Ed | Arno |
Ed Arno wurde 1916 als Arnold Edelstein in Innsbruck geboren. Kurz nach seiner Geburt zogen seine Eltern mit ihm nach Czernowitz. Von 1936 bis 1939 studierte Arno Kunst in Paris. Nach seiner Rückkehr erlebte er die sowjetische Besatzung Czernowitz', bevor er von dem mit Nazi-Deutschland kollaborierenden Rumänien ghettoisiert wurde. Später musste er in verschiedenen Lagern Zwangsarbeit verrichten. Nach seiner Befreiung 1944 schlug er sich nach Bukarest durch, wo er als Karikaturist und Kinderbuchillustrator tätig war. 1964 emigrierte er nach Italien, 1965 in die USA, wo er zum Zeitpunkt des Interviews lebte. |
Vollständiges Interview
Teil 1 |
Teil 2 |
Teil 3 |
in chronologischer Reihenfolge
Teil 1
20. November 1998
GW: This is tape one of an Austrian Heritage Collection interview with Mr. Arno, conducted by Gregor Weiss on 20th November, in New York. Herr Arno, wie ich Ihrem Fragebogen entnehmen kann, sind Sie am 17. Juli 1916 in Innsbruck geboren.
EA: Ja, so wurde es mir gesagt. [Beide lachen.]
GW: Sie waren aber nicht lange in Innsbruck?
EA: Nein, ich war eine kurze Zeit da, vielleicht zwei oder drei Monate. Das war noch während des Krieges, 1916. Und, merkwürdigerweise, mein Vater hat dort gearbeitet, und meine Mutter war schwanger mit mir in Innsbruck. Und so bin ich zur Geburt gekommen. Was ich weiß von meinen Eltern – nicht aus eigener Erfahrung – ist, dass am Tag meiner Geburt mein Vater hinausgegangen ist, um den Mann zu suchen…wie heißt er auf Deutsch, der die Beschneidung macht? Mohel, das ist Jiddisch. Und da wurde er auf der Straße von der Armee…war es eine Gruppe, wurde er sofort zur Grenze geschickt. Und er war nicht auf meinem Geburtstag. So hat mein Leben begonnen. In der Verzweiflung weiß ich nicht, wie lange meine Mutter mit mir dort war, zwei oder drei Monate. Und sie hatte die Eltern in Czernowitz, in der Bukowina, welche damals auch österreichisch war. Und sie ist mit mir nach Czernowitz gegangen. In Czernowitz weiß ich, dass ich während des Krieges…meine Eltern und…mein Vater ist dann zurückgekommen, auch nach Czernowitz. Ich habe einen älteren Bruder. Und die ganze Familie, von ganz Czernowitz…sind geflüchtet von einem Ort zum anderen. Und es war keine Zeit, mich anzumelden. Ich habe ungefähr fünf oder sechs Jahre – ich habe Beweise – keinen Geburtsschein gehabt. Sie konnte nicht nachweisen, dass ich…oder sie haben versucht zu beweisen…inzwischen wurde Czernowitz von den Rumänen besetzt. Und ich habe mein erstes Schulzeugnis, welches ich Ihnen in Deutsch und Rumänisch zeigen werde, dass sie nicht wissen, wo ich geboren und wann ich geboren bin. Aber ich musste ein Zeugnis haben, damit ich die Schule beginne. Und sie haben mir ein Zeugnis gegeben, dass ich in Czernowitz zuständig bin, ohne zu sagen, dass ich geboren bin, aber zuständig zu Czernowitz. Ich war damals sieben Jahre alt, und ich war nicht verheiratet. [Lacht.] Schüler…und Tag und Jahr konnte man nicht festmachen.
GW: Was können Sie mir über Ihre Großeltern mütterlicherseits erzählen?
EA: Meine Großeltern habe ich nicht…meine Großmutter von meiner Mutter ihrer Seite habe ich gekannt als alte Frau, die gesessen ist…sie war schon taub, und ich erinnere mich, dass ich zum Begräbnis gegangen bin. Und man hat mich nicht zur Grabstelle geführt, weil ich noch ein Kind war. Und das ist meine einzige Erinnerung. Die haben neben dem Bahnhof gewohnt, weil das Haus ist den Kindern geblieben, wo meine Mutter auch zuständig war. Und ich habe ein Dokument, wo die den Wert des Hauses unter sich verteilen, die Kinder, die Schwestern und Bruder. Es ist in Deutsch geschrieben.
GW: Welche Sprache haben Ihre Großeltern gesprochen?
EA: Die haben deutsch gesprochen, und jiddisch.
GW: Und jiddisch.
EA: Ja. Deutsch haben alle gesprochen und unter sich hat man…wir, mein Bruder und ich, wurden direkt mit der deutschen Sprache--
GW: --erzogen.
EA: Auch meine Eltern haben niemals mit uns jiddisch gesprochen und direkt deutsch.
GW: Und die Großeltern väterlicherseits?
EA: Großeltern? Von mir?
GW: Von dem Vater die Eltern?
EA: Das weiß ich nicht, die habe ich niemals getroffen.
GW: Und woher waren die?
EA: Die waren aus Polen…und was ich wirklich weiß und erfahren habe, ist, dass die Großmutter von meines Vaters Seite, die hieß Schwarz, und mein Vater, am Anfang, hat auch Schwarz geheißen, weil die haben nicht religiös geheiratet, meine Eltern. Und dann hat er sich den Namen Edelstein gewählt. Ich weiß, was Sie vielleicht interessiert. Sie kennen den Zweig, den Schriftsteller Zweig? Es waren zwei Schriftsteller, Stefan Zweig und der zweite hieß--
GW: --Arnold--
EA: --Arnold Zweig, ja. Deshalb heiße ich Arnold. Und sie war verwandt mit Arnold Zweig, der aus Polen war.
GW: Und waren Ihre Großeltern religiös? Waren sie orthodox?
EA: Scheinbar. In diesem Alter und zu jener Zeit waren die religiös.
1/00:05:56
GW: Ihr Vater ist aber nicht in Czernowitz geboren?
EA: Mein Vater ist in…die Papiere sind Czernowitz, und ich weiß nicht genau, wo er…er hat manchmal gesagt, dass er in Polen, soweit ich weiß, als siebenjähriges Kind das Elternhaus verlassen hat und hat begonnen zu arbeiten.
GW: Mit sieben Jahren?
EA: Mit sieben Jahren.
GW: Ihre Mutter ist wo geboren?
EA: Meine Mutter ist in Czernowitz geboren. Und die Papiere, die mein Vater hatte, waren auch Czernowitz.
GW: Haben Ihre Eltern viele Geschwister gehabt? Brüder und Schwestern?
EA: Ja, die haben…mein Vater hat eine Schwester und einen Bruder gehabt, die sehr jung gestorben sind. Meine Mutter hatte eine Schwester, die hier in Amerika war, ausgewandert ist…zur Zeit viele Jahre zurück, also 60 oder 70 Jahre zurück. Ich war noch ein Kind. Und sie hatte noch zwei Schwestern in Czernowitz, und einen Bruder in Czernowitz.
GW: Haben Sie viel Kontakt gehabt als Kind zu der Familie?
EA: Mit dieser Familie habe ich Kontakt gehabt, ja.
GW: Das war von der mütterlichen Seite?
EA: Von der mütterlichen Seite. Die Kinder der Schwester, die ausgewandert ist, die sind später dann ausgewandert hier nach Amerika, und ich habe kurze Verbindung mit denen gehabt…und nicht mehr Verbindung. Gleich wie ich gekommen bin, habe ich zwei Leute gekannt, und die sind in der Zwischenzeit gestorben. Und die Kinder, die geblieben sind…ich kann Ihnen…sozusagen keine Familie.
GW: Können Sie sich an Ihren ersten Schultag erinnern?
EA: An meinen ersten Schultag? [Lacht.] Ich kann mich erinnern an den Kindergarten, dass ich geweint habe. Und einer der hergekommen ist, ein Cousin sozusagen, der größer war, hat mich zum Kindergarten geführt, und er musste draußen stehen beim Fenster und immer seinen Kopf zeigen, damit ich nicht weine. Das war mein erster Tag in…nicht in der Schule, im Kindergarten.
GW: Und die Schule, die Volksschule, war das eine deutsche Schule?
EA: Schule…ja, schön, dass Sie fragen. Die Schule war berühmt, die Volksschule. Sie hieß Meissner-Schule und war eine sehr teure private Schule. Der Unterricht war hauptsächlich deutsch. Wir haben zugleich Französisch gelernt, Hebräisch, Rumänisch. Und wir waren Theaterkünstler, jedes Jahr haben wir ein Konzert gegeben.
GW: Wo war die Wohnung Ihrer Eltern? Wo sind Sie aufgewachsen?
EA: Die erste Wohnung war in der Karolinengasse 6. Haben Sie gehört von Joseph Schmidt [Opernsänger]? Er war mein Nachbar. Und weiters, ich und auch mein Bruder…ich habe Erzählungen und Geschichten zu erzählen über Joseph Schmidt. Und dann haben wir gewohnt in der Franzensgasse. Das war beim Tempel und ist ungefähr in derselben Gegend. Und dann haben wir wieder in der Karolinengasse gewohnt, und zuletzt haben meine Eltern eine Wohnung gehabt am Rudolfsplatz. [Uhren läuten.]
GW: Und die Namen waren alle noch deutsch nach 1918?
EA: Die Namen waren deutsch, ja, viele Jahre. Später, als ich schon das Gymnasium besucht habe, wurde es durch das Rumänische ersetzt. Dann sind die Russen gekommen und haben es russisch gemacht, und jetzt sind die Ukrainer da, und es ist ukrainisch. Und jedes Mal, wenn der Wechsel war zwischen Russen und Rumänen, habe ich meine Staatsbürgerschaft gewechselt. [Uhren läuten.]
1/00:10:21
GW: Welche Erinnerungen haben Sie an die Wohnung in der Franzensgasse?
EA: Die Franzensgasse war eine sehr große Wohnung, und als Kinder hatten wir unsere eigenen Zimmer, und die Dienerschaft hatte ein eigenes Zimmer. Wir hatten ein herrliches Badezimmer, mit Stiegen. Es war ungefähr…ich muss es in Hebräisch sagen…Mikwe. Kennen Sie diesen Ausdruck? Mikwe ist ein Bad, wo die Frommen baden und…ein Schwitzbad. Der Ofen war separat. Es war damals mit Holz gefüttert, und die Dienerin hat es immer mit Holz gefüttert, und wir haben das Bad gehabt. Es war groß…ein gut gelegenes und wertvolles Haus. Nicht Haus…eine Wohnung.
GW: Wie viele Zimmer hat die Wohnung gehabt?
EA: Das ist schwer zu sagen…eins, zwei, drei, vier…ungefähr fünf, sechs Zimmer. Die Küche war diese Größe.
GW: Und wie viele Angestellte haben Sie gehabt?
EA: Mein Vater hatte, zu meiner Zeit, bis zu zwanzig, 30 Leute angestellt.
GW: Im Betrieb?
EA: Im Betrieb.
GW: Aber in der Wohnung, also Hausangestellte?
EA: Nein, die haben nicht da gewohnt. Es hat nur die Dienerschaft da gewohnt. Die Arbeiter haben nicht dort gewohnt.
GW: Und wie viele Leute waren in der Dienerschaft?
EA: Eine Frau, oder zwei höchstens, vielleicht zur Hilfe. Aber ständig war es eine Frau.
GW: Und die haben sich auch um Sie und Ihren Bruder gekümmert, als Gouvernante?
EA: Ja, die haben sich um uns gekümmert und zur Zeit…die Dienerschaft waren gewöhnlich Ruthenen. Das ist ungefähr eine Verwandtschaft mit der ukrainischen Sprache. Und wir haben ruthenisch gesprochen, und wir haben mit ihnen ruthenisch oder rumänisch gesprochen.
GW: Das war dann verschieden, weil das Ruthenische ist ja eine slawische Sprache.
EA: Ja, es war eine slawische Sprache. Wir haben ein bisschen polnisch gesprochen, weil es war in der Nachbarschaft, und als Kinder haben wir ungefähr sieben oder acht Sprachen gekannt.
GW: Was hat Ihr Vater gearbeitet?
EA: Mein Vater war Schneider. Er war Zuschneider, hat auch Stunden gegeben im Zuschneiden. Und er hat auch Reisen gemacht, um Stunden zu geben. Damals war die Schneiderei sehr schwer…also nicht schwer als Beruf. Die Kleider waren sehr verlangend und schwer zuzuschneiden. Es waren diese…wenn Sie die alten Bilder gesehen haben, die Kostüme, die nicht jeder gekannt hat. Das war zu Napoleons Zeit. [Lacht.] Und da ist er herumgereist in Dresden, Breslau, Frankfurt, in Wien und war auch in Innsbruck und hat dort unterrichtet und auch Stunden gegeben. Und dann später, als die Russen gekommen sind und das Vermögen genommen haben…und er auch unter den Rumänen später das Geld verloren hat…hat er selbst gearbeitet, in einer kleinen Stube.
GW: Und Ihre Mutter?
EA: Meine Mutter hat niemals gearbeitet. Meine Mutter hat das Lyzeum besucht und hat deutsch-gotisch bis zum letzten Tag geschrieben, und auch ich schreibe gotisch – was Sie bestimmt nicht kennen.
GW: Das ist wie Kurrentschrift?
EA: Ja, die Handschrift. Kennen Sie Gotisch?
GW: Von meiner Großmutter, aber es ist schwer zu entziffern.
EA: Ja, aber ich schreibe es noch perfekt. Ich spreche nicht mehr perfekt, aber ich schreibe es perfekt. Das sind meine Eltern. [Zeigt ein Foto.]
GW: Das ist das Hochzeitsfoto?
EA: Ja.
1/00:15:08
GW: Wann haben Ihre Eltern geheiratet?
EA: Ungefähr…ich glaube 1900. Mein Vater ist 82 geboren…1882, nicht 1982…und meine Mutter 1884. Das bin ich als Schüler im ersten Lyzeum. [Zeigt ein Foto.]
GW: Wie alt waren Sie da, auf dem Bild?
EA: Damals war ich elf Jahre, oder zehn Jahre ungefähr. Meine Frau lächelt immer…wir haben Uniformen getragen, und es war die Musikstunde. Und da ich nicht sehr begabt war in Musik und nicht interessiert war, habe ich mir einen Kaiserbart gemacht auf einem dieser Bilder, und habe mir Dekorationen zur Uniform gemacht. Und meine Mitschüler haben gelacht. Der Musikprofessor hat mich herausgerufen und gesagt: „Was hast du da gemacht?“ Und ich habe ihm das Bild gezeigt. Ich habe es irgendwo.
[Übergang/Schnitt.]
…den Paradini imitiert, den Mann, der Kunststücke mit der Geige gemacht hat…zwischen den Füßen und hinter dem Rücken mit der Geige. Aber mein Bruder ist bei der Geige geblieben und hat auch beruflich Geige gespielt.
RA: We have a lot of pictures for you.
EA: Das ist ein Bild, mein Bruder mit Geige. [Zeigt Fotos.] Und der Kleine bin ich.
GW: Noch nicht mit Geige?
EA: Ich hatte schon eine Geige, eine kleine Geige. Ich habe noch…jetzt habe ich eine Viola, aber die ist nicht…ich behalte sie nur, weil sie antik ist.
GW: In welchem Jahr ist Ihr Bruder geboren?
EA: Mein Bruder ist 1909 geboren.
GW: Und wie ist der Vorname von Ihrem Bruder?
EA: Bruno.
GW: Haben Sie ein Radio zu Hause gehabt?
EA: Nicht zu jener Zeit. Wir haben Radio gehabt, ja. Worauf ich sehr stolz bin, weil ich es sammle…mein Vater hat einen Spielkasten…ich weiß nicht, ob Sie wissen, was ein Spielkasten ist? Ein alter Kasten mit Walzer, mit…kennen Sie das?
GW: Zum Drehen?
EA: Zum Drehen. Es hat es zum Drehen…eins war automatisch, ein Polyphon, und es zeigt auch den Zustand. Und wie ich hergekommen bin, war es in dem Bereich…dass es ungefähr 85.000 Dollar kostet. Aber jetzt bin ich Mitglied des Vereins, und ich sammle. Ich habe hier ungefähr…wie Sie sehen, da sind alles Tongeschirre. Es gibt einen internationalen Verein…Deutschland, Wien, Japaner…wir sind ungefähr 4.000 Verrückte, die sammeln.
GW: Sind Sie mit Ihrem Vater mit auf Reisen gefahren?
EA: Ja, im Land, nicht ins Ausland. Im Land, denn es war schwer, in Rumänien einen Pass zu bekommen.
GW: Erinnern Sie sich an die erste Reise, die Sie mit Ihrem Vater gemacht haben?
EA: Das war im Land, es war in der Bukowina, in Kimpolung [Câmpulung] und Vatra Dornei. Das waren Gegenden, die wir besucht haben. Meine Mutter ist einige Male nach Wien gefahren und hat uns Sachen gebracht. Zur Zeit musste sie den Blinddarm operieren lassen, und damals war die Wissenschaft nicht so weit, und da hat sie kein Vertrauen gehabt und ist nach Wien gefahren. Sie hat auch wieder Innsbruck besucht, ohne uns, ohne die Kinder. Aber wir haben Geschenke bekommen. Das ist mein Bruder in einer Tiroler Tracht. [Zeigt Fotos.] Das ist mein Bruder.
1/00:20:08
Da bin ich, als Tiroler. Das ist meine Mutter, und das ist die Schwester meiner Mutter. Apropos deutsche Sprache, wollen Sie einen Witz hören darüber?
GW: Ja, gerne.
EA: Dirndl waren sehr modern, und…ich weiß nicht, ob Ihnen das Schauspiel Pat & Patachon bekannt ist. Haben Sie gehört? Das waren zwei Wiener [meint: Dänen], einer war hoch und lang, und der andere war klein. Um die Geschichte kurz zu machen: Die zwei, Pat und Patachon, sind in einem Restaurant, und zwei Frauen, in Dirndln gekleidet, kommen ins Restaurant. Ich war damals ungefähr neun oder zehn Jahre alt. Und die Dirndln sind da. Und ich habe das Wort mit einem Dirndl irgendwie verwechselt…wenn die Frauen in Dirndln sind, heißen die Dirnen und nicht Dirndln. [Lacht.] Daraufhin, in derselben Woche hatten wir ein Abendessen, und meine Cousinen sind beide in Dirndln gekommen, und ich habe vor den Gästen gesagt: „Ah, die Dirnen sind hier.“ [Lacht.] Mein Bruder, der älter war, hat mich zur Seite genommen. Es war eine große Schande in der Familie, und ich habe nur ganz wenig gegessen. [Lacht.] Dirndln.
GW: Wie weit war die Schule weg von der Wohnung?
EA: Ein paar Minuten, nicht weit. Ich bin zu Fuß gegangen.
GW: Erinnern Sie sich an etwas, das Sie besonders gern gehabt haben am Schulweg? Eine Ecke oder einen Baum?
EA: Ja, ich erinnere mich sehr gut an die Volksschule. Ich habe mit meinen Kollegen, mit denen ich in Verbindung bin…einer ist der Obermedizinalrat in Wien, einer ist ein großer Arzt in Frankreich, der andere ist antique dealer in Genf, und einer wohnt in Paris, und wir sind alle noch in Verbindung und schreiben uns auf Deutsch. Wenn Sie ein Volksschulfoto sehen wollen, kann ich es Ihnen zeigen.
GW: Ich schaue es mir nachher gerne noch an. Und haben Sie als Kinder miteinander auch jiddisch geredet?
EA: Jiddisch haben wir selten geredet. [Uhren läuten.] Wir haben alle Sprachen gesprochen, aber Jiddisch habe ich gehört und verstanden, aber nie ganz gesprochen. Ich habe das jiddische Theater besucht und habe auch später Dekorationen für das jiddische Theater gemacht, aber selten kam ich dazu, weil alle haben deutsch gesprochen.
GW: Was gab es an religiösen Traditionen in Ihrer Familie, von Ihren Eltern her?
EA: Meine Eltern waren religiös. Also nicht so, dass mein Vater herumgegangen ist mit einer Jarmulke, aber wir haben freitagabends…Challa gemacht, das spezielle Brot. Und dann haben wir die Kerzen angezündet, und wir haben ein kleines Gebet gemacht, bis wir später selbstständig geworden sind, und wir haben es langsam aufgegeben.
GW: Sind Sie nur an den großen Feiertagen in die Synagoge gegangen?
EA: Ja, das war üblich. In der Stadt wusste man gleich, wenn wer nicht gegangen ist, und wir sind alle gegangen.
GW: Haben Sie einen koscheren Haushalt zu Hause gehabt?
EA: Wir haben…das Haus war koscher. Da habe ich eine andere Geschichte. Das Haus war koscher und da war…mein Vater hat immer Witze gemacht und gesagt: „Schinken ist scheinbar nicht so schlecht, wenn man sieht die Bauern, wie gesund die sind. Scheinbar wird es euch nicht schaden, wenn ihr ein bisschen Schinken esst, der euch stramm hält.“ [Lacht.] Aber die Geschichte war, ich hatte einen Hund, einen Fox…und er hatte separat sein Geschirr.
1/00:25:06
Und am Freitag hat meine Mutter niemals für ihn – für den Hund – das Essen gemacht. Und mein Hund ist immer auf zwei Füßen gestanden und dann…der Ofen war damals so ein Alt-Ofen, mit Holz gefüttert. Und er hat geschaut, ob sein Geschirr da ist, und wenn er es nicht gesehen hat, dann verlangte er, dass er hinausgeht. Und wir haben später erfahren, dass er zu vielen Restaurants gegangen ist, wo wir waren, und hat alles, woran er interessiert war, Purzelbäume und so weiter, gezeigt und der Restaurant…und hat sich Essen verdient. [Lacht.] Wir haben es bei einem Spaziergang erfahren, als er den Hund erkannt und gesagt hat: „Oh, das ist der Hund, der Kunststücke gezeigt hat.“ So haben wir gefragt: „Woher kennst du ihn?“ – „Er ist ein ständiger Gast. Er kommt jeden Freitag und Samstag, um…“ – Er durfte seine Portion nicht bekommen.
GW: Können Sie sich erinnern, welche Tageszeitungen bei Ihnen zu Hause gelesen worden sind?
EA: Die Zeitungen? Es war die Allgemeine Zeitung, wo ich später dann Redakteur war und Artikel aus Frankreich gesandt habe. Ich habe einen Ausweis dafür. Und das Morgenblatt, welches Artikel über mich veröffentlicht hat. Dann war…es waren sozusagen sozialdemokratische Zeitungen. Es waren viele Zeitungen.
GW: Und die waren alle deutschsprachig?
EA: Deutschsprachig, ja.
GW: Die Bukowinaer Rundschau?
EA: An die Bukowinaer Rundschau erinnere ich mich, aber ich glaube nicht.
GW: Und das Czernowitzer Tagblatt?
EA: Ist möglich, ja.
GW: Wie war Ihr Vater politisch eingestellt?
RA: What was the name of that newspaper. Can you turn it off for a second? [Aufnahme pausiert.]
EA: …ein Freund, und der war Schneider. Er war aber sehr begabt und hat seine Zeitung herausgegeben. Ich habe den Namen leider vergessen und habe angesucht, und eine Freundin in Wien, die sehr oft nach Czernowitz fährt, hat erfahren den Namen des Schriftstellers. Die Zeitung hieß Der Grager.
GW: Grager?
EA: Grager ist…ich weiß nicht, wie es in Deutsch heißt. Sie müssen es kennen. Es gibt einen jüdischen Feiertag, wo die Kinder mit einer Windmühle [meint: Purim-Ratsche] spielen, und das macht einen Lärm. Wissen Sie, wie es auf Deutsch heißt? Also, es ist keine Schande…ich erinnere mich nicht, wie es heißt. Es gibt so einen speziellen Feiertag, wo die Kinder damit spielen, und das macht einen Lärm. Und die Zeitung hieß Der Grager. Und ich erinnere mich bloß…er hat auch Zeichnungen gemacht, lustige Zeichnungen, und er hat Parodien geschrieben. Er hat geschrieben über… – „Wer reitet so spät durch Nacht und Wind.“ Das ist der Erlkönig. – „Es ist der Vater und sein Kind [meint: mit seinem Kind].“ Und bei ihm hieß es: „Wer reitet so spät in der [unklar], es ist das Kind und sein [unklar].“ Also, [unklar] ist the cold und [unklar] ist der Vater. Er hat lustige Gedichte gemacht über die deutsche Sprache. Es war ein Mischmasch, und es war sehr lustig.
GW: Und Sie wissen den Namen nicht mehr von dem Freund von Ihrem Vater?
EA: Nein, ich werde es vielleicht erfahren und werde es Ihnen mitteilen. Die Zeitung hieß Der Grager.
GW: Wie hat man das geschrieben?
EA: Grager? G wie George, wie Gregory, R wie Russland, A wie Arnold, G wie George, E wie Esel und R. Grager.
GW: Und Grager ist der Feiertag?
EA: Es war zu einem Feiertag…wie heißt das?
GW: Ratsche.
EA: Ja, Ratsche heißt das. Grager. Es macht auch einen Laut…Ratsche.
RA: Yes.
EA: Wie heißt der Feiertag, wo man das spielt?
1/00:30:05
[Übergang/Schnitt.]
…zu den Feiertagen geführt, und die Kinder bekommen einen Essrig [Etrog (Zitronatzitrone) zur rituellen Verwendung für das Laubhüttenfest]…also im Gebethaus. Da gehen wir rum mit dieser Frucht. Es sieht wie eine Zitrone aus.
GW: Eine Grapefruit?
EA: Nein, damals, zu der Zeit gab es noch keine Grapefruit. [Lacht.] Sind Sie jüdisch?
GW: Nein.
EA: Nein, Sie sind nicht jüdisch. Die geben einem diese, wie heißt es…Ratsche…und eine Zitrone, welche keine Zitrone ist. Rita, how do you call it?
RA: It is like a quince.
EA: In Englisch heißt es quince. You have one?
RA: I have one.
EA: Meine Frau hat es im Haus.
RA: It is like this, something like this. You know the quince?
GW: I am not sure that I know it.
EA: Nein, das ist eine Birne, aber es sieht so aus--
RA: --no, that is a quince.
GW: Eine Quitte?
EA: Quitte. Also, das ist es. Langsam kommen die Worte zurück.
GW: Erinnern Sie sich, was Sie am liebsten gegessen haben als Kind?
EA: Ich war kein großer Esser. Ich war sehr zart. Ich bin später…wenn ich Hunger hatte, sozusagen…im Ghetto habe ich mich entwickelt…den Appetit. Ich war sehr verwöhnt. Ich habe zum Beispiel…ich habe gerne gehabt Suppen, ich habe Schinken gegessen, und alles, aber meine Mutter plagte sich, mich zu füttern. Ich weiß, sie hat mir Kukuruz…kennen Sie die Speise Kukuruz? Sie hat mir gerne Kukuruz gegeben. Und ich erinnere mich, es war ein deutscher Arzt, Bodea war sein Name, ein Kinderarzt, und sie fragt alles…sie haben mich untersucht, damit ich ein bisschen mehr Fett bekomme. Und Dr. Bodea hat ein Medikament verschrieben, und meine Mutter fragt ihn zuletzt: „Darf ich ihm Kukuruz geben?“ Da sagt er: „Wenn er eine Henne ist, dann können Sie ihm Kukuruz geben.“ [Lacht.] Das ist mir noch bis heute geblieben. [Lacht.] Wenn Sie interessiert sind, dann erzähle ich Ihnen die Geschichte über Joseph Schmidt.
GW: Gerne.
EA: Ich war damals fünf Jahre alt, und Joseph Schmidt war ungefähr…ich glaube…mein Bruder ist sieben Jahre älter als ich, und Joseph Schmidt war zwölf Jahre älter als ich. Aber Joseph Schmidt war noch nicht bekannt als Sänger. Er hat aber sehr gerne gesungen und war klein – was Sie vielleicht wissen. Und wir haben uns lustig gemacht und besonders…seine Wohnung war im Parterre. Und wir waren eine Menge Kinder, und wir sind beim Fenster gestanden, und jedes Mal, wenn er eine Stunde hatte, um seine Stimme zu vervollständigen, das Gurgeln, waren wir draußen und haben nachgegurgelt und das im Chor gemacht. [Lacht.] Eines Tages war es beschlossen…er wollte immer… [Uhr läutet.] Das ist eine meiner Spieluhren.
GW: Es sind sehr viele Uhren hier.
EA: Ja, 52. [Beide lachen.] Es war…die Vorstellung war die Nibelungen[sage]. Joseph Schmidt war klein und nicht, sozusagen, Siegfried. Mein Bruder war jung, hoch – er lebt noch –, blond, ein sehr hübscher junger Mann, wie ein Schauspieler. Und er hat den Siegfried gespielt. Joseph Schmidt hat gespielt den Etzel, das war ein Hunne. Wir Kinder waren hinter den Kulissen und haben gespielt, wenn die Pferde kommen sollten, die Hunnen, wenn es hieß, „ah, die Hunnen kommen“, haben wir mit den Füßen gestampft. [Lacht.] Und die Mädchen haben gewiehert. [Lacht.] Das war unsere Nibelungen[sage]. Das erinnere ich mich sehr genau.
1/00:35:15
GW: Waren in der Nachbarschaft ausschließlich jüdische Kinder?
EA: Nein, es war eine große Gruppe, und wir waren größtenteils jüdische Kinder, und es waren auch polnische, ein paar ukrainische Kinder, deutsche. Deutsche waren Österreicher, sozusagen. Wir hatten österreichische Leute, und wir hatten deutsche, die Schwaben…ich weiß nicht, ob sie Ihnen bekannt sind…mit denen wir nicht sehr gut gelebt haben, als Hitler erschienen ist. [Uhren läuten.]
GW: Von Ihrem engeren Freundeskreis waren es mehr jüdische Kinder?
EA: Nein, wir hatten auch in der Schule, besonders im Lyzeum, sehr viele Christen, und wir waren Freunde bis zum letzten Tag.
GW: Waren auch viele Rumänen in Ihrer Gegend?
EA: Ja, im Lyzeum, nicht in der Volksschule.
GW: Was war die Unterrichtssprache im Lyzeum?
EA: Im Lyzeum war Rumänisch die Haupt…es war damals besetzt von den Rumänen…es war der Hauptgegenstand. Wir haben bis zur achten Klasse Französisch und Deutsch als Sprachen gehabt. Lateinisch, das haben Sie nicht mehr gemacht. Haben Sie Lateinisch gelernt?
GW: Ich habe mein Latinum.
EA: Aqua, das Wasser, vinum, der Wein, der Teufel holt das verfluchte Latein. [Lacht.]
GW: Und das war eher eine bürgerliche Wohngegend in der Franzensgasse?
EA: Eine Wohnung, ja.
GW: Aber es war eine gute Wohngegend?
EA: Ja, es war eine…das ganze Viertel war sehr gut, die ganze Nachbarschaft. Alle Wohnungen, die ich genannt habe, waren in einer guten Nachbarschaft. Das war um den Tempel herum. Der Tempel war ein spezielles Gebäude. Wenn es Sie interessiert, werde ich Ihnen ein Bild zeigen, wie er aussah. Es war eines der schönsten Gebäude im Osten und von einem sehr bekannten Architekten. Ich habe den Namen irgendwo, wenn es Sie interessiert. Und wie die Deutschen gekommen sind, haben sie den Rabbiner erschossen, mit dem ich indirekt verwandt war. Besser gesagt, ich war mit ihm verwandt…durch meine Schwägerin, die aus einer religiösen Rabbinerfamilie ist. Der Tempel wurde angezündet und im Grunde verbrannt.
GW: Er steht nicht mehr?
EA: Es sind zurückgeblieben ein paar Wände, und jetzt ist es ein Kino, habe ich gehört…ein Casino.
GW: Ja, weil das habe ich gesehen, ein Bild heute von dem Tempel, und ich glaube, die Kuppel ist gesprengt worden von den Nazis. Und es ist jetzt ein Kino.
EA: Ja. Ich habe eine Illustration, die ich gemacht habe, wo es gebrannt hat. Ich kann es Ihnen zeigen. Es ist in einem Buch erschienen.
GW: Gerne nachher. Und wo haben Sie Theater gespielt?
EA: Da haben wir gespielt…das war teilweise in unserer Wohnung in der Karolinengasse. Und haben auch einen großen Korridor gehabt, wo wir gespielt haben.
GW: Und wie viele Kinder waren am Theater beteiligt?
EA: Oh, ein Theater war es…wir haben Karten verkauft. Es sind von der Nachbarschaft gekommen…es war wirklich ein Theater.
GW: Das waren selbst ausgedachte Stücke?
EA: Nein, wir haben klassische…die Nibelungen[sage] war ein klassisches Stück. Ich erinnere mich nicht mehr, denn es waren auch begabte Künstler separat…das kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber die Nibelungen-Vorstellung erinnere ich mich.
GW: Waren Sie sportlich als Kind?
EA: Sportlich? Ja. Ich habe noch jetzt meine Skier. Ich habe ein Haus im Gebirge und habe…ich habe Skier, und ich habe auch gehabt ein elektrisches…Schneemaschine, ein…wie heißt das? Ein Motorrad für den Schnee, wie heißt das? How do you call it?
RA: I know what you mean.
EA: I had to get rid of it because of you. A snowmobile.
GW: Snowmobile, okay.
1/00:40:21
Das heißt auf Deutsch dann wahrscheinlich Schneemobil. Und als Kind, was haben Sie da für Sport betrieben?
EA: Als Kinder haben wir Sport betrieben. Wir sind eisgelaufen, sehr fleißig, Ski…wir haben das Gebirge, wo wir Ski gemacht haben…also, wir waren große Sportler…schwimmen.
GW: Konnte man auch im--
EA: --Pruth [Prut]. Ja, Pruth heißt der Fluss. Langsam lernen Sie Czernowitz kennen.
GW: Konnte man im Pruth auch schwimmen?
EA: Ja, konnte man. Da habe ich eine andere schöne Erzählung. Es war beim Pruth, damals war ich ungefähr zwölf Jahre alt. Ich hatte ja noch alle meine Haare, zu der Zeit, und ich hatte eine Nachbarin, die Hilde hieß. Und wir haben Ball gespielt. Ich war im Wasser, und Hilde ist am Ufer gestanden, und wir haben so mit dem Ball gespielt. Das Wasser war ungefähr bis zum Hals. Ich konnte schwimmen damals. Und ich habe ihr…der Ball ist irgendwie verschwunden. Die Hilde wusste nicht, wo der Ball ist, oder sie war nicht aufmerksam. Ich habe gerufen: „Hilde! Hilde!“ Und ein Schwimmer ist gekommen und dachte, dass ich „Hilfe“ rufe, und hat mich bei den Haaren herausgezogen und hat mir zwei Ohrfeigen gegeben. – „Du Lausbub! Im tiefen Wasser und du rufst Hilfe!“ [Lacht.] Hilde und Hilfe…meine Erfahrungen…
GW: Und der Freundeskreis Ihrer Eltern war vorwiegend jüdisch?
EA: Wir haben sehr viele Bekannte gehabt, die Christen waren. Mein Vater hat Kundschaft gehabt…er hat einen Kunden gehabt, der Priester war, orthodox und katholisch, und meine Mutter hat aus Respekt…dem Erzbischof hat sie die Hand geküsst. Und die Tante eines Bischofs war Französin…ich habe den Namen vergessen. Sie war meine Professorin für Eiskunst und Französisch…separat. Wir waren mit den Kindern, den Töchtern…besonders mein Bruder, der besonders schön und älter war, hat den Hof gemacht den Mädchen des Priesters. Es war kein großer Unterschied, wir waren alle Freunde.
GW: War Politik ein Thema in Ihrer Familie?
EA: Politische Themen?
GW: War Politik ein wichtiges Thema?
EA: In der Familie? Nein, war es nicht, bis zur Zeit…bis Hitler erschienen ist. Da hat man begonnen, über Politik zu sprechen.
GW: Ich kann mir vorstellen, nach dem Ersten Weltkrieg in Czernowitz, die Monarchie--
EA: --ja, wir haben nach den Österreichern geweint. Mein Vater, bis zum letzten Tag, hat uns über Franz Joseph [I.] erzählt. Er war sehr beliebt in Czernowitz, und ich habe auch eine Medaille, die mein Vater bekommen hat, mit der Silhouette, mit dem Porträt des Franz Joseph. Und ich habe andere Dokumente. Bis zum letzten Tag waren sie sehr national und Österreich-gestimmt. Wir waren sehnsüchtig nach der österreichischen Kultur. Und die Bücher, die erscheinen…alle meine Freunde, die Kinder haben, besuchen Czernowitz mit Leidenschaft, und sie schicken mir Aufnahmen und schreiben Bücher über Czernowitz. Ich habe jetzt die Tochter des Medizinalrats, Dr. Nagler…sie heißt…ich kann mich nicht an den Namen erinnern. Sie besucht Czernowitz und schreibt jetzt ein Buch über Czernowitz und was man verloren hat, und sie hat mir Aufnahmen gesandt. Und vor zwei Wochen hat ein junges Mädchen, eine Tochter von Freunden, die gestorben sind, mich besucht und hat mir erzählt, dass sie auch Czernowitz besucht. Und die sehnen sich nach Czernowitz. Meine Frau, die niemals Czernowitz besucht hat, fragt mich jedes Mal: „Wann fahren wir nach Czernowitz?“ Sie hat so viel gehört darüber. Haben Sie Bilder über Czernowitz gesehen?
GW: Ja.
EA: Ich habe Bücher darüber.
1/00:45:43
GW: Die meisten Bilder sind von vor dem Krieg.
EA: Nein, ich habe jetzt die--
GW: --aber aktuelle…wenige.
EA: Ja, das kann ich Ihnen zeigen.
GW: Ja, ich weiß schon wieder. Und wie war die Stimmung gegenüber dem rumänischen Staat?
EA: Mit dem rumänischen Staat sind die Erfahrungen schlecht. Ich habe angesucht noch [19]45--
GW: --aber vor dem Krieg?
EA: Vor dem Krieg war es auch nicht…wir haben irgendwie mit den Rumänen gelebt…man kann sagen, in Freundschaft, bis zur Hitlerzeit. Der Antisemitismus war von Anfang an, aber wir haben es nicht gespürt. Wir waren in der Mehrzahl Juden…als Rumänen.
GW: In Czernowitz?
EA: In Czernowitz. Und größte Teil der…ich war Rumäne, aber ich war mehr Deutscher…Österreicher als Jude…also als Rumäne. Indirekt war ich auch mehr Jude als Christ. [Lacht.]
GW: Haben Sie die politischen Ereignisse in Österreich verfolgt?
EA: Von dem--
GW: --dem Bürgerkrieg oder dem Justizpalastbrand--
EA: --ja, ich habe alles…Sie meinen von Czernowitz? Ja, selbstverständlich. Wir haben das auch in der Schule gelernt, und selbst Abessinien haben wir gelernt…und alles, was so vorgeht.
GW: Und gab es Ausschreitungen in Czernowitz?
EA: Es waren viele Ausschreitungen.
GW: In Bezug auf den Bürgerkrieg in Österreich?
EA: Nein, bei den Österreichern erinnere ich mich nicht, dass Ausschreitungen waren. Es gab Duelle, aber dumme Duelle, wegen irgendeinem Mädchen oder irgendwie, oder damit er mit einer Narbe heimgeht, und dann war er sehr stolz. Wir hatten auch Studentenstuben near unserer Wohnung. Und meine Mutter hat immer erzählt, sie hat die Studenten immer gepflegt nach den Verletzungen.
GW: Und das waren auch jüdische Studentenbünde?
EA: Ja, es waren…auch ich habe einer Verbindung angehört, der Kadimah. Ich zeige Ihnen von der Verbindung Aufnahmen. Auch mit den Deutschen waren wir bis zu Hitlers Auftauchen…wie sagt man…Auftauchen…waren wir Freunde. Ich habe Mitschüler gehabt, mit denen wir befreundet waren. Aber Moment, ich habe Ihnen…Sie kennen das Wort schwänzen? Es existiert noch?
GW: Ja.
EA: Ich habe einen Mitschüler gehabt, mit dem ich zusammen geschwänzt habe. Wir sind in derselben Bank gesessen. Ich habe seinen Namen vergessen, aber ich werde mich erinnern. Wir haben zusammen geschwänzt, und…im Winter sind wir gegangen mit den Schultaschen und haben gerodelt…mit den Schultaschen. [Lacht.] Als Hitler erschienen ist, das war--
GW: --[19]33?
EA: [19]38…nein, nicht [19]38, [19]33. Der hieß…wie heißt der…ich werde mich erinnern. Vor dem deutschen Haus habe ich meinen Freund getroffen, der ist mit einem seiner Freunde gestanden, und ich bin gekommen, um ihm hallo zu sagen. Das war, glaube ich, [19]34 oder [19]35, nach dem…und wollte die Hand schütteln mit meinem Freund und den anderen mich vorstellen. Und da sagt er: „Gebt ihm nicht die Hand, er ist Jude!“ Das war mein Freund, mit dem ich geschwänzt habe. Und so hat es begonnen.
1/00:50:40
Eine andere Erinnerung habe ich. [19]37 ist ein Artikel erschienen, in der Zeitung Morgenblatt, glaube ich, über mich, dass ich Erfolg habe in Frankreich und dass ich Zeichnungen…animated cartoons, wie heißen die hier?
GW: Trickfilme?
EA: Dass ich Trickfilme mache in Paris. Und mir wurde geraten von Dr. Gingold, der die Musik gemacht hat…ich werde Ihnen erzählen, wer Dr. Gingold war. Und der hat den Artikel geschrieben, und der riet mir, dass…zu dieser Zeit war mein Name Arnold Edelstein. Und er sagte: „In Paris wird man nicht wissen, was Arnold ist und was Edelstein…wie wäre es, wenn du dich Arnaud rufst?“ Arnaud auf Französisch geschrieben. Und es ist in diesem Artikel erschienen, dass ich in Frankreich bekannt bin, unter dem Namen Arnaud. Und auch meine ersten Trickfilme waren unter Arnaud. Und es ist ein anderer Artikel erschienen in einer deutschen Zeitung, an den Namen erinnere ich mich nicht, wo mein Professor, der mich gekannt hat als Schüler…Dr. Bartfeld war sein Name…er hat einen Artikel geschrieben, gleich darauf, was es heißt, Jude zu sein. Er ist noch nicht ganz bekannt in Frankreich und versteckt sich unter dem Namen Arnaud. Und das war der Beginn.
GW: Hat die Wirtschaftskrise Auswirkungen auf den Betrieb von Ihrem Vater gehabt?
EA: Ja, die deutsche Kundschaft ist seltener gekommen, weil sie wurde irgendwie aufgehalten, dass sie nicht Juden besuchen. Wir haben es langsam zu spüren bekommen. Also die intimen Freunde kann ich mich nicht irgendwie…aber langsam haben wir es zu spüren bekommen von Nachbarn und besonders, als wir ins Ghetto getrieben wurden, hat sich das öffentlich gezeigt.
GW: Das war von den Schwaben in erster Linie, oder auch von den ehemaligen Österreichern?
EA: Mit den Österreichern habe ich keine…ich habe gute Erinnerungen an die Österreicher. Ich glaube, ich habe es Ihnen geschrieben, von Dr. Tabor und seinem Onkel. Da habe ich gute Erfahrungen, die haben mich unterstützt in Österreich und auch, als ich zurückgekommen bin.
GW: Das war dann schon nach Paris?
EA: Ja.
GW: Dann frage ich vielleicht nach Paris weiter--
RA: --did you tell him about--
EA: --das war ein Erzbischof, ein Rumäne, mit dem wir zusammen im Lager waren. Meine Frau macht mich gerade aufmerksam, ich hatte antisemitische Erfahrungen mit den Rumänen als Student. Wir waren als Studenten im selben Lager, und es war ein Aufstand der rumänischen Studenten mit den jüdischen Studenten. Und auf dem Weg nach Hause haben die rumänischen Studenten – darunter auch Kollegen und Schulkollegen – Juden getötet. Die haben sie direkt aus dem Waggon hinausgeworfen. [Valerian] Trifa, der ihr Anführer war, wurde dann…er war auch hier, in Detroit, war er Erzbischof der rumänischen Religion, orthodox…und wurde gezwungen, Amerika zu verlassen, und hat sich dann in Madrid zurückgezogen. Ich weiß nicht, ob Sie ihn kennen.
GW: Das habe ich gehört, ja.
EA: Ja, ich habe ihn persönlich gekannt.
GW: Wann sind Sie nach Paris gegangen?
EA: Nach Paris bin ich [19]36 gegangen, bis [19]39.
GW: [19]36 waren Sie 22?
EA: Ungefähr.
1/00:55:08
GW: Und wozu sind Sie nach Paris gegangen?
EA: Ursprünglich bin ich gegangen…Dr. Norbert Gingold, der war Dirigent in Paris für Pathé-Natan, eine Filmgesellschaft. Und er war auch interessiert, Trickfilme zu machen, und hat in Czernowitz Zeichner gesucht, die geeignet sind für Trickfilme. Und er hat sozusagen mich entdeckt und hat mich gelockt, nach Paris hinauszufahren. Und das war der Grund, dass ich nach Paris gefahren bin. Und bei dieser Gelegenheit, als ich in Paris war, habe ich Zeichnen studiert. Ursprünglich wollte ich ja Architekt werden und habe mich draufgesetzt, dass ich Bühnenkunst lerne. Das war mein erstes Studienjahr. Danach bin ich Plakatmaler geworden. Ich habe auch Szenografie gemacht, Bühnenbildnung.
GW: Bei wem haben Sie Bühnenbild studiert?
EA: Bei Paul Colin.
GW: Paul?
EA: Paul Colin. Paul Colin war der berühmte Mann…haben Sie gehört von Josephine Baker?
GW: Ja.
EA: Die habe ich persönlich gekannt.
RA: Can you take a break?
[Übergang/Schnitt.]
EA: How I came to Paris with Gingold?
GW: Yes, that is where we stopped, at the beginning of Paris.
EA: So, Gingold discovered me in Czernowitz.
RA: In German, Arno.
EA: Ja. [Hustet.] Dr. Norbert Gingold, ein--
GW: --Komponist.
EA: Komponist. Er dirigierte die Dreigroschenoper in Wien und hat auch, glaube ich, mitgearbeitet bei der Begleitmusik in Wien. Ich habe seine Biografie, wenn es Sie interessiert. Der hat mich in Czernowitz entdeckt und hat mich sozusagen nach Wien geschleppt…nicht nach Wien, nach Paris. In Paris habe ich die Kunstschule von Paul Colin besucht und habe auch irgendwie gearbeitet. Nicht offiziell, denn ich durfte nicht arbeiten, aber ich habe gearbeitet. [Uhren läuten.] Jetzt ist…was interessiert Sie? Welche Begegnungen ich hatte? Antisemitische? Wie ich die Deutschen--
GW: --in Paris interessiert mich auch die Kunstschule von Paul Colin. Das war ja ein…haben Sie bei ihm auch assistiert oder ihm geholfen?
EA: Nein, ich habe nicht geholfen, wir waren Schüler aus vielen Ländern. Er hatte ja einen Plan, die ganze Welt, also die Silhouette der Welt, mit kleinen Fahnen, von jedem Land, wie viele Schüler er hat. Und ich begeistert zu sehen, aus Japan, ich weiß nicht…tausende von Schülern, und aus Österreich, aus Rumänien hatte er drei – ich war der dritte. Ich war damals Rumäne, ich war nicht Österreicher. Ich war Rumäne zur Zeit. Und ich war sehr stolz, Schüler zu sein. Dort habe ich gelernt, Lithografien zu zeichnen auf Stein, alte Lithografien, so wie man die Plakate gemacht hat. [Kuckucksuhr ertönt.] Und so hat sie auch Paul Colin gemacht. Und in diesem Stil habe ich Plakate in Rumänien veröffentlicht. Wenn Sie interessiert sind, kann ich sie zeigen. Das war mein Studium.
1/00:59:26
Was Sie vielleicht interessiert, ist die Sache, wie ich mit dem Antisemitismus der Deutschen zusammengestoßen bin. Das war mein…ich habe in meinem Hotel gewohnt, in der Avenue de Versailles. Der Besitzer des Hotels wusste nicht, dass ich Jude bin, und eines Tages sagt er mir: „Ich habe Vertrauen, und ich möchte Sie gerne bekannt machen mit einer Sektion der Franzosen, die mit den Deutschen sympathisieren, und wo Sie lernen können, wie man einen Juden erkennt. Sie werden es erfahren und erkennen einen Juden von kilometerweit an seinen Augen, dem Blick, den er hat.“ Und ich sagte ihm: „Leider kann ich nicht kommen, weil ich selber mit der Schule beschäftigt bin.“ Das war mein erster Zusammenstoß. Den zweiten Zusammenstoß hatte ich…damals waren die…Kapuziner. Es war eine Sektion, die erschienen ist…es waren Franzosen, die sympathisiert haben, und sie wurden Kapuziner genannt. Sie haben Kapuzen getragen wie die Mönche und haben Bomben gelegt und Häuser beschädigt. Es war irgendein Aufstand, und die haben sympathisiert mit den Deutschen und haben es den Deutschen…das war…ich habe es hinten genannt, die fünfte Legion oder ich weiß es nicht.
GW: Die Fünfte Kolonne.
EA: Ja, die Fünfte Kolonne, so hat es geheißen. Es waren Aufschriften in den Straßen: „Tod den Juden“, auf Französisch, „Mort aux Juifs“. Und als Erinnerung habe ich einen Dollar, der auf der Straße gegeben wurde…den ich habe…können Sie eine Sekunde unterbrechen? [Holt den Dollar.]
GW: Ja.
EA: Diesen Dollar habe ich auf der Straße bekommen. Der Dollar öffnet sich.
GW: Das ist unglaublich. „La guerre juive“ [„Der jüdische Krieg“].
RA: Do you speak French?
GW: Yes.
Ende von Teil 1.
Teil 2
GW: This is tape two of an Austrian Heritage Collection interview with Mr. Arno, conducted by Gregor Weiss on 20th November, in New York. Okay, so we can go on. Sie haben gerade vom Dollar geredet. Wo haben Sie diesen Dollar gefunden?
EA: Der Dollar wurde mir auf der Straße gegeben, und ich wunderte mich, warum ich einen Dollar bekomme. Und ich habe es später entdeckt. Also jetzt wissen Sie, was der Dollar bedeutet. Aber, eine andere Erfahrung – halb komisch, halb tragisch – war…dadurch, dass…ich habe nicht genug Geld von zu Hause bekommen und habe versucht zu arbeiten, was ich nicht durfte, als Student und als sozusagen Tourist. Und ich habe geheim mit einem Mann gearbeitet, der Flüchtling war aus Spanien. Ich werde mich an den Namen erinnern. Und er hat meine Sachen, meine Zeichnungen verkauft und…die ich gemacht habe. Eine Idee war, er hat speziell für die Geldspielkästen für die Lokale, wo man Geld einwirft und ein Ball herumläuft, da habe ich Zeichnungen dazu gemacht. Und eine Idee hatte ich, einen Plan…in Paris war es sehr interessant für mich, zu Fuß herumzugehen. Ich habe Geld gespart und viel gelernt. Meine Idee war, dass ich einen Plan von Paris mache und alle berühmten Häuser an verschiedene Stellen gebe – an die falschen Stellen – und Auftrag war, eine Kugel zu ziehen, wenn es richtig ist, und wenn es richtig war, hat er eine Prämie bekommen. Zum Beispiel war der Eiffelturm irgendwo, wo die Oper stand, und es war verschieden. Und ich sitze zu Hause, in meinem Hotel, und plötzlich läutet es: die Polizei. Die suchten Leute, die Deutsch sprechen, und die haben erfahren irgendwie, dass ich in meinem Zimmer arbeite. Und da kommen die plötzlich, und es war in der Zeit der Kapuziner, wo die Bomben gelegt wurden. Und ich sitze mit einem Plan, mit allen berühmten Häusern mit einem Kreuz gezeichnet. [Lacht.] Und ich durfte nicht erklären, wofür ich arbeite, weil ich nicht arbeiten durfte. Zum Glück hatte ich das Glück und sagte, dass ich selbst studiere und es ein Spiel für mich ist, ein Outdoor-Spiel, zum Lernen, ob ich richtig weiß, wohin zu gehen, und damit ich nicht verloren gehe. Ob er mir glaubt oder nicht, er hat keinen Ausweg, weil er hat im Schrank gesucht und hat einen zweiten Besuch gemacht und konnte nichts…keine Bombe finden…konnte nichts finden – bloß, dass ich Deutsch spreche und die Schule besuche, und einen Plan, mit dem er nichts anzufangen wusste, weil er nichts beweisen konnte.
Die dritte Erfahrung, wenn es Sie interessiert, ist, ich habe eine Idee für einen Trickfilm zu machen, mit einem [unklar]. Ich habe vorgeschlagen, dem [unklar]…da ich mit Gingold für Trickfilme gearbeitet habe, und habe drei Trickfilme in Paris gemacht, unter dem Namen Arnaud. Eine Idee war, dass ich einen Film mache für St. Raphael, das war eine Firma, die Aperitifs geschaffen hat…St. Raphael. Es waren zwei Figuren: Eine war schwarz…pardon, weiß, und eine war rot. Also, die hatten den Likör in zwei Farben, weißen Likör und roten Likör. Und ich hatte eine Idee, welche nicht wichtig ist zu erzählen. Und St. Raphael war die Idee wichtig. Wir hatten eine Zeit…es war für einen Dienstag angesagt, dass wir den Vertrag unterschreiben sollen. Ich war so begeistert, dass ich mit meinen Kollegen, Freunden, die ich hatte, mein Geld ausgegeben habe, weil ich wusste, dass ich über Nacht, in zwei Tagen, Millionär werde. Und ich habe einen Renault Agatha, das war eine Maschine, die damals rausgekommen ist, von Renault…Agatha, mit vier Rädern, Bremsen… [Hustet.]
2/00:05:07
Und am Abend, bevor wir unterschreiben, habe ich einen Telefonanruf von den [unklar] bekommen, dass ich mit dem contract…wie heißt das auf Deutsch…Vertrag, warten soll, da die Deutschen in Österreich einmarschiert sind. Es war der Anschluss, und es ist ein Zustand, dass ich mit dem Vertrag warten soll. Und am nächsten Tag hatte ich nichts zu essen. Drei Tage habe ich gehungert. Das war meine erste Erfahrung mit dem Anschluss. Nach drei Tagen habe ich einen Teil meiner Kleider verkauft und habe langsam mich wieder erholt und zu essen begonnen. Es war eine Schande, meinen Freunden zu sagen, was geschehen ist und dass ich ihnen Lügen erzählt habe und dass ich kein Geld habe. Ich habe auch nach Hause geschrieben, meinen Eltern, dass ich mit dem Wagen komme – was nicht wahr war. Ich konnte mir keinen Wagen kaufen. Das war die eine Erfahrung, die ich mit dem Anschluss hatte.
Die andere…vielleicht sind Sie interessiert, das zu hören…war meine Ausreise aus Paris. Im selben Abteil, wo ich saß, saß ein Franzose. Wir sind mit der Bahn gefahren zur Zeit. Es war auch nicht üblich mit dem Flugzeug…es waren Bahnreisen. Und wir mussten durch Belgien. Wir sind von Paris nach Belgien gefahren, von Belgien durch Deutschland. Damals war Hitler-Zeit. Mein Pass trägt den Stempel vom Hakenkreuz. Und so bin ich wieder nach Rumänien zurückgekommen. Im Zug war ein Mann, der blind war…blind sagt man in Deutsch oder nicht?
GW: Blind, ja.
EA: Ja, blind. Und wir…im Gespräch sagte er: „Es ist interessant, dass Sie französisch sprechen, aber Sie sprechen mit einem Akzent. Von wo sind Sie?“ Und ich sagte: „Meine Muttersprache ist Deutsch, und ich bin aus Rumänien.“ – „Oh, wenn Sie Deutsch sprechen, habe ich eine Bitte. Ich besuche einen Arzt in…“ Er hat mir eine Ortschaft gegeben, die ich jetzt vergesse…ein Dorf, das er besucht, um seine Augen zu behandeln. Und er brauchte Tafeln, „Wo ist diese Straße?“, als Blinder, damit er zeigen kann…ob ich es ihm schreiben kann. Und wir hatten ein Gespräch…über die Deutschen und, dass wir über die Juden in Frankreich…arbeiten, um sie loszuwerden. Ich konnte ihm nicht gestehen, weil ich wusste, dass ich mit dem Mann durch Deutschland fahre. Aber die Sache war, ich habe ihm diese Aufzeichnungen, diese Schilder, gemacht und gewusst, wenn wir ins Dorf kommen, wo er aussteigen musste, wollte er mir die Hand reichen und nochmals danken, und ich sagte ihm…ich habe ihm mit dem Gepäck geholfen, dass er hinunterkommt, und ich kann bis heute seine blinden Augen nicht vergessen, wie ich ihm gesagt habe: „Ich bin Jude, und ich kann und will dir nicht die Hand reichen.“ Stundenlang hatte ich den blinden Blick, der mich verfolgt mit dem Wagen…bis heute erinnere ich mich noch. Und wir sind langsam durch Deutschland gegangen. Deutschland habe ich persönlich kennengelernt. Im Restaurant waren Aufschriften: „Hunde und Juden dürfen nicht hineinkommen.“ Ich habe zur Zeit kein jüdisches Gesicht gehabt. Ich habe mehr Deutsch ausgeschaut. Ich war blond und hatte alle Haare und keinen Bart. Die Hitler’sche Armee hat mir geholfen mit meinem schweren Gepäck, und langsam bin ich nach Hause gekommen.
2/00:09:49
GW: Und in Paris, wovon haben Sie gelebt? Von den kleinen Arbeiten?
EA: Ja, von meinen Arbeiten, wie ich Ihnen gesagt habe, mit dem Spanier. Außerdem habe ich Trickfilme gemacht, ich habe Plakate gemacht. Ich habe Plakate oder Künstler gezeichnet.
RA: They are all posters.
EA: You do not have them?
RA: I have them all here. But when you finish, we can…
EA: Ich habe für Kinos Plakate gezeichnet. Und da ich viele, wie ich es früher gesagt habe…für die Lokale, für die Spielboxen…ja. [Rita Arno zeigt Plakate.] Das ist die Marta Eggerth. Das habe ich in Czernowitz gemacht. Marta Eggerth ist Ihnen bekannt?
GW: Nein.
EA: [Lacht.] Marta Eggerth ist eine der berühmtesten Schauspielerinnen aus Österreich.
GW: Ja.
EA: Sie wurde…vor fünf Monaten wurde sie gefeiert, hier in Amerika. Sie ist noch am Leben, sie ist 92 Jahre alt. Sie war die Frau des Jan Kiepura, des Tenors.
GW: Von dem habe ich gehört. Wie heißt sie?
EA: Marta Eggerth.
RA: She is Viennese.
EA: Das Österreichische Institut hat eine--
RA: She is 90?
EA: 92.
GW: Dann müssten wir sie eigentlich kontaktiert haben. Dann muss ich schauen, ob sie bei uns--
EA: --wer?
GW: Dann müssten wir sie eigentlich kontaktiert haben für unser Projekt. Dann muss ich schauen, ob wir sie dabei haben.
EA: Sie ist Nicht-Jüdin. Sie war mit einem Juden verheiratet. Ich glaube nicht, dass sie Jüdin ist. Vielleicht der Sohn…sie hat einen Sohn. Ich weiß nicht, ob er dem jüdischen Glauben nachgeht oder nicht.
GW: Von Paris wollte ich noch fragen, wenn Sie [19]36 nach Paris gegangen sind, da ist der Spanische Bürgerkrieg ausgebrochen.
EA: Ja. Ich habe eine interessante Begegnung gehabt im Zug, mit dem ich gefahren bin, aus Wien. Ich bin nach Wien gekommen, und es ist ein Mann eingestiegen mit einer Holzkiste, statt einem Ranzen. Und wir sind im selben Abteil gesessen. Er hat sich vorgestellt, das er aus…er hat gerade die Verwandten in Wien besucht. Ich musste vom Westbahnhof zum Ostbahnhof wechseln, so war ich eine Nacht in Wien. Und der Mann ist in mein Abteil gekommen. Er war Kommunist, ist aus Wien geflüchtet nach Russland. Und er hat mir Bilder gezeigt, hat langsam angefangen, mir zu vertrauen, und hat mir…das erste Mal, dass ich in meinem Leben Bilder gesehen habe, wie Russland aussieht. Eine Gegend, wie ich sie noch nie in meinem Leben gesehen habe. Der Mann hatte eine Holzkiste und in irgendeiner Zeitung Käse. Das sage ich Ihnen, weil Sie den Bürgerkrieg genannt haben, das war damals der [Francisco-]Franco-Krieg. Und er sagte mir, dass er in die Schweiz geht, und langsam sind wir ins Gespräch gekommen, und ich hatte Vertrauen gehabt, sodass ich ihm sagte, dass ich nach Paris fahre, um Trickfilme zu zeichnen und eventuell zu studieren. Wenn wir in der Schweiz angekommen sind, hat ihn die Polizei erwartet. Er war ungefähr…er war verwickelt in den Mord von [Kurt] Schuschnigg [meint: Engelbert Dollfuß]. Und die Polizei hat ihn gesucht. Er war auf dem Weg nach Spanien, um gegen Franco zu kämpfen. Und als er verhaftet wurde, hat ein Nachbar dort auf den Zug gezeigt: „Der Mann dort ist ein Freund von dem Verbrecher!“ Und zum Glück war er so anständig und sagte: „Nein, der hat nichts mit mir zu tun. Wir haben uns getroffen.“ Das war mein Abenteuer.
GW: Wissen Sie den Namen noch?
EA: Nein, ich kann mich nicht erinnern. Er hat den Krummen gespielt…im Zug hat er gehinkt, und sobald er verhaftet wurde, ist er normal gegangen. [Lacht.] Und es waren in Zivil ungefähr sieben oder acht Leute, die ihn erwartet haben.
GW: In der Schweiz?
EA: In der Schweiz.
GW: Und wo in der Schweiz?
EA: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Lausanne oder…ich erinnere mich nicht mehr. Ja, was möchten Sie noch gerne wissen?
2/00:15:24
GW: War der Bürgerkrieg in Spanien ein großes Thema in Paris?
EA: Es war ein großes Thema in Paris, ja. Der Mann, mit dem ich gearbeitet habe, war Regisseur in Spanien und ist geflüchtet. Und er hat außerdem Schreibmaschinen verkauft. Er war Vertreter der Hermes [Baby]…das waren die ersten kleinen Schreibmaschinen. Und mit dem habe ich zusammengearbeitet. Wir haben Aufnahmen gemacht, er hat Fotografien gemacht, und ich bin manchmal Modell gestanden. Besonders haben wir die Klos, die auf der Straße…da habe ich mich angezogen. Die waren zur Hälfte…haben Sie das gesehen in Paris? Die waren bis zur Hälfte…Sie haben mit der Dame gesprochen, und in der Zwischenzeit habe ich…die sind nicht mehr da. [Lacht.]
GW: Es gibt noch wenige.
EA: Ich habe eine gesehen vor zwei Jahren…vor drei Jahren waren wir in Paris. Ich habe es meiner Frau gezeigt. Aber die, die Sie jetzt gesehen haben, die sind menschenhoch. Zu meiner Zeit waren sie zur Hälfte…ja.
GW: In Paris war auch der Constantin Brâncuși, soweit ich das weiß?
EA: Ja, wir hatten durch den Colin--
RA: --one second…with the little--
EA: --in Paris hatte ich die Idee, ein Kinderbuch zu schreiben. Und es wurde mir durch Dr. Norbert Gingold, der Verbindungen hatte, angeboten, mit einem französischen Schriftsteller das Buch zu machen. Er war der Neffe des berühmten Sacha Guitry, ein berühmter Regisseur und berühmter Franzose, Schriftsteller. Und dem habe ich das Buch gezeigt, und er hat mir…Bas und Beau, das waren die Namen meiner Helden. Bas war der kleine Mann und Beau war der schöne Mann.
[Übergang/Schnitt.]
Aber das Buch ist nicht in Druck gekommen. Ich habe es dann…ich musste Paris verlassen und habe es in Rumänien fertig gemacht, und mein erstes Buch…Kinderbuch mit Handlung über den Krieg und Rassen…schwarz und weiß…die Rassenhandlung des Kinderbuches wurde in Rumänien [19]45 geschrieben und veröffentlicht.
RA: We have a--
EA: --ich werde Ihnen das Buch zeigen. Das war mein erstes Buch. Die Idee ist in Frankreich geboren, aber gedruckt und geschrieben habe ich es in Rumänien, sobald ich aus dem Lager gekommen bin.
GW: Es gibt ein Klischee über Paris und Künstler, vor allem was die Zwischenkriegszeit betrifft, auch mit den ganzen Amerikanern, die dort waren, rund um die Gertrude Stein.
EA: Ich habe nicht recht verstanden.
GW: Ein Klischee vom Paris der Künstler.
EA: Die Künstler…ich hatte…es war eine Erfahrung…die Weißrussen waren sehr geehrt und gelobt in Paris. Es waren zwei Gruppen. Die eine war kommunistisch und die andere…es waren zwei Gruppen. Ich habe als…meine erste Begegnung war in einer Kantine, wo ich als refugié, als Eingewanderter, wo das Essen billig war und russische Damen serviert haben…ein jüdischer Name. Es war eine jüdische Gesellschaft. Und da ich dort empfohlen wurde von einer Russin, dachten sie, dass ich Weißrusse bin, und sie haben mich mit sehr viel Respekt behandelt und sind immer aufgestanden und haben mir Platz gemacht, damit ich mich zum Tisch setze. Und sie haben aber zu mir kein Wort gesprochen.
2/00:20:00
Eines Tages hatte ein Mann den Mut und fragte mich, aus welcher Stadt in Russland ich komme. Ich sagte: „Ich komme nicht aus Russland, ich komme aus Rumänien, aus Czernowitz.“ Und da haben sie den Respekt verloren. [Lacht.] Und sie haben mich dann ganz anders behandelt. Das war meine Begegnung mit den Weißrussen. Das waren jüdische Russen, die Angst hatten vor den Weißrussen. Aber ich habe viele Bekannte gemacht durch den Gingold. Es war eine Versammlung von…der hatte eine große Wohnung…und es war eine Versammlung von Czernowitzer und österreichischen Juden und Nicht-Juden, die einen deutschen Philosophen – ich habe den Namen momentan vergessen – sehr geehrt haben, und haben Sitzungen gemacht und gesprochen, und denen ich beigewohnt habe. Das war meine Gesellschaft. Durch ihn habe ich auch andere Erfahrungen. Ja, mit Brâncuși bin ich bekannt geworden durch Paul Colin, das war mein Professor. Und da ich rumänisch sprach und Brâncuși zur Zeit nicht sehr gut französisch sprach und mein Professor Angst hatte, dass vielleicht muss er einen Übersetzer haben, hat er mich mitgenommen, und ich habe dadurch den Brâncuși kennengelernt. Ich habe sein Atelier besucht. Und wir haben uns gegenseitig gefallen. [Lacht.] Ich besonders war verliebt in Brâncuși. Er hat meine Zeitung der…Colin hat sich mit meinen Zeichnungen gelobt und Brâncuși hat mich gefragt, ob ich irgendeine Zeichnung ihm geben kann. Das war meine erste Ehre. Und er hat mir eine kleine Skulptur gegeben, die ich leider nicht mehr habe. Beim Verlassen von Paris habe ich alles aus meinem Studio verloren. Das war meine Begegnung mit Brâncuși, kurz aber schön. Josephine Baker habe ich auch durch den Colin kennengelernt, weil sie ihn zu der Zeit noch besucht hat im Atelier, und ich hatte Gelegenheit, sie kennenzulernen. Es war im Atelier des Paul Colin, wo auch andere Künstler gekommen sind. [Uhren läuten.] Was möchten Sie noch gerne wissen?
GW: Wie gut war Ihr Französisch, wie Sie nach Paris studieren gegangen sind?
EA: Ob mein Französisch gut war? Zur Zeit war es besser als heute. Eine Sprache, wenn sie nicht…vergessen sie langsam. Ich habe als Kind Französisch gelernt. Aber man vergisst langsam. Ich lese noch sehr fleißig Französisch. Ich habe französische Zeitschriften und Bücher abonniert.
GW: Wo sind Sie politisch gestanden, wo Sie in Paris waren?
EA: Ich habe niemals die Politik gespürt. Ich war auch in Rumänien…ich habe niemals…außer wo ich als Jugendlicher in der Verbindung war und ich habe für den Keren Kayemeth gearbeitet, als Unterstützung für notbedürftige Juden in Israel, damals Palästina…mitgearbeitet habe, um Unterstützung zu geben.
GW: Das war damals in der--
EA: --in der Kadimah.
GW: Für arme Juden in Israel oder für die Emigration von armen Juden nach Israel?
EA: Für die Emigration und…habe ich mitgearbeitet. Ich habe auch indirekt im Lager…habe ich falsche Papier, für die Leute, die den Mut hatten, herauszulaufen aus dem Lager…hatte ich Papiere gemacht…und gefälscht.
2/00:25:00
Was kann ich Ihnen noch sagen? Ja, ich habe niemals einer Partei angehört, und ich bin stolz, dass ich in Rumänien, unter dem kommunistischen Regime, für Zeitungen gearbeitet habe. Und ich habe niemals der Partei angehört. Nicht nur, dass ich ihr nicht angehört habe, ich habe mir erlaubt, Plakate zu veröffentlichen, die das Regime kritisiert haben. Und ich habe sie.
GW: Ich habe gelesen, dass Sie Plakate gemacht haben, die die Bürokratie--
EA: --die kommunistische Bürokratie kritisiert und habe es veröffentlicht.
GW: Was mich sehr gewundert hat, vor allem, dass Sie dann auch noch dafür ausgezeichnet worden sind.
EA: Ich habe sie, und die meisten sind im Museum.
GW: Wie lange waren Sie in Paris? Bis wann?
EA: Ich war in…zwei Monate ungefähr in [19]36, [19]37, [19]38 und ein paar Monate [19]39. Ich musste zurückkommen, weil ich das Militär in Rumänien…ich hatte Aufschub gehabt, und ich musste zurückkommen, um meinen Aufschub zu vergrößern, und ich konnte nicht wegen dem Zustand. Wegen dem politischen Zustand hat man mir keinen Ausweis gegeben. Und ich hatte in Rumänien gedient ungefähr fünf oder sechs Monate. Ich war in der Offiziersschule.
RA: Arno, apropos politics.
EA: I cannot read your--
RA: --can you stop for a second?
[Übergang/Schnitt.]
EA: Um zur Politik zu kommen, die Geschichte habe ich aufbewahrt für später, aber meine Frau--
GW: --die können Sie später erzählen.
EA: Ich kann sie später erzählen, aber damit ich sie nicht vergesse.
GW: Zu Rumänien?
EA: Wollen Sie sie jetzt hören?
GW: Ja, bitte.
EA: Als die rumänische Armee nach Czernowitz einmarschiert ist und wir ins Ghetto gesteckt wurden und Traian Popovici der Bürgermeister war und geholfen hat, dass manche Juden…es waren ungefähr 20.000 Juden…ich dachte, es waren 30.000, aber ich habe nachgelesen in Dokumenten…20.000 Juden gerettet, darunter auch mich, aus dem Ghetto…lebend hinauszukommen. Wir mussten durch eine Prozedur im Rathaus gehen, wo die deutsche Armee und die rumänische Armee zusammen waren und unsere Papiere hatten. Und die suchten nach Leuten, die für die Russen gearbeitet haben, um sie zu bestrafen, und Leute, die aus dem Ausland gekommen waren. Einerseits war es das erste Mal, wo die gefunden haben, dass meine Eltern und ich…meine Eltern haben zur Zeit, wo der Umgang…wo Österreichern zu Rumänen wurden, haben meine Eltern versucht festzustellen, dass meine Geburtsstadt Innsbruck war. Die Rumänen wollten es nicht akzeptieren und meine Eltern Geld gezahlt haben, und die Papiere sind verschwunden. Und ich wurde dann eingetragen als Czernowitz. Die Deutschen, die einmarschiert sind, haben die Papiere gefunden, die meine Eltern eingetragen zur Zeit und versucht haben…und ich musste ein Papier unterschreiben, dass wir wirklich aus Innsbruck gekommen…dass ich wirklich in Innsbruck…aus Innsbruck sind meine Eltern und ich gekommen. Und ich habe das Dokument. Das hat meine Frau erst jetzt vor zwei, drei Monaten aus Rumänien gebracht. Und deshalb bin ich auf einigen Papieren aus Czernowitz genannt und manchmal aus Innsbruck. Ich habe dann später auch Papiere vom Militär bekommen, dass ich in Innsbruck geboren bin. Das war immer eine Geschichte, und ich werde Ihnen die Dokumente zeigen. Meine Geburtsscheine, die zeigen Ort und Geburtsstadt, und Datum ist nicht bekannt…1916, Monat und Tag.
2/00:30:10
Zur Zeit, wo wir im Rathaus waren, hat die rumänische Polizei eine Zeitung gefunden, die erschienen ist unter den Russen: Radwańska Bukowina, wo ich mitgearbeitet habe. Und die haben Karikaturen gesucht und den Karikaturisten Ed Arnold. Die Russen haben mich gezwungen, dass ich meinen Namen Arnold Edelstein in einen weniger jüdischen Namen ändere. Und ich habe ihnen den Namen Ed – von Edelstein gemacht – und Ed Arnold. Und meine Karikaturen waren gezeichnet: „Ed Arnold.“ Und die haben den Ed Arnold gesucht. Im Ghetto war ich noch immer Arnold Edelstein. Die wussten nicht, wer der Ed Arnold war. Und das war mein Glück. Denn vor mir war ein Mann, ein Fotograf, der Trichter hieß. Und er hat für die gleiche Zeitung gearbeitet. Die haben festgestellt, er hat Trichter unterschrieben, und die haben festgestellt, dass er die Aufnahmen gemacht hat. Ich habe Karikaturen gegen Rumänen zu der Zeit gemacht. Ich habe mich lustig gemacht über den Rückzug der Rumänen aus Czernowitz.
GW: Aber zu dem Zeitpunkt, wo die Russen gekommen sind?
EA: Wie die Russen gekommen sind. Er hat Aufnahmen gemacht. Ich kenne die Aufnahmen nicht, aber die…in der Zeit, ich erinnere mich vage an die Aufnahmen.
[Übergang/Schnitt.]
Wo sie die Papiere untersucht haben und [Corneliu] Calotescu der Gouverneur war – der rumänische Gouverneur – und die deutsche Armee gesucht hat, wen man legal erschießen kann, haben die den Trichter erwischt und haben ihn auf der Stelle erschossen. Sie haben ihn hinausgebracht in den Hof und haben Soldaten hingestellt und haben ihn an der Wand erschossen. Und ich habe gezittert, dass ich dasselbe Schicksal haben werde. Und das Glück war, dass ich Ed Arnold gezeichnet habe.
GW: Und das--
EA: --und wo ich herausgekommen bin, habe ich meinem Vater versprochen, dass ich nicht mehr politische Zeichnungen machen werde. Unter den Russen habe ich mir gestattet, den Hitler zu zeichnen, weil das konnte ich nicht vergessen.
GW: Sie haben, glaube ich, im Fragebogen geschrieben, dass der KGB sie gezwungen hat, Ed Arnold zu unterschreiben. Dass die nicht Arnold Edelstein wollten.
EA: Die Radwańska Bukowina hat mich gezwungen, Ed Arnold zu schreiben. Als ich nach Rumänien gekommen bin, als ich aus dem Lager gekommen bin, aus dem Ghetto, aus dem Lager und so weiter, und die Russen sind einmarschiert in Bukarest…und in Bukarest bekam Rumänien…es war ein Kämpfen noch mit den Deutschen in Rumänien…und ich frei war, habe ich für die [Citin] Scanteia gearbeitet, das war eine kommunistische Zeitung. Ich habe nicht der Partei angehört, und ich habe mir aber erlaubt, Karikaturen und Plakate zu veröffentlichen, gegen die Deutschen und gegen Hitler…die veröffentlicht wurden und die ich habe. Und die Deutschen haben noch gekämpft mit den rumänischen Truppen, in Rumänien.
GW: Vielleicht gehen wir nochmal zurück zu der Rückkehr aus Paris…die Geschichte mit dem Blinden und dann die Ankunft.
EA: Ja, ich bin zurückgekommen und habe gedient in Rumänien, ich bin zum Militär gegangen. Ich habe auch gearbeitet vor dem Militär, glaube ich.
GW: Waren Sie in den drei Jahren, in denen Sie in Paris waren, je zu Hause?
EA: Ich war zu Hause. In der Zwischenzeit war ich zu Hause. Ich kann Ihnen nicht mehr das Datum genau nennen, aber ich war zu Hause.
GW: Und Ihre Eltern haben noch im selben Haus gewohnt?
EA: Nein, die haben gewechselt. Die haben in einer sehr schmalen, armen Wohnung gewohnt. Wir haben das Geld verloren durch den Regierungswechsel. Das war auch ein Geldwechsel. Und wenn man in der Nacht…wenn man Millionär war…das ist kein Witz…am nächsten Tag konnten sie eine Henne kaufen.
2/00:35:09
Und dann, als die Deutschen einmarschiert waren, hat man wieder das geändert, und die Juden durften überhaupt…die Juden wurden erschossen in den Straßen. Und mein Vater, mein Bruder und ich waren versteckt, und meine Mutter ist herumgegangen mit einem Tuch…den Stern, wir haben ihn auf der Brust gehabt. Ich glaube, in Deutschland haben sie es auf dem Arm getragen, wir haben es auf der Brust gehabt, den gelben Stern. Sie hat ihn mit einem Schal…den Stern verdeckt, und ist zu einer Stunde gegangen, wo die Juden nicht hinausgehen durften. Und hat effektiv Essen und Früchte und Gemüse gestohlen, um uns am Leben zu erhalten. Das waren die ersten Tage, bis wir dann hinausgenommen wurden und mussten die Straßen kehren und reinigen. Das ist eine andere Geschichte.
GW: Wissen Sie, woher die Sterne gekommen sind? Sind die verteilt worden?
EA: Nein, wir mussten sie selbst machen. Es war die Größe vorgeschrieben, die Farbe, und wir haben sie selbst machen müssen, und wer sozusagen gefangen oder erwischt wurde ohne Stern, der wurde auf der Stelle getötet.
GW: Ist etwas draufgestanden auf dem Stern?
EA: Ja. Und ich habe Erfahrung…auf der Straße mit dem Stern konnte man dich sozusagen festnehmen, wie ein Hund vom Wasenmeister. Ich wurde von der Straße, da ich den Stern getragen habe, festgenommen, um die Juden aus dem Pruth herauszufischen. Es war nach einem…wie sagen Sie…Überschwemmung. Es sind Häuser vom Gebirge gekommen mit dem Pruth. Es waren also Erdstücke mit Häusern, mit Vieh und Leuten auf den kleinen Inseln, sind auf dem Pruth gekommen. Und wir waren gezwungen, die Leute oder die Toten aus dem Wasser zu schleppen und zu begraben. Und wir hatten einen Rabbiner, der das Gebet gemacht hat, und wir haben sie begraben. Als Schwimmer war es mir möglich…ich bin mit einem dieser…mit diesem tretbaren Boot bin ich aufs andere Ufer gegangen, und von dort bin ich weggelaufen und habe mich versteckt. Ich wurde dann später wieder erwischt im Haus. Die wussten nicht…auf der Straße habe ich keine Papiere gegeben. Die haben mich ganz einfach als Arbeiter erwischt. Die wussten nicht, wo ich wohne. Viele haben dasselbe Abenteuer gehabt, und dann wurde ich ins Lager geschickt.
GW: Was mich noch interessieren würde…die rumänische Armee war…ich glaube, das war der Hitler-Stalin-Pakt--
EA: --nein, die rumänische Armee habe ich gemacht, wo Czernowitz noch nicht besetzt war. Im Moment, wo die Russen nach Czernowitz gekommen sind, haben die verlangt, dass die Minoritäten…ich habe nicht in Czernowitz die Armee gemacht. Die Armee habe ich gemacht in Satu Mare und in Klausenburg, also Großwardein ist der Name der Stadt Satu Mare, und Klausenburg heißt Cluj[-Napoca] in Rumänien.
GW: Ja, ich habe vorher überlegt, wie Klausenburg heißt.
EA: Und dort habe ich gedient, und dort war ich Pferdehüter. [Lacht.] Ich habe die Militärschule gemacht und war auch Leutnant in der Armee. Und die Russen haben verlangt, dass ich zurückgebracht werde, zu den Russen. Und das war eine andere Erzählung. Ich musste Rumänien verlassen, und bei der Grenze wurde ich von den Russen gefangen.
GW: Wieso mussten Sie die Armee verlassen?
EA: Mein Bruder war in Czernowitz zur Zeit, und ich war in Rumänien, in der Armee. Und die Russen haben verlangt, dass die Rumänen die Minoritäten, die Czernowitz angehören, hinauslassen nach Czernowitz.
2/00:40:15
Und wir sind zwei Tage bei der Grenze gesessen, um Verhandlungen zu machen, weil die Rumänen, glaube ich – ich weiß nicht sicher –, verlangt haben, dass Leute kommen oder irgendeine Prozedur.
RA: During the army, when the Russians came…when you came home, your father was--
EA: --no, Rita, after the Russian occupation, I still belonged to the contingent. I had to work for the army.
RA: No, you are mixing it up.
EA: No, I do not mix it up.
RA: It is impossible to remember all life like this…and he has a bad habit, he did not make notes. You dropped something, do not worry about it.
EA: Kontingent 1940, es steht: „Innsbruck, Austria, geboren. Edelstein, Arnold.“ [Zeigt ein Dokument.]
RA: For Jews, especially for Jews.
EA: Dass ich als Kontingent [19]40, weil ich damals die Armee gemacht habe…1945.
RA: But it was given--
EA: --it was given. I--
EA: --that is what I am saying, it is [19]41. It has to be, it cannot be [19]44.
EA: Geboren 1916, Innsbruck. Filip, und so weiter.
RA: But we were talking about minorities, so they had to report that.
EA: Ja, es steht nicht da, dass ich…Leutnant…ein Militärlivret für Juden. [Zeigt ein Dokument.]
GW: Was ist das?
EA: Für…in Deutsch ist das für…aus der Gegend Czernowitz.
GW: Das ist der rumänische Name für Czernowitz.
EA: Ja.
RA: So, they had to report, they had to go back under Russian occupation. But Czernowitz was occupied by the Russians, and part of Ukraine, which was Bessarabia. Bessarabia was given back to the Russians, with that Stalin agreed to give Bessarabia back.
EA: An der Grenze, es war die Übergabe der rumänischen Juden. Ich war damals aus der rumänischen Armee sozusagen rausgestoßen, um nach Russland zu kommen. Ich erinnere mich, dass ich bei der Grenze zwei Tage gehungert habe unter den Rumänen. Die haben uns alles gestohlen, was wir hatten, und wir haben nichts zum Essen bekommen. Und nach zwei Tagen haben uns die Russen empfangen und haben uns eine Suppe in einem großen Gefäß gegeben, mit zwei Löffeln. Es war ein Mann, wenn ich heute auf der Straße sehen würde, würde ich auf die andere Seite gehen, weil so hat er gestunken und so dreckig war er. Und ich war so hungrig, wir haben beide von demselben Teller die Suppe gegessen, und ich habe versucht, dass er mir nicht meine Suppe stiehlt. So hungrig war ich.
RA: Can you close it?
[Übergang/Schnitt.]
GW: Wir sind stehengeblieben bei…wie Sie in der rumänischen Armee waren und dass Ihre Eltern noch in Czernowitz waren, das russisch besetzt war, dass die Rumänen Sie zur Grenze gebracht haben und dass Sie sich einen Suppentopf teilen mussten mit jemandem, mit dem Sie ihn eigentlich nicht gerne geteilt haben. Da haben wir aufgehört, bei der Geschichte mit dem Suppentopf.
EA: [Lacht.] Wir haben aufgepasst, wer schneller ist. Es ist merkwürdig, der Hunger…also, ich war damals so hungrig, dass ich nicht geschaut habe, wie schmutzig der Mann war. Und in zwei oder drei Tagen war ich dann zu Hause. Und nachdem ich mich gesättigt habe – meine Mutter hat uns serviert –, habe ich bemerkt, dass irgendwie Lippenstift meiner Mutter auf dem Glas ist. Und ich habe sie darauf aufmerksam gemacht. Also nachdem ich satt geworden bin, bin ich wieder ins Normale gekommen. Das ist mir zurückgeblieben. [Lacht.] Ich war nicht so aufmerksam bei dem Mann. Wenn ich ihn jetzt sehen würde, gehe ich auf die andere Seite rüber.
2/00:45:35
GW: Und die Suppe haben Sie schon von den Russen bekommen?
EA: Ja, es war mehr Schüssel als Teller, und zwei Löffel. Und wir haben es uns geteilt. Das war das ganze Essen. Aber nach drei Tagen Hungern war es etwas.
GW: Und haben die Russen Sie noch festgehalten, dort an der Grenze?
EA: Nein, ich erinnere mich nur, dass die rumänischen Bauern, die gekommen sind, um uns mit dem Gepäck zu helfen, haben mit den Bajonetten das Gepäck durchsucht und haben gestohlen. Und ein rumänischer Offizier, der auch gestohlen hat, wurde vor uns degradiert, und die haben ihm…es ist ein General gekommen und hat ihm die Plaketten heruntergenommen, vor uns, und das war eine Schande für die Rumänen. Er wollte es auch vor den Russen zeigen, dass es ein Gesetz gibt.
GW: Sind Juden abgeschoben worden oder nur Juden, die in der Armee waren?
EA: Ich weiß von den Juden, die in der Armee waren. Ich kann mich nicht an Zivilleute erinnern. Es ist bestimmt nicht diese Grenze gewesen, es war wahrscheinlich ein anderer Punkt. Es waren von allen Regimentern…es war auch mein Glück, ich habe dadurch die rumänische Armee unterbrochen. Ich war bloß ein paar Monate.
GW: Wie lange hätte es sonst gedauert?
EA: Ich glaube…ich bin nicht sicher…vier oder fünf Monate. Das war genug. Es hätte nicht mehr gedauert als ein Jahr. Aber vielleicht bei mir war es eine Ausnahme. In der rumänischen Armee wurde ich ein paarmal bestraft. Ich wurde bestraft dadurch, ich habe zum Beispiel einen Offizier angesprochen und wollte wissen, ob er mir die Erlaubnis gibt, draußen irgendwie [unklar] zu haben. Und er hat mich bestraft für die Frechheit, dass ich ihn das frage, und hat mir Nachtdienst gegeben für einen Monat. Und ich hatte solche Zufälle. Ich bin einmal ins Restaurant gegangen, und das war ein sehr elegantes und für Offiziere spezielles…es war auf der ungarischen Seite, in Siebenbürgen. Und dort war ein Offizier von meinem Regiment, und er hat mich auch bestraft. [Lacht.] Es waren sehr viele Zufälle. So, dass es glücklicherweise mit den Russen geendet hat, aber unter den Russen habe ich mehr gelitten als unter den Rumänen. [Uhren läuten.]
GW: Und in Siebenbürgen waren auch viele Ungarn nehme ich an?
EA: Ja, aber mit den Ungarn haben wir uns vertragen. Die Ungarn waren sehr national. Wenn Sie nicht ungarisch gesprochen haben, haben sie es sehr schwer gehabt, irgendwie etwas zu kaufen oder irgendwie etwas zu bekommen. [Uhren läuten.] Ich erinnere mich, ich habe ein paar Worte Ungarisch gekannt, weil ich die Armee dort gemacht habe, und ich hatte ein Auto und bin mit dem Wagen…ich hatte irgendwas zu reparieren. Und wie ich gekommen bin, habe ich auf Ungarisch Guten Tag gesagt. Und die nächsten Sätze habe ich rumänisch gesprochen, weil ich nicht wusste, wie. [Lacht.] Und die waren sehr geärgert, dass ich nicht ungarisch spreche, dass ich mich schäme, ungarisch zu sprechen, und die wollten mir den Wagen nicht richten. [Lacht.] Das waren die Ungarn, die waren sehr national.
GW: Und Sie sind dann direkt von der Grenze nachher nach Czernowitz zu Ihren Eltern gefahren?
EA: Von der Grenze bin ich direkt nach Czernowitz gegangen, ja.
2/00:50:05
GW: Und Ihre Eltern waren die ganze Zeit über in Czernowitz?
EA: Die Eltern waren in Czernowitz, mein Bruder war in Czernowitz. Es war zur Zeit, wo er verheiratet wurde, sodass ich noch rechtzeitig gekommen bin. Und die ersten zwei Monate war es ziemlich schön. Die Russen haben Propaganda gemacht und haben irgendwie…sie waren sehr freundlich. Aber sofort nach ein oder zwei Monaten habe ich es verflucht, dass ich nach Russland gekommen bin. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich Selbstmord verüben wollte – obwohl ich eine Stellung gehabt und für die Radwańska Bukowina, das war eine ukrainische Zeitung, gearbeitet habe. Und ich habe eine Stelle gehabt, eine Position, und dann habe ich fürs Kino Plakate gemacht. Aber ich konnte das Leben unter denen nicht vertragen. Es war stets die Angst, dass man irgendwie…wenn die irgendeinen verhaftet haben und Sie zufällig dabei waren…zufällig sind Sie als Nachbar gekommen und haben gefragt, wie spät es ist, weil meine Uhr stehengeblieben ist, dann haben die Sie mit dem anderen verhaftet und nach Sibirien gesandt. Das war die Situation. Sie waren sich niemals sicher für den nächsten Tag.
GW: Haben Sie Leute gekannt, die nach Sibirien gekommen sind?
EA: Ja, ich habe Verwandte, die nach Sibirien…die dreizehn, vierzehn Jahre in Sibirien gelebt haben. Ich habe auch einen Freund, der jetzt in Israel ist, der war ungefähr so viel…er war Ingenieur in einer Fabrik, und es hat einen Kurzschluss gegeben – es war der 1. Mai – und die haben ihn beschuldigt, dass er Sabotage gemacht hat. Und ich hatte auch zufällig…ich war Kunstdirektor einer Kinderzeitung, und ich hatte den Auftrag gehabt, eine Mappe von Rumänien zu machen. Und das war unter den…nein, das war schon in Bukarest, pardon. Das war auch unter den Russen, das ist eine andere Geschichte…nicht damals in Czernowitz. Es war aber auch unter den Russen. Das war, als ich in Bukarest war, nicht in Czernowitz. Das werde ich Ihnen später erzählen. Ja, aber es war sehr schlecht. Für jede Sache musste man Schlange stehen…Nächte! Wenn Sie Schuhe kaufen wollten, mussten Sie die Nacht über Schlange stehen.
GW: Das war schon 1940/41?
EA: 1940. Und am nächsten Tag haben sie gefragt: „Wer will Nummer 40?“ Weil ich suche Nummer 43, und die Leute haben dann getauscht. Es war fürchterlich. Es gab kein Papier, um einen Brief zu schreiben. Wir haben effektiv auf Holzrinde geschrieben, wie im Mittelalter. Und von Klosettpapier war keine Rede, es war fürchterlich.
GW: Und wie haben Sie es dann mit dem Zeichnen gemacht?
EA: Mit Zeitungen, mit Blättern von Bäumen…es war fürchterlich.
GW: Wie war die Reaktion in Czernowitz, wie der Krieg dann ausgebrochen ist?
EA: Als der Krieg ausgebrochen ist, sind die Leute in ein…die waren irgendwie froh, dass irgendwie die Rumänen zurückkommen, aber das Unglück war es, dass sie mit den Deutschen gekommen sind. [Lacht.] Und die waren Nazis, das war noch ärger. Und wir waren versteckt, mein Bruder, mein Vater und ich. Wir waren einen Monat lang versteckt, und wir durften überhaupt nicht rauskommen, weil junge Leute – Männer, speziell – wurden auf der Stelle getötet…erschossen, von den Deutschen oder von den Rumänen, die zeigen wollten, wie national sie sind und welche Freunde sie den Deutschen sind.
GW: Waren die Rumänen schlimmer als die Deutschen?
EA: Die waren irgendwie mehr unzivilisiert. Ich kann Ihnen bloß sagen, die Deutschen haben gemordet mit Handschuhen und die Rumänen ganz einfach, die haben sie ermordet. Die Deutschen…es war wirklich…die haben die Rumänen gestoßen, dass sie die schmutzige Arbeit machen.
2/00:55:36
GW: Wie sehr war das bemerkbar, dass auch Österreicher dabei waren, bei den Deutschen?
EA: Nein, das kann ich nicht sagen, weil die Österreicher, die in Czernowitz geboren sind, die haben sich nett…wir hatten vielleicht zwei oder drei Fälle, aber im Allgemeinen habe ich schöne Erinnerungen. Ich glaube, ich habe es Ihnen auch geschrieben, dass ich wirklich rührende Erzählungen von bekannten Leuten, von Laurent Tabor und sein Onkel, da habe ich den Namen vergessen, und die haben sich wirklich wunderschön benommen. Wir haben kleine Päckchen immer gemacht für die Eltern. Bei Tabor erinnere ich mich an eine schöne Geschichte. Ich habe fürs Kino gearbeitet, und er war Direktor, und er hat mich gekannt von früher. Und da war ein Freund meines Bruders, der in derselben Bank gearbeitet hat…er war auch Direktor einer Bank, Banca de Credit hat sie geheißen. Der hat übernommen und hat das Kino gehabt mit seinem Onkel, der Baron oder Graf war, ich erinnere mich nicht mehr. Der hat mir immer eine Zugabe gegeben und hat irgendwie gesagt: „Arno, wenn du das Plakat machst und viele Leute drauf sind, dann zahle ich dir mehr.“ Und es war ein Film mit der Sonja Henie, und ich habe ein [unklar] bekommen, in schwarz und weiß, um ein Plakat zu machen. Und es war bloß…sie ist eisgelaufen und…haben Sie gehört von Sonja Henie? Eine der größten Eisläuferinnen der Zeit, Künstlerin. Sie war aus Norwegen, glaube ich. Aber sie war amerikanische Schauspielerin. Und ich habe ein riesiges Plakat, zehn Meter lang und drei Meter hoch…und in der Mitte ist die Sonja Henie gestanden, und es waren Häuser ringsum. Es waren keine Leute. Und das Plakat war noch im Keller, nass. Es war noch nicht zum Herausnehmen. Und Laurent Tabor kommt und sagt: „Arno, wie viele Leute hast du heute gemalt?“ Und ich sage: „Ach, da habe ich 80 Leute gezeichnet.“ Und er sagt: „Kann ich das Plakat sehen?“ Und es war bloß die Henie drauf. [Lacht.] Und als er das Plakat gesehen hat, ist er irgendwie rot geworden, dass ich mich über ihn lustig mache. Und mir ist zufällig die Idee gekommen, und er fragt mich: „Wo sind die 80 Leute?“ – „Es ist kalt, die sind in den Häusern drinnen.“ [Lacht.] Und es war mein Witz, der sozusagen unsere Freundschaft gerettet hat. Und er hat mir eine größere Summe gegeben, wegen dem Witz, den ich gemacht habe. [Lacht.]
GW: Das ist gut. Und in welchem Jahr war das?
EA: Das war, glaube ich, [19]41/42…sowas…um diese Zeit. Das war die Zeit, wo ich aus dem Ghetto rausgekommen bin. Das war unter dem Popovici, der sozusagen Leute gerettet hat. Wir waren ungefähr 20.000 Leute, die gerettet wurden. Manche von uns sind dann später gestorben, aber aus anderen Gründen. Und manche, darunter auch ich, wurden dann wieder ins Lager gesteckt. Da konnte er nicht…Popovici hat mit dem rumänischen Ministerium gekämpft.
GW: Wann hat das Ghetto angefangen?
EA: Das ist mehr schwer…ich muss nachsuchen. Ich muss in meinen Papieren nachsuchen, weil es ist mir schwer, die Jahre genau zu nennen. Aber ich habe es irgendwie geschrieben in den Vorlagen, die ich Ihnen gesandt habe. Ich habe es nachgesucht. Ich möchte keine Fehler machen. Das Ghetto hat bloß zwei oder drei Wochen gedauert, weil durch den…die Rumänen und die Deutschen haben sich sehr beeilt und haben die Juden ins Ghetto gesandt. Und darunter waren sehr viele Spezialisten: Elektriker, Gasbeamte von den tramways…Sie wissen, was tramways sind?
GW: Ja, wir haben das in Wien noch.
EA: Ja, Sie haben es noch in Wien? Wir hatten eine tramway. Ich glaube, Czernowitz hatte die tramway vor Wien. Es ist möglich.
2/01:00:46
Die haben uns ins Ghetto geführt, und am nächsten Tag war die Stadt ohne Licht, ohne tramway, weil die Spezialisten im Ghetto waren. Und die haben bemerkt, dass sie einen Fehler gemacht haben. Und diesen Fehler hat der Popovici, der Bürgermeister war, genutzt, um viele Juden herauszunehmen, um die Stadt wieder…um unter anderem wieder Licht zu machen. Ich hatte das Glück, als Spezialist herauszukommen. Und ich habe die Bedingung gestellt, dass ich es annehme, sobald meine Eltern auch gerettet werden. Und so habe ich auch meine Eltern gerettet. Meine Tante, die die Schwester meiner Mutter war, hatte das Pech und wurde nach Transnistrien geschickt. Das waren die ersten Transporte. Und sie wurde in Transnistrien dann gleich, in der ersten oder zweiten Woche, habe ich gehört…sie war Lehrerin, und sie wurde aus der Klasse mit fünfzehn Kindern herausgebracht und auf der Stelle erschossen…in Transnistrien. Und so sind sehr viele Bekannte gestorben. Im Ghetto habe ich auch meinen Onkel verloren, den Bruder meiner Mutter. Er wurde angeschossen vom rumänischen Militär, auf der Straße, bei seinem Haus. Und am selben Tag wurde er ins Ghetto geliefert, und er hatte einen Herzschlag und ist vor meinen Augen im Ghetto gestorben. Und viele andere…
GW: Wie viele Menschen waren im Ghetto in Czernowitz?
EA: Es waren alle Juden im Ghetto.
GW: Wie viele Juden haben in Czernowitz gelebt?
EA: Ursprünglich waren wir, glaube ich, 100.000. Es sind dann…zwischen 60.000 und 100.000 wurden ins Ghetto geführt. Ich kann es Ihnen nicht genau sagen. Aber der Popovici schreibt darüber, und als Bürgermeister hat er die Papiere und die Namen gehabt und wusste es genau. [Pause.]
Als ich aus dem Ghetto herausgekommen bin als Spezialist, hat die deutsche Armee ein Zeugnis gefunden, dass ich aus Innsbruck komme. Ein Zeugnis, das ich die ganze Zeit nicht bekommen konnte. Und das habe ich durch den…wie heißt das…Rathaus, wo die deutsche und die rumänische Armee…ich habe das Zeugnis noch. Und ich musste es unterschreiben. –„Ja, es ist wahr, dass ich aus Innsbruck komme.“ Meine Eltern und ich.
GW: Und hat das etwas an Ihrer Situation geändert?
EA: Das Zeugnis? Das Zeugnis hat mir auf der Stelle geholfen.
Ende von Teil 2.
Teil 3
12. Dezember 1998
GW: This is tape three of an Austrian Heritage Collection interview with Ed Arno, conducted on December 12, in New York City, by Gregor Weiss.
EA: Ich glaube, das betont zu haben, wie irgendein Kollege auf der Stelle erschossen wurde. Es ist Ihnen bekannt? Das habe ich Ihnen genannt, glaube ich.
GW: Ich glaube.
EA: Ich glaube, ich habe es genannt. Ich möchte es nicht wiederholen.
GW: Es ging um Ihre Namensänderung.
EA: Trichter…er war ein Fotograf, der vor mir erschossen wurde. Und ich hatte Angst, dass ich…dadurch, dass ich zwei Namen hatte, das hat mich gerettet. Und das hat mich auch gerettet, dass ich mehr den Österreichern angehöre als den Rumänen. Das war mein Glück.
GW: Dass Sie das Zeugnis bekommen haben, dass Sie aus Innsbruck sind…dass das aufgetaucht ist bei den Deutschen.
EA: Ja, bei den Deutschen ist es aufgetaucht. Meine Eltern haben immer angesucht, dass ich meinen Geburtstag feststelle, und in meiner Jugend war es eine Plage. Ich habe Ihnen erzählt, dass ich…aus Innsbruck ist meine Mutter nach Czernowitz geflüchtet. Und dann ist sie in viele Städte, in die ich nicht…ich war ein Kind, ich kann mich nicht erinnern, wohin wir geflüchtet…aber die ganze Familie. Und sie haben mich sehr spät eingetragen und konnten nicht genau den Tag und den Monat nachweisen. Ich habe Zeugnisse sowohl von den Österreichern als auch von den Rumänen, dass Tag und Jahr und Ort nicht bekannt ist. Und sie haben dann bestochen die rumänischen Beamten, als ich in die Schule musste, in die Volksschule, und wurde sozusagen getauft, dass ich in Czernowitz geboren wurde, damit ich die Schule besuchen kann. Ich habe auch Zeugnisse, wo es sagt: „Nicht bekannt.“
GW: Sind Sie in eine Wohnung zugeteilt worden, im Ghetto?
EA: Wohnung ist ein bisschen übertrieben. Es war ein Zimmer, wo wir zwanzig oder 30 Leute…auf einem Fußboden geschlafen…es war ein Polster. Und einer…ich erinnere mich: „Schlaf schnell, ich möchte den Polster!“ [Lacht.] Es war bloß ein Polster. Wir waren zwanzig oder ungefähr 25 Leute in einem Zimmer. Und der Humor hat uns geholfen.
GW: Und da war Ihre Familie beisammen?
EA: Ja, unsere Familie war zusammen. Das war nicht…wenn man das Glück hatte, dass sie zusammen gewohnt haben. Zur Zeit, wo sie die Leute ins Ghetto gestoßen haben, habe ich für eine Fluggesellschaft gearbeitet, vis-à-vis dem Rathaus. Und ich sah Leute laufen, auf der Straße, und ich wusste nicht, was geschehen ist. Und ich habe gesagt: „Was ist geschehen?“ – „Wir müssen ins Ghetto.“ – „Wieso?“ – „Du weißt das nicht?“ Ich habe gearbeitet in einem…eine spezielle Stelle hatte. Und ich bin nach Hause gelaufen und habe noch meine Mutter getroffen, in der Verzweiflung, vor der Wohnung, in der wir 30 Jahre gewohnt haben, oder ich weiß nicht…ungefähr, meine Eltern haben da noch länger gewohnt. Sie ist mit einem Topf Kohle hinausgelaufen, weil mein Vater Schneider war, und es waren damals die Bügeleisen mit Kohle – das einzige, was sie gerettet hat. Und ich habe meine Mutter beruhigt und habe die Kohlen weggeworfen, weil sie hatten keinen Wert, und wir sind absolutely, sozusagen, nackt, ohne etwas gekommen, weil die Deutschen sind mit den Maschinengewehren dagestanden, und die Rumänen haben uns getrieben wie Viehstücke. Und dadurch war ich mit den Eltern zusammen. Mein Bruder war separat. Er war verheiratet und ist mit seinen Schwiegereltern zusammen irgendwie ins Ghetto…sind in das Ghetto gekommen. Sie sind hinausgekommen durch eine andere Tür…ich weiß nicht, wir haben niemals darüber gesprochen.
3/00:05:00
GW: Und was war Ihre spezielle Ausbildung? Sie haben gesagt, Popovici hat vor allem dann die--
EA: --ja, durch den Popovici habe ich irgendeine Stelle bekommen im Ministerium und habe auch als Zeichner, als Künstler…und habe dadurch gearbeitet. Es ist merkwürdig, ich habe auch ein Zeugnis gefunden vor drei Tagen…ein Zeugnis, an das ich mich nicht mehr erinnert habe. Die haben mich aus dem Lager hinausgezogen und haben eine Ausstellung in Czernowitz gemacht, eine Kunstausstellung über die Wiedergutmachung Czernowitz’. Und da sie keine Künstler hatten, haben sie die Künstler aus den verschiedenen Lagern herausgenommen. Und ich habe das…ich werde Ihnen das Zeugnis zeigen. Es steht: „Wir bestätigen, dass der Jude soundso in dieser Kunstarbeit für die Ausstellung gearbeitet hat.“ Und das war mein Glück. Das ist mir einige Male so…ich habe hier eine Zeichnung aus einer Kirche in Rumänien gefunden. Die haben ein…wie heißen diese frommen Bilder, die…wie nennen sie das? Die Heiligenbilder? Und ich habe in einer Kirche ein heiliges Bild gemalt, und die haben mich herausgeworfen, als sie erfahren haben, dass ich Jude bin. [Lacht.] Das Bild war nicht so koscher. [Lacht.]
GW: Wann war das?
EA: Das war nicht unter der Verfolgung. Das war als Student. Als Studenten wurden wir…das war noch die vormilitärische Bildung, und sie haben uns in ein Dorf gesandt als Studenten. Und wir haben dort…unsere Arbeit war…es war in Rumänien und die Grenze mit der Tschechoslowakei und Ungarn, Moichen [Mohu] hat es geheißen. Es war ein verwildertes Dorf, wo die Leute überhaupt nicht wussten, was es heißt, Seife oder Wasser…alle waren syphiliskrank. Und unser Auftrag war, die Leute irgendwie wieder zu erwecken…zur Zivilisation zu bringen. Und aus Furcht haben wir am Boden geschlafen, weil die Frauen uns angreifen wollten. [Lacht.] Wir wussten, dass sie Syphilis haben, und die waren geschlechtskrank. Syphilis war damals bekannt als…die „Rote Rose“ hat es geheißen, aus dem Rumänischen übersetzt. Und zu jener Zeit haben die uns andere Arbeiten gegeben, und ich habe für die Kirche gearbeitet, als Student. Also ein Offizier hat mich hineingestellt und hat das als keinen Fehler gefunden. Der zweite Offizier hat es einen Fehler gefunden, weil ich Jude bin, und hat mich rausgeworfen. [Lacht.] Das war eine andere Sache. Das war das Leben in Rumänien…bevor die Deutschen gekommen sind. Ich hatte auch solche Zufälle beim Militär.
GW: Auf welchen Sprachen sind--
EA: --das war Rumänisch.
GW: Sind im Ghetto Aushänge gemacht worden?
EA: Im Ghetto haben wir deutsch gesprochen, die Juden, und die Soldaten haben rumänisch gesprochen. Aber wir haben schon damals Rumänisch gekannt. Unter den Rumänen waren wir damals bereits zehn, zwanzig Jahre, 30 Jahre. Es hing ab vom Alter. Also im Jahr [19]40, wie alt war ich damals? Weniger sechzehn…da war ich 31 [meint: 24] Jahre alt.
GW: Und die Aushänge sind auf Deutsch ausgehangen worden, oder auch auf Rumänisch?
EA: Was?
GW: Von der Ghetto-Kommandantur oder vom Militär.
EA: Die haben es übergeben den Rumänen. Die Rumänen haben das durchgeführt. Die waren nur Zeugen dabei, ob es richtig gehandelt wird.
GW: Nach wie vielen Wochen sind Sie ins Ministerium gekommen, durch den Popovici?
EA: Ich glaube, nach zehn oder zwölf Tagen bin ich hinausgekommen. Die Leute, die in den ersten Transporten rausgesandt wurden, sind alle umgekommen in Transnistrien. Dann später sind Züge gekommen. Später sind wir ins Lager gekommen…kleine Lager, und die haben den Auftrag gehabt, Straßen zu reinigen. Und man wusste niemals, welche Straßen gereinigt werden. Also, unter der Reinigung…ich habe ein Buch illustriert. Ich habe das Buch, welches geschrieben wurde von einem anderen, aber ich habe es illustriert, wo es dazu steht. Und der Titel des Buches ist Samstag wird es deportiert [meint: Jeden Samstag wird deportiert]. Aber man wusste nicht, welche Straße gereinigt wird. Und die Leute haben einfach auf dem Gepäck geschlafen und gewartet, dass diese Straße…die haben ganz einfach mit dem Tod gespielt, damit die Nervosität der Leute wirklich gespannt ist. Es war irgendwie…wie eine mittelalterliche Plage. Und einmal war es die Straße im Norden, die Straße im Süden, die Straße in der Mitte der Stadt, und die wurden transportiert. Und in einem der Transporte wurde auch ich nach Transnistrien geschickt.
3/00:11:19
GW: Wie hat sich das abgespielt, dass die Straße deportiert wird?
EA: Die sind über Nacht gekommen, haben die Leute verhaftet, haben den Transport gemacht, haben uns in Viehwaggons verladen und haben uns nach Transnistrien, über den Dnestr [Nistru]…das heißt Transnistrien, der Dnestr ist ein Fluss, der Rumänien und Russland begrenzt hat. Dort habe ich in einer Fabrik gearbeitet, in einer Gießerei.
GW: Das war nach dem einen Monat? Oder wie lange haben Sie dann im Ministerium gearbeitet, durch Popovici?
EA: Ich kann mich wirklich…ab und zu, weil ich wurde hinausgenommen, in ein Lager geschickt, wieder herausgenommen, wieder gearbeitet…wie ich für die Kunstausstellung…das war sozusagen…you are going out?
RA: Just for a second.
GW: Und in welches Lager sind Sie gekommen, das erste Mal? Wie man Sie aus dem Ghetto deportiert hat, in welches Lager sind Sie gekommen?
EA: Ich war in Crivești. An den Namen erinnere mich, Crivești…Strunga…und dann war ich…das sind meine Uhren. [Uhren läuten.]
GW: Man hört es sehr stark…das Hintergrundgeräusch. [Uhren läuten weiter.]
EA: Die Stadt in Transnistrien hat Mogilew [Mahiljou] geheißen. [Uhren läuten.]
GW: Wie viele Leute waren in Mogilew interniert?
EA: Eine Zahl kann ich Ihnen nicht sagen, weil es waren verschiedene Abteilungen…es war eine Menge.
GW: In welchem Jahr sind Sie in dieses Lager gekommen?
EA: Es war ungefähr [19]42, mit Unterbrechungen. Viele meiner Freunde sind dort gestorben, die hatten nicht so Glück wie ich, dass die einen Beruf hatten…einen Beruf, der einen als Künstler ausgenommen hat, oder so. Es waren zufällige Fälle.
GW: Sind Sie mit Ihren Eltern gemeinsam deportiert worden?
EA: Das letzte Mal wurden meine Eltern und ich ins Lager geschickt. Sonst war ich allein. Einmal war ich mit meinem Bruder zusammen. Und ich erinnere mich, wir waren in einem Dorf, und man sagte uns: „Hier wird euer Lager sein. Momentan müsst ihr auf der Wiese schlafen, und morgen beginnt ihr, die Bäume zu fällen und die Kabane zu bauen.“ Und es war Regen, und wir haben auf dem Feld geschlafen mit unserem Regenmantel unter dem Kopf, und das war unser Bett.
GW: Welche Jahreszeit war das?
EA: Das war im Spätsommer. Es war nicht im Winter. Es war im Sommer…zum Glück.
3/00:15:16
GW: Das war aber nicht Mogilew?
EA: Nein, das war noch in Rumänien, das kleine Lager.
GW: Wie hat der Tagesablauf in so einem kleinen Lager ausgesehen?
EA: Wir wurden als Arbeiter…zuerst mussten wir die Bäume fällen und die Kabane bauen. Und wir haben die Kabanen gebaut nach deutschem Muster, so wie Sie es gesehen haben in Auschwitz und so weiter. Es waren Stufen…das waren die Kabanen. Wir hatten auch Kabanen unter der Erde. Wir haben Gruben gemacht und mit Erde…also Ballen gelegt und mit Erde bedeckt. Das waren andere Stellen. Zur Zeit haben die Eis aufbewahrt. Es war sehr primitiv. Viele sind dort gestorben bei der Arbeit, aus Krankheit. Die waren physisch nicht gesund genug, um es durchzuhalten. Es war keine lustige Arbeit.
GW: Wie alt war ihr Vater damals?
EA: Also das war [19]42…26 Jahre war ich alt.
GW: Und Ihr Vater?
EA: Mein Vater war damals nicht im Lager in Transnistrien. Die haben die alten Leute nicht ins Lager gesteckt. Und die waren geschützt dadurch, dass wir gearbeitet haben, und die durften nicht. Die Eltern durften nicht. Die haben irgendwie…scheinbar durch Popovici, dadurch waren auch die Älteren irgendwie geschont. Ich weiß nicht, wie es bei anderen Familien war. Wir sind sehr wenige zurückgeblieben, die am Leben sind.
GW: Eine Frage, die vielleicht blöd klingt…ich habe einmal versucht, einen Baum zu fällen. Das ist nicht so einfach.
EA: Ja, es war nicht einfach, und wir haben es gemacht. Wir haben gesägt, wir haben Steine getragen, wir haben Schützengraben gemacht, um die Russen aufzuhalten. Es war eine Zeit…ich war in einem Lager, Dora, dort wurde ich verwendet…es war schon mehr oder weniger fortgeschritten, und die haben mich verwendet mit einem Goniometer…ein Goniometer ist ein Feldmesser…um Kasematten…Sie wissen, was Kasematten sind? Kasematten sind die…wie heißt das auf Deutsch? Es ist ein Steingebäude, welches aus Zement gegossen wird, und die Leute…der Soldat ist im Schützengraben und wartet, dass die tanks angreifen…das ist eine Kasematte. Und wir haben diese Kasematten gebaut, um die Russen aufzuhalten. Es war nach Stalingrad. Und ich wurde damals verwendet dadurch, dass ich Zeichner war und ein Kollege, der aus Siebenbürgen war, wir haben gearbeitet mit einem Goniometer, um das Feld und die Straßen zu messen und die Kasematten zu bauen. Und es war eine Organisation Todt…haben Sie gehört von der Organisation Todt? Es war eine Abteilung, die auch vorbereitet war, die aufzuhalten…die Deutschen [meint: Russen] aufzuhalten. Und die haben russische Gefangene verwendet. Und eines Tages haben die ein Goniometer gebraucht. Ich weiß nicht, wie die deutsche Armee, die Organisation Todt, plötzlich ohne Goniometer war. Und die sind gekommen zu der rumänischen Seite, um ein Goniometer zu leihen. Und da ich deutsch gesprochen habe, haben die das Goniometer mit mir ins Lager geführt. Und ich war im Lager unter Todt für zwei Tage, mit russischen Gefangenen.
3/00:20:38
GW: Sind die russischen Gefangenen anders behandelt worden als die Juden?
EA: Ja, die durften nicht sagen, dass sie Juden sind. Wenn die sagten, dass sie Juden sind, wurden sie auf der Stelle getötet. Zwei, drei hatten den Mut und haben mir gesagt, dass sie Juden sind. [Hustet.] Später, nach dem Abzug aus dem Ghetto habe ich viele Kadaver gesehen auf den Straßen, und da waren auch die gefangenen Russen, die ermordet wurden von den Deutschen…erschossen.
Ja, als ich befreit wurde aus dem Lager…mit Hilfe der Russen, die mich befreit haben, und ich bin nach Bukarest gekommen, habe ich begonnen…Hitler war noch am Leben, und die deutsche Armee und die russische Armee haben noch gekämpft, in Rumänien. Und ich hatte den Mut, Karikaturen und Plakate zu machen, die ich Ihnen zeigen kann, und sie zu veröffentlichen.
GW: Sie haben gesagt, wie die Deutschen einmarschiert sind in Czernowitz, und die Rumänen, dass Sie nie wieder politische Karikaturen machen werden.
EA: Ja, die Karikaturen…das waren andere Karikaturen, die ich gemacht habe unter den Russen, wo ich mich lustig gemacht habe über die Rumänen, weil die Rumänen waren damals ziemlich arm. Statt Pferde haben sie Viehstücke, Kühe und Ochsen, verwendet, und ich habe mich lustig gemacht in Karikaturen. Und die haben mich gesucht, aber ich hatte Glück. Ich habe Ihnen gesagt, ich habe unter dem Namen Ed Arnold gezeichnet. Das war mein Glück. Die haben den Ed Arnold gesucht, und in den Papieren war ich Arnold Edelstein, das war ein Unterschied.
GW: Wie war das, wie die Russen…in welchem Lager waren Sie, wie die Russen Sie befreit haben?
EA: In Mogilew.
GW: Hat sich am Verhalten der Deutschen in den letzten Tagen vor der Befreiung etwas geändert? An dem Ablauf im Lager, mit der näher rückenden Front?
EA: Nein, inwiefern? Die Lager wurden aufgelöst. Als die Russen fortgeschritten sind, wurden die Lager aufgelöst. Die rumänischen Juden sind dann in den Norden Rumäniens geflohen. Viele Czernowitzer, die sozusagen die Eltern in Czernowitz oder nicht die Russen kannten, sind in den Norden zu den Russen gelaufen, und wurden von den Russen getötet. Es waren die Ukrainer, die Aufstände gemacht haben und haben die Juden verfolgt und haben…als russische Soldaten. Es war nicht leicht.
GW: Wie viele Tage waren Sie nach der Befreiung noch im Lager?
EA: Ich will Ihnen etwas erzählen über ein…wie ich aus dem Lager gekommen bin, und ich bin in ein jüdisches Dorf…nein, es war eine jüdische Stadt, halb jüdisch, halb rumänisch…Bakau [Bacău] hat das geheißen. Und ich habe mich gerettet mit anderen Freunden, und wir haben gewohnt in einem Keller. Einer hat mit uns Mitleid gehabt, und wir haben gewohnt im Keller. Die Russen haben Fortschritte gemacht, sind immer…die haben besetzt. Die Bauern sind ins Gebirge geflüchtet und haben sich dort versteckt, die rumänischen Bauern. Die Juden sind geflüchtet…wer Geld hatte, ist geflüchtet nach Bukarest oder nach Israel…wenn er genug Geld hatte und hinausfahren konnte.
3/00:25:42
Ich hatte kein Geld. Ich bin aus dem Lager hinausgekommen und habe mich mit anderen Freunden gerettet, wie ich gesagt habe, in einem Keller. Auf dem Weg, das war ein anderes Bild…von dem Lager zu dem Keller. In Focșani war der Keller. Wir sind damals ungefähr 30 Meilen zu Fuß gegangen, an einem Tag. Und auf dem Weg haben wir Häuser gefunden, wo die Hunde noch angebunden waren und vor Hunger gestorben sind, weil die Besitzer geflüchtet sind und haben sie verlassen. Als Hundeliebhaber habe ich die Hunde gerettet und bin ungefähr mit zwanzig Hunden nach Focșani gekommen, die ich gerettet habe, und habe in dem Keller gewohnt. [Lacht.] Im Keller habe ich zwei oder drei Tage gewohnt, und es ist eine Frau gekommen, die Leute gesucht hat, die ein bisschen Russisch können, weil die Russen sind gekommen und haben Focșani geplündert – die Armee – und haben die Frauen vergewaltigt. Und die haben Leute gesucht, die die Sprache sprechen können und die sie retten können…gegenüber den Russen. Sie hat mich gewählt, wahrscheinlich…sie war sehr geizig, die Frau. Das habe ich später erfahren. Sie hat mich gerettet. Ich war mager und wahrscheinlich hat sie Mitleid mit mir gehabt, dass ich nicht genug essen werde. Und sie hat gesagt: „Komm’, und wir werden deine Eltern sein, und wir werden dich pflegen und dich wieder rehabilitieren.“ Weil ich war in einer wirklich fürchterlichen Lage. Und sie hat mich geführt…es war damals nach einem…wie heißt das auf Deutsch…Erdbeben…und die Häuser waren gestützt mit Balken. Das war das Bild von Focșani zur Zeit. Und sie hat mich geführt zu ihrem Haus, und das Bild war…es waren ein paar Treppen, auf den Treppen stand der Herr Rosen, mit einem Glas Wein und bat ums Leben, und zwei Russen. Es waren Kosaken. Die hatten das Haar nach rückwärts in einem Netz. Das war eine spezielle Armee…mit Bajonetten hinaus und haben von ihm verlangt, dass er das Geld und die Schätze gibt. Und er hat gebeten, dass sie ihn am Leben lassen. Die Frau Rosen sagte: „Du kannst Russisch. Bitte, rette meinen Mann!“ Und ich habe…ein Mann, ein Kosake, erinnere ich mich, ist auf den Stiegen gestanden mit dem Bajonette zum Herzen des Herrn Rosen und verlangte das Geld. Der zweite war ein Ukrainer, ein kleiner, der mich erwischte und fragte: „Wer bist du?“ Und ich habe mir gedacht, dass ich…als Russen wissen die, was die Juden erlitten haben…ich werde mein Leben retten, und ich sage ihnen, dass ich Jude bin. Und er sagte: „Wer bist du?“ Und ich sagte: „Ich bin ein Jude.“ Und er war eine Minute bereit, mich zu töten. Die Russen, die Armee, die geraubt und vergewaltigt haben, die haben das illegal gemacht, und die wurden gesucht von russischen Patrouillen. Zu meinem Glück hat er gesagt…der Russe auf den Treppen hat die Patrouille gesehen, die russischen Armeepatrouillen, die sie…ihre Revolte…wie sagen Sie das auf Deutsch…die Revolutionären oder…die Entlaufenen.
GW: Deserteure?
RA: Tudor-Vladimirescu[-Division] war es?
EA: Ja, es gab die Tudor-Vladimirescu. Nein, es war nicht die Tudor-Vladimirescu, die sind mit der Patrouille gekommen, mit den Russen. Das war eine rumänische…Tudor-Vladimirescu waren die Rumänen, die gefangen genommen wurden von den Russen. Und die Russen haben sie in der Zwischenzeit irgendwie…zur kommunistischen Zeit--
RA: --they formed a special regiment.
EA: Ja, die haben Regimente gemacht…die haben sie vom Kommunismus überzeugt. Und es war die russische Armee und die rumänische Armee, die Leute gesucht haben, die aus der Armee hinausgelaufen sind und Räuber waren – in der Uniform, als Russen.
3/00:31:13
Der Mann auf den Stiegen hat gesagt: „Du! Die Truppenhäuser“, wie er es genannt hat, „die kommen nach uns!“ Und er ist…wie im Zirkus, erinnere ich mich, war das Bild…die sind auf die Pferde gesprungen und sind verschwunden. Ich habe aus Angst in die Hose gepeed…gebrunzt in die Hose. Und die Frau Rosen hat gesehen, dass ich jedem etwas gesagt habe und die sind geflüchtet. – „Was hast du ihnen gesagt?“ [Lacht.] Sie dachte, dass ich der Held bin und dass ich sie irgendwie dadurch gerettet habe. Und ich war absolutely nass.
[Übergang/Schnitt.]
Ich habe diese Gelegenheit ausgenutzt und der Frau Rosen mein Geheimnis, und was ich gesagt habe, nicht verraten. Und die Nachbarn…die jüdische Nachbarschaft hat mich gefeiert wie einen Erlöser vom [unklar]. Ich habe irgendwie dort zwei oder drei Wochen gewohnt und bin dann weiter zu Fuß nach Bukarest gekommen.
GW: Waren noch Hunde mit auf dem Weg?
EA: Nein, die Hunde wurden vom Wasenmeister vertrieben oder…ich hatte keine Hunde mehr.
GW: Wie sind Sie dann nach Bukarest gekommen?
EA: An die Reise nach Bukarest erinnere ich mich. Ich war mit einem Mann. Damit wir nicht zu Fuß laufen nach Bukarest, haben wir irgendwie… [Aufnahmefehler.] Der Humor, oder Witz, hat mich irgendwie am Leben gehalten, und das war mein Glück. Wenn andere wirklich verzweifelt wurden, habe ich irgendwie…manche haben sich gedacht, das ist aus Blödsinn, dass ich irgendwie einen Witz mache. Ich erinnere mich, als wir noch in Czernowitz waren, mein Bruder und ich. Wir waren zu Hause, und es ist ein spezieller Zug gekommen, in den Bahnhof, um uns nach Auschwitz zu führen. Und der Popovici hat mit ihnen verhandelt, dass man die Juden aus Czernowitz nicht nach Auschwitz führt, und es ist ihm gelungen, die Juden zu retten. Aber mein Bruder und ich, wir waren zu Hause, wir wussten, dass der Zug auf uns wartet, und wir haben sozusagen Galgenwitze gemacht. Wir wussten, dass die Juden in Seife…Sie haben ja wahrscheinlich gehört, dass man Seife aus den Juden gemacht hat…und wir zwei Idioten haben gestritten, was für eine Seife er sein wird und was für eine Seife aus mir wird. Und er sagte, dass ich irgendwie diese ordinäre Seife für Wäsche werde, und er wird irgendeine parfümierte Seife und auf den Toiletten der Frauen sein. [Lacht.] Und das war unser Humor, der uns gerettet hat. Manche dachten, dass wir blöd sind, aber dieser Blödsinn hat uns irgendwie gerettet.
GW: Das haben Sie damals im Ghetto schon gewusst?
EA: Ja, wir wussten das. Wir hatten Radioapparate im Geheimen, und wir hörten die Engländer…nicht aus Amerika, die Engländer haben berichtet. Und wir haben…unter Todesgefahr haben wir Apparate gehabt.
3/00:35:06
Und im Lager…was meine Frau gerade auf Rumänisch erwähnt hat…es waren zwei Brüder, die sich sehr geliebt haben…Brüder…ich war damals nicht mit meinem Bruder zusammen. Und die waren zwei komische Figuren, und der eine ist irgendwie in eine Mission gefahren, und der eine Bruder ist mit uns im Lager gewesen. Die haben ausgeschaut wie Menschen…nicht Menschen…Mönche, mit O-Umlaut. Und der eine ist am Fußboden gelegen – das war der Platz, wo wir alle gelegen sind – und war mit den Armen verschränkt, wie ein Toter, aber irgendwie mit ganz ausgestrecktem weißem Hemd. Und mir ist die Idee gekommen, ihm zwei Kerzen zum Kopf zu stellen, weil er so gestanden ist. [Lacht.] Und in der Zwischenzeit ist sein Bruder gekommen, und als die anderen gesehen haben, dass der Bruder kommt, haben die Theater gespielt und haben zu weinen begonnen und haben Gebete gemacht, sowie, dass sie den Mann begraben haben. Und der arme Bruder, der gekommen ist, ist fast wahnsinnig geworden vor Schmerzen. [Lacht.] Und mit diesem Humor haben wir irgendwie…diesem tragischen Humor…haben wir es durchlebt. Das war unser Humor im Lager. Können Sie sich das vorstellen?
RA: The way you travelled from Focșani to Bucharest?
GW: Bukarest.
EA: Ja, ein anderes Abenteuer, an das ich mich erinnere – lustig erinnere: Die Straßen waren zugrunde gebracht von den tanks, von den Autos – es war Kriegszeit. Und die Russen haben geplündert und sind mit den Wagen, mit den Autos gefahren und haben Schweine oder Kühe gestohlen, und so weiter. Ich und ein Freund, wir sind auf der Straße gestanden und haben uns gefragt, wie können wir irgendwie gerettet werden und dass einer Mitleid hat, um uns bis nach Bukarest zu führen. Und einer von uns…ich erinnere mich nicht, wer…wir hatten eine Flasche mit Țuică, ein Getränk in Rumänien, das ist ein Pflaumengetränk, Schnaps.
GW: Wie heißt der Schnaps?
EA: Țuică. Der ist auf der Straße gestanden und hat denen ein Zeichen gemacht, er hat eine Flasche zum Trinken, damit der Wagen stehen bleibt und er ihm was zum Trinken gibt. [Lacht.] Ich oder er…wir sind gestanden und haben dann verhandelt mit einem Soldaten, dass er uns mitnimmt…eine Strecke. Und so sind wir gelandet in einem Wagen, wo irgendein Schwein, welches – ich übertreibe nicht – ungefähr 600 Kilo gewogen hat…der hat uns hineingepfercht in diese Abteilung mit dem Schwein. Und bei jeder Grube ist das Schwein entweder einmal links oder einmal rechts gefallen, und wir wurden fast zu Tode gedrückt. [Beide lachen.] Das war unsere Reise, um nach Bukarest gerettet zu werden. Und jetzt lache ich darüber. Damals habe ich nicht gelacht. [Lacht.]
GW: Und mit wem sind Sie da gefahren? Wer war Ihr Freund?
EA: Er war ein Advokat…ich weiß nicht…Gabor war sein Name. Er ist verschwunden irgendwie. Von Bukarest ist er nach Israel gefahren und ist in Israel gestorben. Ich habe nichts mehr von ihm gehört. Der Name war Gabor.
GW: Wie haben Sie Ihre Eltern wiedergefunden?
EA: Ja, die Eltern habe ich dann in Bukarest…wir sind indirekt…wir haben Verwandte gehabt, eine Cousine von früher, die in Bukarest gewohnt hat. So sind wir zusammen zu dieser Familie gekommen, und wir sind zusammengekommen.
3/00:40:09
GW: Die Cousine hat überlebt?
EA: Die Cousine hat überlebt und ist nach Israel ausgewandert, mit ihrer Schwester, die auch überlebt hat, aus einer anderen Stadt. Die waren nicht im Lager, die haben früher geheiratet und sind aus Czernowitz nach Bukarest übersiedelt. Und das war das Glück, dass sie in Bukarest gelebt haben und das Lager nicht durchgemacht haben.
GW: Und die konnten den ganzen Krieg über in Bukarest sein?
EA: Die konnten in…ja, die Juden in Bukarest waren mehr oder weniger geschont. Die haben auf der Straße gearbeitet, aber die wurden nicht…vielleicht, aber ich kenne es nicht, dass sie aus Bukarest ins Lager kamen.
RA: The one from Iași. They were killed.
EA: Iași, ja…andere Städte wurden…aber nicht von Bukarest.
RA: And the one on the border with Hungary…they went to Auschwitz. At the end of the war, they went to Auschwitz…but you waited for your parents a while to get there from Czernowitz? [Uhren läuten.]
EA: Ja, meine Eltern sind aus dem Lager mit mir hinausgekommen, aus Mogilew, und die haben irgendwie…die wollten ein paar Sachen noch finden und sind nach Czernowitz gezogen, und sind später als ich nach Bukarest gekommen. Aber ich sage es, um es kurz zu machen, wir sind alle nach Bukarest gekommen.
GW: Und haben sie in Czernowitz noch Sachen gefunden?
EA: Nein, sie haben nur…ein paar Bilder, die wertlos waren. Sie konnten meine Arbeiten nicht finden, die Zeichnungen konnten sie nicht…ich habe sie alle verloren. Alles, was ich in Czernowitz hatte, habe ich verloren. Und in Bukarest habe ich begonnen…ich habe für die Zeitung gearbeitet und habe Karikaturen gegen Hitler gemacht. Zur Zeit war er noch am Leben. Ich habe Plakate gemacht, die auf der Straße erschienen sind. Ich habe sie noch und kann sie Ihnen später zeigen. Und langsam…die Deutschen haben gekämpft, von Bukarest sind sie nach Siebenbürgen geflohen, und das war das Ende des Krieges. Und ich habe begonnen, für Kinderbücher zu arbeiten. Mein erstes Kinderbuch habe ich [19]44 – Die Geschichten des Dryx – geschrieben und gezeichnet. Eine Geschichte, die für Rassenfreundschaft ist. Ich habe sie…wo ich für die Neger gekämpft habe, für die Freiheit der Neger.
GW: In welchem Jahr war das, in den [19]40er-Jahren?
EA: 1944. Das war das erste, sozusagen, rassenfreundliche Buch, das ich kenne. Dann habe ich Bücher illustriert, wie aus dem Ghetto…Illustrationen, die ich habe. Dann ist ein Buch erschienen, Jeden Samstag wird deportiert. Und ich habe begonnen, für Kinderbücher zu schreiben, und wurde Kunstdirektor…zwanzig Jahre habe ich gearbeitet. Ich habe auch Theaterdekorationen gemacht.
GW: In Bukarest?
EA: Theaterdekoration habe ich gelernt an der Colin-Schule und habe es in Czernowitz eine kurze Zeit ausgeübt und habe auch in Bukarest gearbeitet in der Theaterdekoration.
3/00:44:47
GW: Und Sie wollten damals in Rumänien bleiben?
EA: Nein, ich habe angesucht, um von Rumänien rauszukommen [19]45. Aber dadurch, dass sie mich brauchten als Künstler und ich mir irgendwie einen Namen gemacht habe, haben die mir es schwer gemacht, dass ich hinauskomme. Und dann später haben wir geheiratet. [19]55 habe ich geheiratet, und wir haben wieder angesucht, und es ist uns gelungen, in…[19]64, ja…[19]64, Rumänien zu verlassen. Und es war auch unser Glück, dass ich unter zwei Namen gearbeitet habe, und habe angesucht unter Arnold Edelstein, und ich war bekannt als Künstler Ed Arnold, zur Zeit. Die Sache, wie ich von Ed Arnold…Ed Arno ist eine andere Geschichte. Ich weiß nicht, ob ich sie Ihnen erzählt habe.
GW: Nein.
EA: Als ich begonnen habe, in Bukarest als Künstler zu arbeiten, habe ich gezeichnet Ed Arnold – wie die Russen es verlangt haben, dass ich in der Radwańska Bukowina zeichne. Plötzlich ist erschienen ein Artikel, welchen ich noch habe, in einer Zeitung, dass man die…zur Zeit war ein Aquarellist, ein Wasserbildmaler, bekannt. Sein Name war W. Arnold. Und er war krank, er hat Krebs gehabt und ist am Totenbett gelegen und hat aufgehört zu arbeiten. Und meine Zeichnungen, in der Zeitung, für die ich…ich habe die Zeitungen. Die rumänischen Zeitungen haben meinen Namen bekannt gemacht als Ed Arnold. Und er hat einen Artikel in der Zeitung geschrieben, dass die Glückwünsche, die man ihm sendet, dass er wieder arbeitet, sollen wirklich dem neuen Künstler Ed Arnold gesandt werden, der jetzt aus dem Lager gekommen ist und irgendwie für diese Zeitung arbeitet. Und ich habe es so schön gefunden, dass ich ihn besucht habe, und wir haben uns verstanden, dass ich den Namen kürze und als Ed Arno zeichne. Und er ist nach kurzer Zeit gestorben. Aber ich habe noch seinen Artikel, und ich habe noch eine Zeichnung, die erschienen ist…die Platte ist erschienen, und das „ld“ wurde geschnitten. Ich habe mich immer lustig gemacht, dass ich in meinem Leben dreimal beschnitten wurde. [Lacht.] Einmal zur Taufe, dann wurde ich unter den Russen beschnitten, und dann wurde ich das dritte Mal beschnitten in Rumänien, in Bukarest. Und das war mein Name: Ed Arno. Und als ich nach New York gekommen bin und für den New Yorker Zeichnungen eingesandt habe, konnte ich nicht arbeiten, weil die hatten einen Peter Arno, einen berühmten Karikaturisten…Peter Arno. Und das im Jahr [19]67…[19]69 [meint: 1968], pardon, ist Peter Arno gestorben, und ich habe die Einladung bekommen für den New Yorker. Sie haben gesagt: „Jetzt kannst du für den New Yorker arbeiten.“ Es ist ein anderer Artikel erschienen, in einer Zeitschrift, darüber. Das werde ich Ihnen auch zeigen, wenn Sie mich erinnern. Und seither…auch zu jener Zeit, damit ich gesetzlich geschützt bin, habe ich meinen Namen gesetzlich geändert in Ed Arno. Ja, und das ist mein Name. Mein voller Name ist Arnold Ed Arno. Ich wollte meinen wirklichen Geburtsnamen retten, aber viele rufen mich Ed, und viele rufen mich Arno.
GW: Und wie möchten Sie gerufen werden?
EA: Meine Frau ruft mich Arno. Mein Bruder ruft mich Arnold. Die Kollegen rufen mich Ed. [Lacht.] Und ich höre auf alle Namen.
GW: Zu Ihrem Bruder haben Sie dann keinen Kontakt gehalten?
EA: Nein, ich habe mich nicht mit meiner Schwägerin vertragen. Wir sind dadurch irgendwie gespalten…seit dem Lager. Die haben sich im Lager irgendwie gerettet und haben uns irgendwie vernachlässigt. Und ich konnte das nicht verzeihen. Das war der Vater meiner Schwägerin, der das irgendwie veranstaltet hat. Die sind geflüchtet, ohne es uns zu sagen…mit einer Woche früher hinaus aus dem Lager. Und ich habe das niemals verzeihen können.
RA: He left your parents, your aunt was killed.
EA: Ja, meine Tante wurde getötet, meine Eltern wurden fast getötet, ich wurde fast getötet…und ich konnte dieses…wir haben irgendwie korrespondiert, wir haben uns gesehen, aber ich konnte es nicht verzeihen.
3/00:50:36
GW: Wann haben Sie ihn das erste Mal wiedergesehen?
EA: Das letzte Mal habe ich ihn in Deutschland gesehen. Er hat seinen 80. Geburtstag gefeiert und mich speziell eingeladen. Und ich war in Deutschland im Jahr 19…welches Jahr war das? Das war vor neun Jahren…1989?
RA: [19]90.
EA: 1990.
RA: But they did the same thing in Bukarest. They left without.
GW: Und seitdem wohnen Sie in New York?
EA: Ich wohne in New York, und mein Bruder wohnt in Israel.
GW: Und wo sind Sie zuerst hin, wie Sie aus Rumänien weg sind? Waren Sie nicht kurz in Italien?
RA: Rome.
EA: Ja, ich war in Italien. Aus Rumänien sind wir geflüchtet nach Italien, und in Italien habe ich mich entschlossen, dass ich…ich wollte zuerst nach Israel fahren. Und da meine Schwägerin darauf bestanden hat, dass meine Eltern…ich habe meine Eltern durchs Lager gerettet und habe sie nach Bukarest gebracht und habe sie nach Italien gebracht. Und meine Schwägerin hat die Bedingung gestellt, dass meine Eltern in ein Altershaus eingeführt werden sollen. Und ich habe gesagt: „Nein, meine Eltern bringe ich…und die sind noch jung genug, um zu leben, und nicht im Altershaus.“ Und ich habe sie nach New York gebracht und habe verzichtet darauf, nach Israel zu fahren, um sie in ein Altershaus zu bringen. Ich war glücklich genug, dass ich meine Eltern bis zum Tod hiergehabt habe.
GW: Wann sind Ihre Eltern gestorben?
EA: Ich glaube, ich habe es irgendwie…die Jahre genau, damit ich keinen Fehler mache. Wollen Sie das bitte nachschauen? Ich glaube, mein Vater ist [19]72 und meine Mutter später.
GW: Sie haben das Alter aufgeschrieben. Sie sind beide sehr alt geworden. Ihre Mutter ist 96 geworden.
EA: Meine Mutter ist 96 geworden, mein Vater 92, und ich war sehr stolz darauf.
[Ende des Interviews.]