren, die aus Deutschland geflüchtet sind. Also ist so ein bisschen halb Deutsch, halb Hebräisch gegangen. Sie können gut Hebräisch?

 

 

2/00:19:33

 

 

LSY: Beseder.

 

ON: Manchmal waren solche…Professoren auch auf Hebräisch…aber es ist gegangen. Wenn man es dauernd spricht, ist es ja…geht es ja rasch. Und dann…man musste Hebräisch lernen, weil, wenn wir auf der Straße Deutsch gesprochen haben, hat man uns geschlagen. Man wollte Deutsch nicht hören. [Sirene im Hintergrund.] Weil damit doch die…alles, was man wusste…was nur zum kleinen Teil…hat man doch sehr, sehr das Deutsche gehasst. Also hatten wir keinen anderen Ausweg und mussten rasch Hebräisch lernen und haben es dann gelernt. Zwei Jahre war eigentlich das Schulgeld – das sehr hoch war, damals so wie heute – und auch der Lebensunterhalt war gesichert. Es war nicht genug. Ich habe gearbeitet, ein bisschen Zeitungen verteilt – deutsche Zeitungen –, Mal…so Kleinigkeiten immer. Auch die deutsche…die deutschen…Einwanderer haben sehr gut für uns gesorgt. Sie haben uns immer eingeladen zum Essen und haben uns auch geholfen in jeder Beziehung. Es war damals sehr, sehr intim. Es war auch sehr klein. Ich bin ins Land gekommen, da waren hier 350.000 Juden. In Haifa waren 20.000, die ganze Bevölkerung. Aber man hat wirklich…in der Beziehung hatten wir uns alle sehr gut gefühlt, weil erstens sind wir dort der Hölle entkommen und zweitens hat man uns hier sehr…wirklich auch gut aufgenommen, sehr für uns gesorgt. Ein bisschen schwieriger waren das dritte und vierte Studienjahr, weil wir…man hat uns an allem…das Schulgeld…auch die Hitachdut Olej Germania für das dritte und vierte Studienjahr bezahlt, aber mit dem Unterhalt war es schon schwieriger…mussten wir schon arbeiten.

 

Ich hatte dann Glück im Unglück: Ich wurde im Amt vom dritten Studienjahr…mit einem Auto…hatte einen Autounfall. Man hat mich zusammengefahren auf der Straße und ich war zwei Wochen im Spital und mit einer Gehirnerschütterung. Aber als Entschädigung habe ich dann 25 Pfund Sterling bekommen – das war der Lebensunterhalt für ein ganzes Jahr. Also hatte ich schon ein Jahr nicht mehr zu sorgen. Und dann habe ich gearbeitet…verschiedene Arbeiten. Und Lebensunterhalt war nicht so sehr problematisch, irgendwie ist man schon durchgekommen, obwohl das Studium sehr, sehr schwierig und sehr intensiv war. Damals hat man noch sechs Tage gelernt…und besonderes das Ingenieurstudium – ich weiß nicht, wie es heute ist – aber viele Projekte, viele Arbeiten, die man machen musste. Man hat sehr, sehr viel Zeit gebraucht, um all das…alles zu bewältigen. Aber wir waren sehr optimistisch, jung und haben es dann gemacht. Dann das Diplom war ein bisschen schwierig. Das war zwar die Vorbereitung für die Diplomarbeit…die Diplomarbeit hat zwei Monate…zwei Wochen gedauert, aber die Vorbereitungen haben ein paar Monate gedauert. Aber da war man mehr frei, man war nicht gebunden an das Lernen. Das war…das waren Vorbereitung…man hat sich in kleinen Gruppen dafür vorbereitet. Das war also…man hatte mehr Freiheit, konnte schon arbeiten. Und ich hatte verschiedene Arbeiten an verschieden Stellen. So bin ich ganz gut durchgekommen in dieser Beziehung…und wir waren jung und ein bisschen optimistisch.

 

LSY: Können Sie sich noch erinnern, ab wann man davon gehört hat, was mit den Juden in Europa passiert? Also, ab wann man auch von den Vernichtungslagern gehört hat? Gab es da…hat man darüber gesprochen?

 

ON: Eigentlich erst nach dem Krieg. Wir hatten…sehr wenig…man wusste…in höheren Stellen wusste man. Aber im Allgemeinen hatte man sehr, sehr wenig gewusst, was wirklich dort vorgegangen ist. In der Beziehung war es schwer. Und die Sorge…ich war von meinen Eltern eigentlich total abgeschnitten. Der Moment, in dem ich verlassen Österreich hatte, hatte ich alles im allem zwei oder drei Briefe über das Rote Kreuz bekommen, ganz kurze Briefe: „Es geht uns gut. Alles in Ordnung.“, aber sonst hatten wir keine Ahnung. Ich wusste von den Schwestern, dass sie nach Italien geflohen sind, aber wo und wie und was? Keiner hatte eine Ahnung von uns, was wirklich geschieht und was mit dem Rest der Familie geschehen ist. Wir wussten nicht, dass unsere Großmutter…der hatten sie dann…die Mutter meiner Mutter…die hatten sie nach Theresienstadt mitgenommen. Sie ist dort im Alter von 80 verstorben – aber keine Ahnung davon…keinen Kontakt und keine Möglichkeit. Wir wussten nicht, was mit der…unser Onkel…der Bruder meiner Mutter, der katholisch geheiratet hat, den haben dann seine Kinder und seine Frau bei der Gestapo angezeigt und gesagt: „Der Vater ist jüdisch“, um sich selbst zu retten. Und da musste er flüchten…über Nacht flüchten nach Paris, und ist dann irgendwie durchgekommen. So war damals die Situation. Es war nicht immer sehr schön.

 

 

2/00:26:19

 

 

Meine…die Schwester meiner Mutter…ihr Mann war Deutscher. Der im Gegenteil war…hat sich sehr, sehr eingesetzt. Er hat der Gestapo nicht erlaubt, dass sie seiner Frau oder seiner Tochter – seine Frau war ja jüdisch und seine Tochter halb-jüdisch – dass ihnen irgendetwas geschieht. Er ist dann selbst an Typhus in Wien Ende des Krieges gestorben, aber er hatte ihnen wirklich geholfen, dass sie die Zeit der Nazis normal überleben konnten. Der Großmutter konnte er nicht mehr helfen. Sie haben sie einfach mitgenommen und nach Auschw…und nach Theresienstadt geschickt. Dann hatten wir erst nach dem Krieg, erst später wieder Kontakt mit allen aufnehmen können. Mit meiner Cousine hatten wir dann bald wieder Kontakt. Die Tante…die Schwester meiner Mutter hatten wir dann nach…eingeladen. Ich hatte sie nach Palästina gebracht ein Jahr nach Kriegsende, damit sich die Schwestern wieder einmal sehen. Und von damals hatten wir ständig Kontakt. Ich war fast jedes Jahr in Wien und meine Cousine und ihr Mann waren jedes Jahr…fast jedes Jahr hier…bei uns hier.

 

LSY: Die Ilse?

 

ON: Die Ilse, ja. Und ihr Mann war auch Stadtschulrat in Wien. Er war Leiter eines Gymnasiums…und später im Stadtschulrat. Und vielleicht seinen Sohn…vielleicht kennen Sie…er ist Rektor der Medizinischen Universität in Wien, Dr. Wolfgang Schütz.

 

LSY: Den Namen gehört habe ich. Was sind Ihre Erinnerungen dann an den Krieg [19]48 hier?

 

ON: 1948 in Israel? Der Unabhängigkeits--

 

LSY: --krieg. Ja.

 

ON: Ja, kann mich noch erinnern. Ich hatte…eigentlich ziemlich dunkel. Man erinnert sich an die schlechten Sachen mehr als an die Guten, nicht? Ich war…ich kann mich noch erinnern…vor 1948. Ich war in Haifa damals, habe damals in der…bei der britischen Regierung im Wasseramt gearbeitet, wurde dann entlassen wie alle und habe dann Arbeit gesucht…andere. Kurze Zeit bevor – Haifa war ja halb arabisch und halb jüdisch – hatten damals die…die arabische Bevölkerung ist ja fast davongelaufen. Man hat den Arabern ja versprochen, dass sie, sobald die Engländer weggehen, alle sieben…alle arabischen Länder überfallen Israel und dann treibt man die Juden ins Meer und dann brauchen sie sich nicht mehr zu sorgen. Auch wenn sie flüchten, werden sie bald zurückkommen. Und sie haben das alles so ernst genommen. Und es war genau damals Pessach-Abend, als die israelische Armee damals – es war nicht die Armee, es war noch Palmach – in die arabischen Gegenden eingerückt ist und die Araber sind einfach…haben alles liegen gelassen und sind geflohen. Ich bin nicht mit dem Palmach, sondern nach dem Palmach mit den Ziviltruppen eigentlich dazu gekommen. Die Araber haben alles liegen gelassen – das Essen noch am Tisch und alles –, nur das Wenigste genommen und sind geflohen, weil sie ihnen versprochen haben: „Lasst alles zurück. Ihr braucht euch nicht zu sorgen, weil ihr kommt eh [ohnehin] alle bald wieder zurück.“ – sind heute noch nicht zurückgekommen. Und dann hat sich der Tag, an dem die Engländer das Land verlassen haben, genähert. Man war ein bisschen besorgt: Es war doch ein kleines Land. Wir waren damals 600.000 Menschen hier. Eine Übermacht von vielen Millionen, die uns ringsherum…darauf warten, um uns hier zu überfallen und uns ins Wasser zu schmeißen. Es war nicht einfach, aber wir haben standgehalten.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

2/00:32:20

 

 

Es waren…man war eigentlich sehr optimistisch, obwohl man immer gehört hat von vielen Freunden, die gefallen sind und die man gekannt hat…viele Familien doch dadurch betroffen wurden. Aber alles in allem war man verhältnismäßig optimistisch, dass man…doch hat Ehud Überall sehr viel dazu beigetragen, um Waffen für uns zu beschaffen. Bis uns aus der Tschechoslowakei…und es ist verhältnismäßig gut vorübergegangen. Sicher, am Tag der Befrei…am 15. Mai 1948 war alles auf den Straßen, gefeiert und so, obwohl wir Acht gegeben haben. Und wir waren alle…alle mussten wir teilnehmen bei den Sicherheitskräften. Ich kann mich erinnern, ich bin auch in Haifa auf irgendeiner Ecke gestanden als Posten zwischen der jüdischen und der arabischen Bevölkerung. Aber alles in allem war eine sehr, sehr gute und hoffnungsvolle Stimmung. Aber es war auch viel in der Beziehung…viel hin [kaputt]…man hat hingearbeitet…der Jungen…in der Beziehung.

 

LSY: Ja, das muss ja…wenn ich immer darüber nachdenke, denke ich mir, die Leute müssen wirklich sehr viel…ja, optimistisch gewesen sein, dass man das gewinnen konnte. Dass das so--

 

ON: --heute rückblickend muss man denken, dass da mehr Glück mitgespielt hat als…aber in dieser Beziehung: ich glaube der jüdische Teil der Bevölkerung, der mitgemacht hat bei den Kämpfen, war viel, viel besser vorbereitet…auch wenn es das Leben kostet, als die Araber. Sie waren viel, viel…zum Teil…es waren ja meistens feste stehende Armeen und nicht Freiwillige. Und die stehende Armee ist mehr eine bezahlte Armee, aber nicht eine kämpferische Armee. Auch technisch besser vorbereitet…mit weniger Waffen Besseres zu leisten. Und viel Intu…Intuitionhat da mitgespielt bei vielem. Aber auch…jeder hat ja gewusst: „Es geht ums Leben…um Tod oder Leben…oder Ja oder Nein.“ Und da ist es doch immer leichter. Bei den Arabern war es nicht Tod oder Leben, sonst…warum sind sie geflüchtet? Sie waren ja damals schon mehr. Sie hatten sich hier…sie hatten sich weder organisiert in der Beziehung. Sie haben sich immer auf die Versprechen ihrer Führer verlassen. „Sorgt euch nicht. Es wird alles gut gehen. Alles wird in Ordnung sein.“ Und dann ist es nicht so sehr gegangen.

 

 

2/00:36:33

 

 

LSY: Wie ging es dann in Ihrem Leben weiter?

 

ON: Das geht nicht immer sehr einfach. Es war…[Schnäuzt sich.] Am Anfang nach dem Studieren war es ein bisschen schwierig, weil man nicht so gleich Arbeit bekommen konnte. Es war damals auch eine schwierige ökonomische Situation. Aber nach dem Unabhängigkeitskrieg ist dann schon besser geworden. Ich habe dann fast zehn Jahre bei der Siedlungsabteilung gearbeitet, an Bewässerung…an…in Bewässerung, in kleinem Maßstab für landwirtschaftliche Bewässerung…für Getreide, für Obst und für alles, was man braucht. Und man hat mich dann 19…1943 nach Amerika geschickt, um mich dort weiter auszubilden. Ich war im Westen von Amerika…zum Teil gearbeitet bei Plänen für Bewässerung, zum Teil theoretische…und auch alle kennengelernt: verschiedene Situationen, Bewässerungsgegenden. Bewässerung…offene Bewässerung und dann später mechanische Bewässerung mit Sprinklersystemen und so weiter. Und hatte zehn Jahre bei der Siedlungsarbeit gearbeitet und hatte damals viele Einwanderungen…Einwanderer sind damals gekommen. Man hat neue Siedlungen aufgebaut, jede Siedlung brauchte Wasserversorgung und Bewässerung und ich habe damals am Anfang im Haifa district gearbeitet. Und dann habe ich…dann hat man mich als Chefingenieur für den ganzen Norden bestellt. Hatte damals fünf districts…verschiedene. Und habe viele Tausende oder Zehntausende von Dunam und Hektar bewässert mit verschiedenen Bewässerungsmethoden – hatten viel Hilfe auch von Amerika in dieser Beziehung. Sie hatten uns geholfen, die verschiedenen Bewässerungssysteme hier einzuführen und uns anzulernen, wie man das…wir haben das damals…ohne Bewässerung geht es ja fast nicht…wächst hier fast gar nichts…im Winter kann man ein bisschen Getreide vielleicht oder so. Allgemein braucht man eine Bewässerung, um hier…etwas--

 

LSY: --etwas anzubauen--

 

 

2/00:40:21

 

 

ON: --um Landwirtschaft zu betreiben. Und wir haben dann das sehr…besonders in den Kibbuzim hat das…ist das sehr rasch gegangen. Dort…weil das gemeinsam bearbeitet wurde, war es einfacher bessere Systeme einzuführen. Und ich habe daran zehn Jahre dann gearbeitet…mitgearbeitet. Und dann bin ich übersiedelt zu Tahal – die Firma, die das große Bewässerungs…das große Wasserprojekt vom Norden, die Ableitung des Jordans in den Süden, geplant hat und die ganze Planung durchgeführt hat. Ein sehr großes Projekt. Ich habe besonders im Norden gearbeitet…an Problem von Projekten im Norden…lokale Projekte, und an einem Projekt vom Kinneret [See Genezareth]…vom See. Wir hatten dort spezielle Probleme: Der Kinneret…wir hatten…ich gehe nicht in die Details, in die technischen, aber es hat sich herausgestellt, dass der Kinneret nicht so süß ist, wie er eigentlich sein sollte, obwohl alle Quellen, die in den…obwohl alle Flüsse, die in den Kinneret fließen, nur Süßwasser haben. Aber der Kinneret war nicht süß. Er hatte einen gewissen Salzgehalt, der an der Grenze für Bewässerung war. Ich habe das damals organisiert…haben wir versucht zu finden, warum das Wasser nicht so süß ist, und da hat sich herausgestellt: Rings um den Kinneret gibt es salzhaltige Quellen und ein Teil dieser Quellen sorgt dafür, dass das Wasser nicht mehr so süß ist. Ein Teil, das war…außerdem sickert Salzwasser und salzhaltiges Wasser aus dem Boden. Der Grund dafür ist, dass…Kennen Sie Geologie ein bisschen? [Beide lachen.] Ein großer Bruch…Spalt in der Erde, der vom Kaukasus bis Afrika 3.000 Kilometer lang ist, der hat seine größte Öffnung vom Kinneret bis zum Toten Meer – so ungefähr zehn Kilometer tief.

 

LSY: Was man den Afrika-Syrischen Graben nennt?

 

ON: Ein Graben. Hat sich so…die Erde hat sich so aufgemacht…so ein bisschen gespalten. Und dadurch kommt das Wasser…kommt heißes Wasser…Thermalquellen kommen aus der Tiefe. Dann hat sich alles langsam mit…diese Spalte…dieser große Erdbruch hat sich langsam aufgefüllt mit Sand und Salz aus dem Meer…und Wasser, das von unten…heißes Wasser, das sickert von der Erde nach oben und trägt dazu bei, dass das Wasser vom Kinneret ein bisschen salzhaltig ist. Und habe ich dann…wir haben dann ein Entwässerungs…einen Entsalzungsplan für den Kinneret gemacht. Wir haben alle Quellen, die man kennt, ringsum den Kinneret…haben wir in einen Kanal abgeleitet, der südlich vom Kinneret in den Jordan zurückfließt. Vielleicht haben Sie ihn mal gesehen, wenn Sie fahren: Gibt es einen Kanal, der ringsum den Kinneret geht und das ist das Salzwasser, das man entwässert. Man hat dann genug genommen, damit das Salz…das Wasser…dass der Salzgehalt so reduziert wird, dass das Wasser für Bewässerung brauchbar ist. Und daran habe ich gearbeitet ein paar Jahre.

 

Und später, nachdem wir das große Bewässerungsprojekt beendet hatten, habe ich dann noch…bin ich dann für die Firma…haben wir dann Entwicklungshilfe…ich war dann dreieinhalb Jahre in Persien, auch in großen Projekten. Ich war sechs Jahre in Südamerika, drei Jahre in Thailand…noch so ein bisschen…in Afrika zwei Jahre und bin dann 1985 für Tahal in Pension gegangen. Und nach der Pension habe ich dann weitergearbeitet beim Landwirtschaftsministerium und beim Außenamt – gemeinsam…Entwicklungshilfe. Und da war ich dann drei Jahre noch in Jamaika – ein Rehabilitationsprojekt. War dann ein bisschen in Ecuador – ein Generalprojekt für Bewässerung für das ganze Land – und dann noch in Ägypten für Bewässerung war ich noch auch ein paar Mal…zwei-, dreimal – ein Demonstrationsprojekt. Und Kurse…internationale Kurse für Wassermanagement habe ich noch geleitet…und dann bis 2003 oder 2004, und dann endgültig ausgeschieden. Aber ich gehe noch weiter…manchmal noch zu…einmal im Jahr gibt es noch ein Treffen von allen Wasser--

 

LSY: --Experten. [Lacht.]

 

 

2/00:46:54

 

 

ON: Ja. Und dann schreibe ich jetzt ein bisschen meine Lebensgeschichte – Yad Vashem hat mir auch jemanden gegeben, der mir ein bisschen hilft –, besonders für meine Kinder. Meine Enkelinnen, die wollen, dass sie…sie wollen ein bisschen hören über ihre Vergangenheit, über ihre Wurzeln und so. Die Größere, sie lernt jetzt im Beit Berl, sie wird Lehrerin, Mittelschullehrerin, und sie war auch in Wien auf Spurensuche. Meine Cousine ist leider gestorben, und ihr Mann…vor zwei, drei Jahren beide. Nur ihre Kinder sind noch…ein Sohn ist an der Universität und der andere ist…vielleicht kennen Sie auch Susanne Riha. Sie schreibt Kinderbücher. Sie haben von ihr gehört?

 

LSY: Ja. Die ist eine Tochter von--

 

ON: --ist die Tochter von meiner Cousine. Und ihr geschiedener Mann, den kennen Sie sicher auch. Georg Riha. Er macht Dokumentarfilme für ORF [Österreichischer Rundfunk]. Und ihre Enkelin kommt nächste Woche zu Besuch auf vier Tage…ihre Enkelin und ihr Mann-Freund. Wie sagt man?

 

LSY: [Lacht.] Ihr Freund.

 

ON: Und ihre zwei Kinder, ihre gemeinsamen Kinder. Die kommen…wir treffen uns jedes Jahr. Ich kann schon nicht mehr fahren. Das geht schon nicht mehr. Aber sonst war ich jedes Jahr in Wien. Wir hatten auch noch--

 

LSY: --ab wann? Wann waren Sie das erste Mal wieder in Wien?

 

ON: Das erste Mal war ich in Wien…ich glaube, 1960 war ich in Wien. Ich war damals…oder ein bisschen später…ich war damals in Kolumbien und da musste ich etwas in Amsterdam erledigen und dann…--

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

--…aus Persien nämlich schon nach Wien…1964 nach Wien gefahren, auf der Rückreise.

 

LSY: War das für Sie wichtig immer wieder nach Wien zu fahren? Haben Sie sich irgendwie noch verbunden gefühlt mit Wien?

 

ON: Ich mit einem Freund, mit dem ich aufgewachsen bin…wir waren noch…wir haben uns dann…dann hat uns die Geschichte getrennt. Aber haben uns dann wieder getroffen, jedes Jahr. Wir waren sehr, sehr eng befreundet. Hat sich herausgestellt, der hatte eine jüdische Großmutter und er hat sich sehr…seine Mutter…er hatte nichts davon geahnt. Wir wussten, er hatte eine Großmutter. Aber seine Mutter war eigentlich jüdisch…halb jüdisch. Aber sie war so sehr katholisch, jeden Sonntag ist sie in die Kirche gegangen und hat wirklich darauf geachtet. Und dann hat sich herausgestellt, dass sein Sohn…Viertel-Sohn [Meint wohl Viertel-Jude.] ist und der Arier-Ausweis Viertel-Jude ist nicht so…ist nicht mehr annehmbar…er musste ins Militär einrücken und er konnte nicht avancieren – gar nichts. Er konnte nur einfachster Soldat bleiben. Er hat dann Glück in Frankreich…ist in Frankreich in englische Gefangenschaft…in amerikanische Gefangenschaft geraten, war dann bis zum Kriegsende in Amerika – dort ist es einem am besten gegangen. Aber wir haben uns dann jedes Jahr weiter getroffen. Und dann hatten wir 1968…38 und 50 – wie viel ist das? 1988…hatten wir dann 50-jährige Maturafeier in Wien, die ganze Klasse. Ich war der einzige jüdische. Wir waren schon…wir waren nur noch mehr 30 oder 40 von den 120, die noch übrig geblieben sind…zum Teil im Krieg gefallen, zum Teil verstorben. Aber wir haben uns damals getroffen in Wien in der Schule, haben uns eine kleine Feier dort arrangiert. Und wir haben uns jedes Jahr…war Klassentreffen in Wien in einem kleinen Beisel [Kneipe] dort. Und so hatten wir uns jedes Jahr weiter getroffen.

 

 

2/00:52:11

 

 

LSY: Sie hatten noch viele Kontakte in Wien dann?

 

ON: Ich hatte noch viele…ich bin auch jedes Jahr gefahren im Sommer zum Seminar – das das…die vom Klosterneuburg das jährlich organisiert…über die Geschichte der Juden Österreichs – war ich auch dort jedes Mal, war immer sehr interessant. Jetzt habe ich mehr Zeit, da kann ich ein bisschen lesen. Zwei Bücher, die mich sehr…die einen sehr tiefen Einblick über die Geschichte der Juden im Allgemeinen und in Österreich im Besonderen geben: Das eine ist das Buch von Abba Eban, My People und das, glaube ich, ist auch auf Deutsch übersetzt, und das andere Die Geschichte von Österreich, die sechzehnbändige…fünfzehnbändige. Der spezielle Band über die Juden aus Österreich, der gibt einen wunderbaren Einblick und eine sehr gute Beschreibung. Da wundere ich mich dann selbst manchmal, wie die Juden alles das überlebt haben und sich so entwickelt haben trotz alldem, was passiert ist. Es war nicht…es war nicht leicht. Für meine Eltern war es sehr, sehr schwer.

 

LSY: Sich hier einzuleben?

 

ON: Sie haben sich nie…sie haben auch nie Hebräisch gelernt,auch meine ältere Schwester nicht. Meine jüngere – ja. Und auch die Verbindung mit der Kultur bleibt immer noch übrig.

 

LSY: Hatten Sie hier auch immer viel Kontakt mit Österreichern?

 

ON: Ich? Ja immer…immer Kontakt. Man kann sich…für mich ist doch Deutsch am einfachsten. Obwohl ich Spanisch spreche und Französisch gelernt habe – habe ich schon vergessen…sieben Jahre in der Schule gelernt Spanisch und Englisch und Hebräisch. Doch am meisten genieße ich es, wenn ich Deutsch…ist die einzige Sprache, in der ich lese und nie ein Wort oder sehr selten irgendein Wort mir fehlt. Jede andere Sprache…Hebräisch ist ein bisschen unbequem zu lesen, weil es…achtzehn Jahre Deutsch gelernt und dann umzustellen auf die andere Schreibweise ist nicht so einfach. Aber auch Englisch…obwohl ich Englisch leicht lese, aber doch es ist nicht dasselbe wie Deutsch. Oder auch Spanisch, was ich gut spreche. Und man bleibt…auch die Musik. Noch immer--

 

 

2/00:55:41

 

 

LSY: --was hören Sie gerne?

 

ON: Was ich gerne höre? Gustav Mahler und Beethoven. Aber auch moderne Musik…moderne so wie Mahler, der schon ein bisschen…oder Wagner habe ich auch ganz gerne. Man gewöhnt sich daran. Aber zu Hause war man schon sehr musikalisch: Meine Eltern…meine Mutter hat sehr gut Klavier gespielt und auch mein Vater hat gerne Musik gehört. Waren beide ein bisschen künstlerisch veranlagt. Ich bin daneben gefallen mit Ingenieur…nicht so sehr…mehr technisch als…aber ich habe Musik sehr gerne…immer bei der Oper. Auch hier hat sich die Oper wunderbar entwickelt. Hat sich sehr die…ich kann mich noch die ersten Jahre…vor 50 Jahren oder mehr…Edis de Philippe…die erste. Das war noch so ein bisschen…nach Wien. Auch in Wien…die erste Oper, die ich in Wien gesehen habe, war – da haben wir Karten von der Schule bekommen – Die Entführung aus dem Serail. Da habe ich nicht gewusst, was man von mir will. Aber dann habe ich es gelernt…langsam, langsam. Und dann hat man uns Klatsch-Karten gegeben immer für die Operetten. Ich glaube…ich weiß nicht, welche damals…ein…ich weiß nicht, welche. Ein paar Operetten haben sie uns gegeben. Und das blieb dabei. Auch meine Schwester hat immer gern…sehr gern Musik gehabt. So liegt das in der Familie und in der Natur glaube ich.

 

LSY: Und Ihre Frau? Woher kam Ihre Frau?

 

ON: Meine Frau? Die erste aus Wien und die zweite aus Deutschland, aus Marienburg.

 

LSY: Und haben Sie mit Ihren Kindern dann auch Deutsch gesprochen?

 

ON: Nur die Große spricht Deutsch – die Große ist schon in Pension…aber sie spricht gut. Sie war auch bei El Al Stewardess und dort hat sie das dann verwendet. Anfangs war sie Stewardess und dann war sie bei Computern in El Al…aber sie spricht gut. Die anderen zwei nicht: Die sprechen Spanisch, weil sie mit mir dann in Spanien waren, aber Deutsch nicht. Die Enkelin – die eine, die jetzt Lehrerin lernt –, die würde gerne…sie hat ein paar Mal begonnen Sprachkurse, aber es ist nicht so einfach. Man muss ein bisschen drinnen sein. Sie denkt daran, wenn sie die vier Jahre beendigt, vielleicht dann auf Master in Wien zu lernen. Aber da müsste sie dann noch vorher gut Deutsch sprechen lernen. Besonders…ein technischer Beruf wäre einfacher, aber als Lehrerberuf ist ein bisschen schwieriger das zu machen.

 

LSY: Also Ihre Kinder haben Sie dann auch immer mitgenommen nach Wien? Die kennen auch Wien?

 

ON: Die Kinder waren ja alle…waren alle in Wien. Auch die Enkelinnen, mit denen war ich auch in Wien auf Besuch.

 

LSY: Die kennen ihre Wurzeln alle. Das haben Sie Ihnen gezeigt.

 

ON: Ja.

 

 

2/00:59:40

 

 

LSY: Was war wichtig für Sie an Ihre Kinder und an Ihre Enkelkinder weiterzugeben?

 

ON: Ich werde das sagen. Das gilt auch für Sie.

 

LSY: Ok. [Lacht.]

 

ON: Und für alle Kinder. Vergesst die Vergangenheit und blickt in die Zukunft. Warum? Weil die so kompliziert ist, dass wir keine Zeit haben mehr in die Vergangenheit zu sehen. Und noch etwas: Die Welt, die einmal so klein war und wo jeder sich in seine kleine Ecke zurückgezogen hat, ist plötzlich global geworden. Wir müssen beginnen global zu denken und das können wir nur, wenn wir für eine bestimmte Zeit vergessen, was in der Vergangenheit ist. Wir müssen lernen alle zusammenzuleben. Alle anderen Methoden haben…werden die Welt nicht weiterbringen. Ich will nicht in ganze Einzelheiten eingehen über die ganze Wirtschaft und Gesellschaftlichung und sonst ökonomische Entwicklung, aber was ihr alle braucht jetzt…die Zukunft ist so kompliziert und so schwer, dass, wenn wir uns nicht alle zusammentun und vergessen, dass wir jeder aus einer anderen Gegend kommen, und alle bereit sind miteinander zu wirken, und zu verstehen und zu lernen, kennenzulernen und uns schätzen zu lernen und uns achten zu lernen, dann wird es nicht weitergehen. Das ist meine persönliche Meinung. Mit all meiner Nostalgie für die Vergangenheit, und ich habe viel dafür, aber ich habe…heute bin ich…zu dem Ergebnis gekommen: Der Blick in die Zukunft ist viel, viel wichtiger als der Blick in die Vergangenheit. Die Vergangenheit soll uns lehren, was wir nicht machen sollen. Und da gibt es sehr viel zu lernen. Aber die Zukunft…müssen wir wissen, wie uns neu als Menschen zu organisieren, denn wir haben in der Vergangenheit eigentlich versagt. Wir sind nicht menschlich geworden. Wir sind weniger menschlich. Der Holocaust war nur ein kleiner Teil der Menschenabschlachtung. Der Holocaust war speziell aus ein paar Gründen: Erstens, weil es Juden waren und Juden haben etwas der Welt gegeben, das kein anderer gegeben hat: Das war der Gott als etwas unvor…das wir nicht kennen und das wir achten müssen. Weil er ist…weil der Gott bestimmt, was mit uns geschieht. Und da ist es nicht wichtig, ob das jüdisch oder christlich oder…das haben wir uns dann selbst ausgemacht – das war alles überflüssig. Aber das war unsere…wir haben bis heute nicht gelernt, dass Gott uns – oder wer auch immer es war – etwas über den Tieren gegeben hat: das Können zu denken und unsere Gefühle zu überwältigen. Und das haben wir nicht gelernt.

 

Und wenn wir das nicht lernen können, und das war einer der Gründe, weshalb Juden…der Holocaust mehr ist als nur ein Menschenabschlachten, das wir so vieles kennen. In Werfera, wo ich war, haben sie 1,000.000 Afrikaner getötet – niemand hat sich darum gekümmert. In Syrien schlachten sie jeden Tag Hunderte von Menschen ab – das interessiert keinen. Die Armenier haben die Türken…die Türken haben die Armenier umgebracht – interessiert keinen. Der Holocaust war speziell, weil es die Juden waren, die der Welt die Augen geöffnet haben…etwas…wir müssen vor jemandem Achtung haben und Rechenschaft abgeben, den wir nicht kennen, aber der uns etwas gegeben hat, um das zu bewältigen. Und das nützen wir nicht aus. Und das Zweite war: Weil es so gründlich…nur deutsche Gründlichkeit konnte den Holocaust so organisieren wie die Deutschen. So systematisch…alles aufgeschrieben…überall, wo man abschlachtet. In Syrien, weiß man wer da umgebracht wird? Beim Holocaust weiß man fast jeder, wer es war, und wo er war, und wie. – Das sind die zwei Unterschiede. Aber was wir müssen…in die Zukunft blicken, damit wir unsere Kinder, Enkelkinder und weitere Generationen…sie aufhalten, bevor die Atombombe wirklich explodiert. Wir sind nicht weit davon entfernt. Wir sind heute so sehr durch die Entwicklung – durch die darwinistische Entwicklung in jeder Beziehung, inklusive der Ökonomie – so sehr mit uns beschäftigt Geld zu machen, reich zu werden – nicht wichtig, wie –, dass wir alles ringsherum vergessen. Wir müssen uns ein bisschen umstellen. – Meine Ansicht…als Gedanke.

 

LSY: Toda Raba. [Vielen Dank.]

 

 

2/01:05:38

 

 

ON: Bewakasha. [Gern geschehen.]

 

 

[Ende des Interviews.]

 

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Naglers Mutter Rosa (1. v. r.) im Kreise ihrer Familie, Wien, undatiert.
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Naglers Vater Max (4. v. l.) als Soldat während des Ersten Weltkriegs, ca. 1916.
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Nagler (1. v. l.) mit seinen Schwestern Grete und Alice (Lizzi), Wien ca. 1924.
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Telegramm über den Tod von Naglers Onkel Leo im Ersten Weltkrieg, Wien 1916.
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Visitenkarte des Fiaker-Betriebs von Naglers Großvater Wilhelm, Wien, undatiert.
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Nagler (1. v. r.) mit seinen Großeltern und Eltern sowie mit seiner Schwester, Wien ca. 1927.
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Nagler (1. Reihe, 2. v. l.) im Brigittenauer Gymnasium in der Karajangasse, Wien ca. 1933.
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Naglers Mitgliedsausweis der zionistischen Jugendorganisation Blau-Weiß, Wien 1936.
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Nagler, Österreich 1938.
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Naglers Abschlussdiplom der Technischen Universität Israel (Technion Haifa), 1943.
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Nagler war beruflich u. a. auch in Afrika tätig; hier sind er und seine Frau Hanna 1964 bei seiner Abschiedsfeier in Nigeria zu sehen.