Edith Friedlander

Edith Friedlander wurde 1922 als Edith Käufler in Wien geboren. Nach dem ‚Anschluss’ emigrierten sie und ihre Eltern nach Prag. Friedlander und ihre Mutter kamen 1942 in das Ghetto Theresienstadt, von wo aus sie 1944 ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurden. Friedlanders Mutter wurde dort ermordet. Sie selbst kam in das KZ-Außenlager Oederan bei Chemnitz. Nach dem Krieg lebte und arbeitete Friedlander in Prag, bevor sie sich 1947 entschloss in die USA zu emigrieren. Zum Zeitpunkt des Interviews lebte sie in New York City.

Vollständiges Interview

Teil 1
Teil 2
Art des Interviews:
Audio
Ort des Interviews:
New York City, USA
Sprache(n) des Interviews:
Deutsch, Englisch
InterviewerIn:
Christian Lerch
Interviewdauer:
02:01:59
Bestand:
LBI New York
Sitzungsanzahl:
1
Datum des Interviews:
28. Juni 2005
Edith Friedlander
Geburtsname:
Edith Käufler
Geburtsdatum:
1922
Geburtsort:
Wien, Österreich
Emigrationsroute
1947 Prag, Tschechoslowakei
1947 New York City, USA
Lebensstationen
Hier sind in chronologischer Reihenfolge Orte erfasst, an denen sich die interviewte Person im Laufe ihres Lebens aufgehalten hat.
Wien, Österreich
Prag, Tschechoslowakei
Ghetto Theresienstadt, Theresienstadt, Deutsches Reich
Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, Auschwitz, Deutsches Reich
KZ-Außenlager Oederan, Oederan, Deutsches Reich
Ghetto Theresienstadt, Theresienstadt, Deutsches Reich
Prag, Tschechoslowakei
New York City, USA
Ausbildung
Pflichtschule
Volksschule
Neustiftgasse, 1070
Wien, Österreich
höhere Schule
Robert Hamerling-Realgymnasium (heute: Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium VIII, BGRG 8)
Albertgasse 18-22, 1080
Wien, Österreich
höhere Schule
Deutsches Gymnasium
Prag, Tschechoslowakei
Beruf/Beschäftigung

in chronologischer Reihenfolge

Übersetzerin
Militär, öffentliche oder private Sicherheitsdienste
Tschechoslowakei
Prag
Angestellte
Öffentlicher Dienst
Tschechoslowakei
Prag
Büroangestellte
Textil, Mode, Leder
USA
New York City
Angestellte
Gesundheit, Medizin
USA
New York City
Büroangestellte
Glas, Keramik, Stein
USA
New York City
Lektorin
Grafik, Druck, Papier, Fotografie / Medien, Kultur
USA
New York City
„Spricht über“ sind besonders interessante Passagen in den Interviews, die von der Redaktion des Austrian Heritage Archive zusammengestellt wurden.
Sommerfrische
Erinnerung an die Weltwirtschaftskrise 1929
Erinnerungen an den Österreichischen Bürgerkrieg 1934
‚Anschluss’ und Umzug nach Prag
Leben in Prag nach der Annexion der Tschechoslowakei
Im Ghetto Theresienstadt
Emigration in die USA
Berufliche Tätigkeit in den USA
Survivor’s guilt
Umgang mit der Erinnerung an Auschwitz

Teil 1

 

 

CL: This is tape one of an Austrian Heritage Collection interview with Mrs. Edith Friedlander conducted by Christian Lerch on 28th June 2005, in Queens, New York.

 

EF: Yes…hört man mich so?

 

CL: Man hört Sie wunderbar.

 

EF: Ich meine…gut, noch bin ich ganz begeistert.

 

CL: Sie bekommen ja auch ein Tape…eine Kopie, wenn Sie wollen.

 

EF: Ja, dann höre ich doch nicht zu…das borgen sich alle aus…ich höre es nie wieder an.

 

CL: Sie hören es nie wieder an?

 

EF: Da sind schon ein paar Probleme geblieben…nie wieder. Ich habe es vielen geborgt und…gut.

 

CL: …nie wieder zurückgegeben?

 

EF: Ja, ich habe es hier, aber ich höre mir das nie an. Auch wieder…ich weiß es doch schon.

 

CL: Sie wollen nicht--

 

EF: --ich will nicht wirklich.

 

CL: Dennoch: Dankeschön, dass ich heute hier sein darf, um mit Ihnen das Gespräch zu führen.

 

EF: Ich bring das schon durch.

 

CL: Können wir vielleicht anfangen…also, wenn es für Sie in Ordnung ist, können wir es in Deutsch führen. Es wäre das erste Interview von mir, das ich in Deutsch führe.

 

EF: Ist Ihnen das lieber? Mir ist es egal.

 

CL: Mir ist es auch ganz egal. Wie ist es Ihnen lieber? Wir können es auch mischen.

 

EF: Wir können die deutsche Zeit…die österreichische Zeit in Deutsch machen und dann werden wir uns weiter den Kopf--

 

CL: --und in Prag?

 

EF: Wenn wir in Prag…noch Deutsch, in Prag. Aber in Amerika gehen wir zu Englisch…wahrscheinlich. Das mag ein bisschen passen. Das werden wir versuchen.

 

CL: Das ist ein guter Vorschlag. First in German and then in English.

 

EF: Ja.

 

CL: Können wir vielleicht damit anfangen…Sie haben gesagt, ihr Vater kommt aus Tschechien?

 

EF: Mein Vater kam aus Brünn [Brno], Mähren, war ein Ingenieur, hat zwei Brüder gehabt, die auch Ingenieure waren und war im Ersten Weltkrieg als Offizier. Und hat dann in Wien bei einer Firma gearbeitet, die erst Alkohol…Spiritus, und dann Plastik erzeugt hat – mit Fabriken in Klagenfurt, in Jugoslawien, in Prag und er war dort Technischer Direktor.

 

CL: Und seine Eltern, sind sie in--

 

EF: --seine Eltern…der Vater war ein Baumeister in Brünn, sehr früh gestorben. Und die Großmutter, die ich kaum kannte, hat in einem der Häuser…Wohnhäuser…ich habe irgendwo Bilder, wenn Sie nachher wollen…dort gewohnt, mit ihrer Schwester. Und ich habe sie als Kind immer besucht, wenn…in den Ferien sind wir hingefahren. Aber…ich glaube, ich war sechs oder sieben wo sie gestorben ist, sehr früh. Und dann war ich nie wieder in Brünn zurück. Wir hatten dort Besitz…ist dort geblieben…den ich einmal, nach vielen Jahren dann, zurückbekommen habe. Mein Vater war sehr sportlich gewesen, hat in Prag studiert, hatte…gehörte zu einer Studentenorganisation, Die Eiche. Das war eine deutsche, sehr liberale Organisation. Sie sind geritten, haben gefochten…solche Sachen. Aber in Wien…ich habe ihn schon nur mehr grauhaarig gekannt. Er war zwanzig Jahre älter als meine Mutter.

 

CL: Wann ist er geboren?

 

EF: Mein Vater war 1876 geboren, meine Mutter 1896.

 

CL: Was war sein Name?

 

EF: Karl Käufler. Ja. Und war also ein besonders interessanter--

 

 

1/00:04:40

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

EF: --er war also aus dem Weltkrieg zurückgekommen, hat dann meine Mutter geheiratet, die seine Sekretärin war. Und ich bin im [19]22er-Jahr erschienen. Und ich weiß, mein Vater hat immer erzählt, sie hatten Geld womit sie eine Wohnung kaufen wollten und es war so…Inflation, dass dann…glaube ich, haben sie nur eine Gans dafür gekriegt, oder so etwas. Er war sehr witzig, sehr unabhängig – ich habe das sehr bewundert. Es war ihm ganz egal, was andere Leute gedacht haben und Leute haben sich an ihn erinnert. Also, ich komme dann später zurück, weil das sehr oft passiert ist. Er ist im Jahre [19]40 in Prag gestorben…Herzsache. Und…hat zum Beispiel in seinem Testament gesagt, wir sollen nicht Schwarz tragen, und nicht zum Friedhof gehen. Das sei ein Platz, der ihn nicht interessiert und ich solle lieber an ihn denken, wenn ich zu einem Konzert gehe, oder so. Also, ich meine, ein nicht ganz…Durchschnittsmensch. Und irgendwie ist das geblieben. As a matter of fact, er ist gestorben währendem er Klavier gespielt hat, mittendrin aufgehört und ist runtergefallen vom Sessel. Ich habe eine merkwürdige Beziehung und auch große Bewunderung für jemanden, der nicht ganz nach dem Schema [unklar] geht. Und--

 

CL: --er war sehr musikalisch?

 

EF: Sehr, sehr. Er hat gut Klavier gespielt. Und ich bin als Kind aufgewachsen…wir sind auf diese Ausflüge gegangen, wie doch so viele Wiener…man ist, ich weiß nicht, einmal zur Endstation vom 38er, einmal zur Endstation vom 37er [meint: Straßenbahn-Linien in Wien], da musste man spazieren gehen. Und da waren immer Freundinnen mit und da haben wir Theaterstücke geschrieben. Und am Abend haben wir sie aufgeführt und sind unter dem Schreibtisch meines Vaters erschienen und er hat dazu Musik gespielt.

 

Ich meine, ein komisch…ein nicht ganz gewöhnlicher…und Sie haben gesehen, ich habe diese vielen Frösche hier. Ich hatte ja als Kind Laubfrösche und für die musste man Fliegen fangen. Und erst hat mein Vater die Lausbuben auf der Straße dafür engagiert. Wir haben sie auch immer zerquetscht, die Fliegen. Und das haben die Frösche nicht wollen. So…mein Vater, der Herzmedizin genommen hat, hat zwei Glasröhren gehabt. Mit denen hat er dann eine technique erfunden, wo man die Fliegen gefangen hat. Und mir hat das sehr imponiert, dass ich einen Vater hatte, der für mich Fliegen fängt. Und ich kann mich erinnern, wir sind einmal ins Kaffeehaus gekommen und der Oberkellner kam und hat gesagt: „Herr Ingenieur, setzen Sie sich zu dem Fenster, da sind die fettesten Fliegen.“ Also, ich habe eine…nicht ganz Durchschnittserziehung gehabt. So war das. [Sucht etwas.] Ich suche meinem Vater, wo er da die Fliegen fängt…wieso ist er nicht da? Ich habe ihn. Und das war also, wie gesagt…da! [Zeigt ein Foto.] Sehen Sie, das ist mein Vater, der hält die zwei Glasröhren für die Fliegen.

 

CL: Ist das im Prater?

 

EF: Das…vielleicht, ich weiß nicht mehr genau welcher Park. Er hat sich immer um die Frösche gekümmert. Ein bisschen ungewöhnlich, I know. Und ich bin zwar ein einziges Kind, habe immer Freundinnen gehabt, meine Eltern waren sehr gut zu anderen Kindern. Sogar meine Mutter…zu nett. Und mich hat das geärgert, wenn meine Mutter…sie hat sich um die anderen gekümmert. Aber ich war eigentlich nie allein, als Einzelkind. Und in der Schule war ich – also in der Volksschule – in der Neustiftgasse und dann im…Albertgymnasium, Mädchen Reform-Realgymnasium, was mich sehr gefreut hat. Ich bin sehr gerne in die Schule gegangen.

 

CL: Ihre Mutter, ist sie eine Wienerin?

 

EF: Die Mutti war aus Wien. Die Großeltern, glaube ich, kamen so aus Nordböhmen, [unklar], ich weiß es gar nicht genau. Sie war sehr…hat ihre Mutter jung verloren und hat eine Stiefmutter gehabt, die ich nicht gern gehabt habe. Ich war sehr ekelhaft zu ihr. Und dann hat mal ein Freund meiner Eltern gefragt, ob ich weiß, dass das eine Stiefgroßmutter ist. Und wie ich das erfahren habe, bin ich netter geworden. Das hat mich nicht gestört. Sie hat mir nicht gefallen, ich wollte sie eigentlich nicht in der Familie. Der Großvater war sehr nett und sie war, glaube ich, sehr schön, die Stiefgroßmutter, aber ich habe sie nicht gern gehabt.

 

CL: Das war der Vater von ihrer Mutter?

 

EF: Ja.

 

 

1/00:10:06

 

 

CL: Und was hat er gemacht?

 

EF: Wir hatten eine Großhandlung mit Papieren. Und die hatten so schöne Karten…wissen Sie, für Weihnachten, die Karten mit Gold drauf, sehr schön. Habe ich gerne gespielt. Und in der Schule war ich besonders gerne. Während des Jahres sind wir immer ins Theater gegangen, mein Vater gerne in die Oper und in das Burgtheater…Volkstheater, was immer. Also, man konnte ja nicht…da war eine Grenze mit dem Alter, man konnte nicht zu allen Vorstellungen gehen. Ich weiß schon nicht mehr, wie alt man sein…konnte. Und da waren Verwandte…meine Mutter hat einen Bruder gehabt, der war Schauspieler. Das hat mir sehr imponiert. Und dann sie hat drei andere Stiefbrüder gehabt, die ich nicht gern hatte. Mein Vater hatte zwei Brüder, einer der in unserer Nähe in Wien gewohnt hat, der erst mit einer Norwegerin verheiratet war und dann mit einer anderen Frau, die niemand gern hatte. Und dann hat man ihn nicht so oft gesehen. Und der andere Bruder war Hochbauingenieur, erst in Berlin und dann in Triest und dann ging er wieder zurück nach Brünn, wo sie eigentlich herstammten.

 

Wir sind jeden Sommer…wir sind in die Alpen gefahren. Nach Tirol, hauptsächlich. Sehr oft waren wir am Tristacher See in Osttirol, in Lienz, das ist sehr schön. Und wir sind dort herumgezogen. Ich meine, mein Vater hat die Berge sehr gern gehabt. Als junger Mann ist er durch die ganzen Dolomiten spaziert und das war sehr schön. Sind wir auch hingefahren. Wir hatten kein Auto, also, wir waren nicht in der Finanzgruppe, dass man Autos hatte und Chauffeur. Entweder hat man Chauffeur und Auto gehabt, oder nicht. Aber im Sommer haben wir Autos gemietet und sind, ich weiß nicht, auf den Großglockner herauf, und so. Und noch heute ist das meine Landschaft: die Berge, oder so ein Bergsee.

 

CL: Wissen Sie…waren Sie um Wien herum auch--

 

EF: --ja, wir sind ja Skilaufen…Semmering und so natürlich die Rax und Schneeberg. Ja, das sind so die Sommerurlaube. Das hat man gemacht, aber wir sind gefahren…meistens Tirol, die Salzburger Gegend, und so. Das haben wir sehr oft gemacht. Und dann, wie mein Vater älter war und nicht so gesund, sind wir immer nach Ischl, am Ende oder Anfang des Urlaubs. Das war langweilig, aber ganz interessant für…und da war diese gute Konditorei: Zauner. Das kennen Sie, nicht? Das war unglaublich. Und da muss ich dazusagen: da weiß ich erst jetzt, wie verwöhnt ich war. Denn bis dahin, die einzig wirkliche Tragödie, von der ich etwas gewusst habe, war die Frau Zauner, die diese herrliche Konditorei gehabt hat. Und die war zuckerkrank und konnte nicht Schokolade essen. Und ich habe als junge Person geglaubt, nichts Ärgeres kann einem passieren. Also, das als Einleitung zu dem, was dann später kommt.

 

Bis [19]38 war das so die Lebensweise. Im Jahr [19]38…[19]37…also, wir sind Skilaufen gegangen, da ist es mir gelungen mir den Fuß zu brechen. Aber da war dann beginning [19]38…war ich noch…da kam Hitler, da habe ich noch einen gebrochenen Fuß gehabt. War auch die Zeit, wo ich in die Tanzstunde gehen musste, zum Herrn Elmayer [Tanzschule Elmayer in Wien]. Schrecklich. Ich bin nicht gerne gegangen. Und habe dort merkwürdigerweise einen Partner gefunden, der dann ein…mit einer illegalen Nazi-Medaille aufgetaucht ist. Aber es hat uns…er war mit mir sehr befreundet. Er ist nicht gerne tanzen gegangen, ich bin nicht gerne tanzen gegangen. Und das hat das…in dem Moment war das noch stärker. Es war eigenartig, wie man so in diese Zeit hineingerutscht ist. Und dann kam natürlich [19]38 und die Schule hat dann gesagt, man kann nicht weitergehen. Aber ich war Ausländerin, also tschechoslowakische Staatsbürgerin. Ich kann mich erinnern, die Turnlehrerin hat mich gefragt, ob ich nicht weiter zu dem Team gehöre, aber da wusste ich schon, dass…ich meine, es ist mir schon zu Bewusstsein gekommen, dass man jüdisch ist und ein bisschen anders war. Aber unser Kreis war gemischt.

 

 

1/00:15:10

 

 

CL: Ihre jüdische Identität--

 

EF: --ganz schwach. Man…gut, wir mussten schon jüdische Religionsstunden nehmen, das war…verpflichtend, man musste. Aber man hat das nicht während den regulären Stunden gehabt, das war dann am Nachmittag. Und…nein, nicht sehr stark.

 

CL: Und die Eltern nicht--

 

EF: --mein Vater war überzeugt nicht…meine Mutter war sanft und lieb und ist noch zu den großen Feiertagen in den Tempel gegangen. Und mein Vater…ich weiß nicht, ob das gute Erziehung war…kann ich mich erinnern, hat mich an einem Jom Kippur gefragt…sehr liberal: ich kann mit der Mutti in den Tempel gehen oder ich kann mit ihm zu…Hummerbrötchen gehen. Ich muss Ihnen nicht sagen, was ich gemacht habe. Es ist eine merkwürdige Erziehung und, wie ich Ihnen erwähnt habe, wie ich interviewt wurde von der Dame von [Steven] Spielberg: die hat das nicht verstanden. Die konnte das überhaupt nicht verstehen, dass es so eine Gruppe gab. Aber es waren viele, in Deutschland, in…ob richtig oder nicht, ist gar nicht die Frage. So war es.

 

CL: Wie würden Sie Ihren familiären Background, wie würden Sie Ihr Appartement--

 

EF: --war ein bescheidenes…hübsche Wohnung, nicht groß, gut gehalten mit schönen Sachen, bescheiden eigentlich.

 

CL: Es lebten Sie, Ihre Eltern--

 

EF: --und meine Eltern und die maid, also die Köchin. Wir hatten nur eine Hilfe. Meine Mutter wollte nie jemanden für mich anstellen. Sie war sehr kinderlieb und hat sich gekümmert. Das hat der Großmutter in Brünn nicht gepasst, weil es jemanden haben sollte, das Kind. Aber das war nicht…ich war wahnsinnig verwöhnt.

 

CL: Ihre Mutter ist zuhause geblieben mit Ihnen?

 

EF: Ja. Sie war sehr begabt: sie hat schön gestrickt, genäht und so hat sie sich…die Frauen haben ihr Leben ein bisschen eingeschränkt, aber das ist ja noch niemandem aufgefallen, damals. Sie wissen doch, wie das war. Viele Begabungen verloren gegangen, gar kein Zweifel. Aber so war es. Und mein Vater war liberal. Aber--

 

CL: --hat er versucht sie zu inspirieren?

 

EF: Meine Mutter? Nein, das schon wieder nicht. Das wieder nicht. Dass sie beruflich tätig ist, nein.

 

CL: Aber sie war seine Sekretärin bevor--

 

EF: --ja, bevor. Aber dann war Schluss, ja.

 

CL: Und würden Sie sagen, es war ein gutbürgerlicher Haushalt?

 

EF: Ja. Es war…ich meine, wie gesagt, nicht reich, aber ohne Sorgen. Ich meine, ich kann mich nicht erinnern, dass etwas, was man wollte, nicht möglich war. Aber dann hat man auch nicht so verrückte Ideen gehabt. Und viele Bücher natürlich und dann…ich kann mich erinnern, wie das erste Grammophon mit diesem…kam und solche Sachen. Und wir hatten viele Maschinen, weil…mit der Verbindung, wo er Berater war, bei Siemens-Schuckert [Siemens-Schuckertwerke (SSW), heute Siemens AG], haben wir so Muster bekommen, von verschiedenen elektrischen Maschinen, die man sonst nicht im Haushalt hatte. Und das hat die Köchin sehr gefreut…zum Aufräumen.

 

CL: Staubsauger zum Beispiel?

 

EF: Ja, Staubsauger und eine Sonne…ich weiß nicht, ganz komische Sachen. Sonne für Beleuchtung, so wie…ganz merkwürdige Maschinen. Und das war hübsch und hat alle meine Freunde natürlich auch sehr gefreut.

 

CL: Hatten Sie ein Radio?

 

EF: Natürlich. Natürlich Radio. Ich meine, ich kann mich erinnern, da war in Wien…Sie haben erwähnt, Sie hören gerne Radio…ich meine, da gab es Theaterstücke im Radio, das war herrlich, habe ich immer zugehört. Das war RAVAG [Radio Verkehrs AG, öst. Rundfunkgesellschaft]. Und dann hat man zugehört und manche Sachen nicht verstanden. Ich kann mich erinnern, ich habe jahrelang nicht verstanden, warum sie mir einen „Alt-Wiener Wetterbericht“ geben. Und es war „Alpiner“. Ich habe das nicht gewusst. [Lacht.] So habe ich mich lange gewundert. Aber das Radio war wichtig und war auch sehr gut. War sehr gut und…sonst hat man die Kultur von Wien benützt, I mean--

 

CL: --Musik?

 

 

1/00:20:00

 

 

EF: Viel. Mein Vater ist immer zu den Proben gegangen. Am Sonntag früh morgens war etwas im Musikverein oder Konzerthaussaal, da ist er immer gegangen. Und…er war viel musikalischer als ich. Aber wir haben alle gern gehabt…und Oper. Ich bin…bis heute gehe ich wie wild in die Oper. Ich gehe noch immer. Und Theater natürlich, das Burgtheater. Da war eine Zeit, da gab es…ich glaube, [Hermann] Röbbeling oder so hat er geheißen…der Direktor. Die haben eine Serie gehabt, ich glaube: die Dramen der Welt, oder so. Da hat man [Carlo] Goldoni und Lope de Vega…nie sonst gehört…aber ausgezeichnet. Natürlich habe ich die Schauspieler gesammelt: [Raoul] Aslan und Ewald Balser…Sie sind zu jung. Das waren die Helden. [Else] Wohlgemuth hat eine geheißen, sehr schöne Frau. Die Maria Eis – ich kann mich noch heute erinnern, die letzte Maria Stewart Aufführung. Bin dort gesessen und habe so gern geweint. Das hat mich sehr gefreut.

 

CL: Und Sie haben gesammelt? Karten?

 

EF: Ja, die Autogramme…also das Autogramm. Das ist alles verschwunden. Das habe ich gesammelt.

 

CL: Fotos, oder?

 

EF: Ja, Foto und…unterschrieben, und so. Ja, das war sehr schön. Aber das Theater war ausgezeichnet. Ich meine, es war wirklich sehr gut.

 

CL: Sind Sie auch musikalisch erzogen worden?

 

EF: Ja, ich habe leider Klavier gespielt. [Lacht.] Ich habe noch hier Klavier gespielt, aber es ist niemandem etwas verloren gegangen. Es war nett, ich meine, es war gut, aber…ich habe sehr rasch gut Noten, aber dann…das war es. Weiter bin ich nie gekommen. Nicht wirklich talentiert.

 

CL: Sie waren mehr an Naturwissenschaften interessiert?

 

EF: Ja, eigentlich ja. Mathematik und so.

 

CL: Und Frösche.

 

EF: Frösche. Warum, kann ich Ihnen nicht sagen.

 

CL: Aber Sie waren viel in der Natur, obwohl Sie in der Stadt gewohnt haben?

 

EF: Ja. Also, jeden Sonntag ist man spazieren gegangen…Ausflüge gegangen. Wenigstens zum Cobenzl [Berg bei Wien], wenn nicht weiter. Dort hat man rasch essen müssen.

 

CL: Mit anderen Leuten?

 

EF: Immer mit einer anderen Freundin und gewöhnlich deren Eltern. Und dann ist man am Abend zurückgekommen und hat noch Nachtmahl gehabt und dann habe ich diese komischen Theateraufführungen veranstaltet. Und Literatur war natürlich…wir haben alle viel gelesen. Ich konnte hier nicht verstehen, dass Leute nicht lesen können. Jeder hat bei uns gelesen. Ich meine, wer hat nicht gelesen?

 

CL: Was war so ein wichtiges Buch für Sie?

 

EF: Ich habe sehr gerne die Sagen gelesen, die deutschen Heldensagen, auch die nordischen. Und dann habe ich so Tiergeschichten gerne gelesen. Da gab es einen Karl Ewald: Mutter Natur erzählt. Und das waren sehr schöne Geschichten. Und dann gab es Übersetzungen von einem Amerikaner, [Ernest] Thompson Seton. Das habe ich gelesen. Ich habe nicht gelesen, was viele meiner Freundinnen gelesen haben: Nesthäkchen und solche Geschichten. Das war nicht, was ich wirklich gerne gelesen habe. Ich habe viele Sagen gelesen und viele Theaterstücke. Wir hatten zuhause diese kleinen Reclam-Bücher, ich weiß nicht, ob sie noch existieren. So in einem hässlichen Gelb, Rosa…Gelb. Aber das habe ich gerne gelesen. Habe alle diese Theaterstücke und Opern und Texte gelesen. Und die Schule, in der ich war, war sehr gut.

 

CL: Auch die Klassiker gelesen…Schiller, Goethe?

 

EF: Ja, sicher, Schiller…Theaterstücke, auch Gedichte damals. Und Heine, aber auch weniger bekannte, wie [Ludwig] Uhland und so. Das hat mir sehr gefallen. Habe viel gelesen, rasch gelesen.

 

CL: Können Sie sich an die Weltwirtschaftskrise…Sie waren acht Jahre, wahrscheinlich--

 

EF: --Sie meinen [19]29er-Jahr. Ja--

 

CL: --haben Sie Erinnerungen--

 

EF: --ich kann mich erinnern, weil…zum Beispiel: der Freund unserer Köchin hatte den Posten verloren. Das war sehr tragisch und ich weiß, mein Vater hat sich bemüht…dadurch, das waren Spiritualien, da haben sie im Sommer immer Rüben geerntet. Und da hat er versucht diesem Mann einen Posten dort, bei den Rübensammlern…ich kann mich erinnern, wie die Leute im Winter Schnee geschaufelt haben und mit den Armen sich warmgehalten haben. Da war so eine merkwürdige Bewegung, da haben sie so gemacht mit den Armen. Beide Arme nach dem Rücken gestrichen. Das kann ich mich erinnern. Ich war mir dessen bewusst.

 

 

1/00:25:00

 

 

CL: Ihre Familie war--

 

EF: --nicht betroffen. Nein, gar nicht. Ich meine, ich weiß nicht. Ich kann mich erinnern, dass irgendwelches Geld verloren ging. Erst einmal…ich kann mich erinnern…mein Vater, mit seinem besten Freund…haben einmal darüber gesprochen, wie viel sie…alles verloren haben. Wie oft…die Kriegsanleihe und dann war irgendeine andere Katastrophe. Aber in unserer Lebensweise hat sich nichts geändert. Auch teilweise, weil das Geld…in der Tschechoslowakei war Geld. Also, vielleicht…wissen Sie, ich habe nie gewusst, wie viel mein Vater verdient. Wie dann so Restitutionsfragen kamen…keine Ahnung. Das hat man…das hat man nicht gemacht, man hat nicht darüber gesprochen.

 

CL: Und Ihre Mutter hat darüber auch nicht gesprochen?

 

EF: Nein, das hat man nicht gemacht. Das war einfach nicht…das war nicht Sitte.

 

CL: Wie hat übrigens Ihre Mutter geheißen, mit Vornamen?

 

EF: Elisabeth. Elisabeth Wolf.

 

CL: Wolff. Mit zwei „F“?

 

EF: Nein, ein „F“. War eine schöne, schlanke, blonde Frau, die eigentlich…beide meine Eltern haben nicht jüdisch ausgesehen, gar nicht. Meine Mutter war blond und niemand…ich bin auch um die Zeit, wie die Sterne dann…wie ich schon in Prag war…nie einen Stern getragen. Kein Mensch hat mich je gefragt.

 

Aber das war ja viel mehr Mischung als man glaubt. Ich habe dann nachher gehört, dass…also, die Schweden waren doch in der ganzen Gegend, in Mähren und Böhmen. Da muss doch so viel vorgegangen sein. Wenn nichts…wenigstens…also, irgendetwas haben die Soldaten mit den Mädeln dort gemacht. Und wahrscheinlich…so ist es. Denn die Mischungen sind unglaublich. Aber wir haben nie…nicht gesagt, dass wir jüdisch sind. Es hat uns auch niemand gefragt.

 

CL: Und es hat Sie auch nicht interessiert?

 

EF: Leider nicht, ich meine…gar nicht.

 

CL: Sie haben gesagt, Ihr Vater war ein eher politischer Mensch. Er hat Bekanntschaften gehabt--

 

EF: --ja, aber sozialdemokratisch, das war ja nicht Religion. Da war ein Abgeordneter, der war öfter in unserem Haus, [Wilhelm] Ellenbogen hat der geheißen. Sehr interessant, ich meine…die sind dann nach Schweden, ich habe sie dann hier auch getroffen.

 

CL: Er war Abgeordneter im Parlament? Von der Sozialdemokratischen Partei?

 

EF: Ellenbogen, ja. Sozialdemokratisch, ja. Und dann war ein Herr König [Berthold König], den wir ein bisschen kannten. Das hat meinen Vater interessiert.

 

CL: Und ihr Vater hat über Politik auch mit Ihnen geredet?

 

EF: Ja, wir haben bei Tisch immer alles geredet. Ich war etwas verwirrt, dadurch, dass ich ein eigentlich kleines Kind eines viel älteren Vaters war. Und der Kreis war…seine [unklar] Junggesellenfreunde. Und die kamen immer zu unserem Haus, sind immer bei uns gewesen. Und ich habe nicht genau gewusst, ob das Spielkollegen sind. Ich war irgendwie nicht ganz sicher, in welche Gruppe ich gehört habe. Denn…und die Kinder dieser Freunde – manche waren Junggesellen, andere nicht – waren alle fast fünfzehn, zwanzig Jahre älter. So irgendwie war das bei mir verschoben. Ich war mir nicht ganz klar, dass ich ein kleines Kind war. Ich kann mich erinnern, dass…ich muss unerträglich gewesen sein. Denn mein…ich kann mich an einen Freund erinnern, der gesagt hat: „Edith, vergiss nicht, dass du ein unwichtiger Bestandteil der menschlichen Gesellschaft bist.“ Ich kann mich bis heute erinnern, weil ich beleidigt war. Also, ich muss unmöglich gewesen sein. Sicher muss ich ein ekelhafter Fratz gewesen sein.

 

CL: Wie alt waren Sie denn da?

 

EF: Wie alt kann ich gewesen sein? Sieben, acht…ich weiß nicht mehr. Also ich kann mich erinnern.

 

CL: War 1933 ein Thema am Tisch, mit Ihren Eltern und den Freunden Ihres Vaters--

 

EF: --[Engelbert] Dollfuß und so? Nein, noch nicht.

 

CL: Hitler und die Machtübernahme in Deutschland--

 

EF: --noch nicht. Hitler noch nicht. Hitler kann ich mich nicht so früh erinnern. Erst wie die ersten in die Schule kamen, irgendjemand aus Deutschland. Da ist mir das erst zu Bewusstsein gekommen. Ich habe nie zu einer Partei gehört, oder zu einem Klub, komischerweise. Das ist mir erst hier aufgefallen, weil die meisten meiner Freunde…ja. Nie genau zu einer ganzen Gruppe gehört.

 

 

1/00:30:00

 

 

CL: War Ihr Vater Parteimitglied der Sozialdemokratie?

 

EF: Nein. Ich glaube nicht. Ich weiß nicht. Ich meine, sicher, total in Sympathie. Ob er wirklich…weiß ich nicht.

 

CL: Die Machtübernahme Hitlers in Deutschland war kein Thema.

 

EF: Ich kann mich nicht erinnern.

 

CL: Aber dann ein Jahr später Dollfuß--

 

EF: --Dollfuß, das kann ich mich sehr genau erinnern. Da kann ich mich schon genau erinnern, und [Kurt] Schuschnigg natürlich auch. Da war ich ja auch schon größer. Aber [19]33 war ich elf. Manche Leute waren da schon damit, aber ich habe es nicht--

 

CL: --können Sie sich an den 12. Februar 1934 erinnern? Den Bürgerkrieg?

 

EF: Ja, wo man im Karl-Marx-Hof…ja. Und ich weiß sogar, wir waren im Museum. Und die haben die großen Türen zugemacht, weil auf der Straße so viel vorgegangen ist.

 

CL: Was ist da vorgegangen?

 

EF: Ja, ich glaube, wir waren im Naturhistorischen [Naturhistorischen Museum], ich weiß schon nicht mehr. Wir sind oft…ich kann mich irgendwie an diese großen Türen erinnern, die zugemacht wurden, bis sie gewusst haben was da vorgeht.

 

CL: Können Sie beschreiben, was da--

 

EF: --nur, dass auf der Straße große Spannung…und die Leute haben sich angefahren und…war wild. Und ich kann mich erinnern, eine Kollegin in der Schule war da. Die hat im Karl-Marx-Hof gelebt und dann…das war also schon schrecklich. Ja, das war allerhand.

 

CL: War viel Polizei auf der Straße?

 

EF: Ja. Und, ich meine, die Aufregung hat man gespürt, gar kein Zweifel. Aber…Wien ging doch immer wieder in Ruhe weiter. Mein Vater war ein großer Anhänger vom Karl Kraus.

 

CL: Und haben Sie Schüsse gehört?

 

EF: Ja. Es war--

 

CL: --mit Ihrer Familie--

 

EF: --nein, zuhause nicht, in der Wohnung, aber wir…ich kann mich nicht erinnern.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

                                                                                                 
Nein, der war im Büro, aber er ist gut nach Hause gekommen. Ich erinnere mich nicht, dass uns etwas passiert ist. Und das ist eigentlich alles, ich weiß nicht genug. Ich habe Freunde, die viel mehr wussten. Ich weiß nicht, ich habe irgendein Talent gewisse Sachen scheinbar von mir wegzuschieben. Aber da…ich meine, die Aufregung, das war nicht zu übersehen. Und manche der Straßenbahnen sind doch nicht gefahren oder waren schon…war viel Geschrei und so.

 

CL: Hatten Sie Angst?

 

EF: Ja.

 

CL: Wissen Sie vielleicht noch: haben Sie mit Ihren Eltern darüber gesprochen, was passiert ist?

 

EF: Ja, ich weiß, wir haben darüber gesprochen was vorgeht, aber niemand war sehr pessimistisch. Daran kann ich mich nicht erinnern. Ob sie das mir nicht sagen wollten, das weiß ich nicht.

 

CL: Wissen Sie noch, was sie ungefähr gesagt haben?

 

EF: Nein. Leider nicht, das müsste ich erfinden, das ist nicht richtig. Nein, leider nicht.

 

CL: Aber Ihr Vater, hat er sich bedroht gefühlt? Wissen Sie…weil er ja sozialdemokratisch eingestellt war.

 

EF: Ja, aber…nein, ich glaube, er hat immer das Gefühl gehabt, da er diesen tschechischen Staat…Pass gehabt hat, hat er immer das Gefühl gehabt, er kann wegfahren. Vielleicht, ich weiß es nicht. Aber mein Vater war absolutely nicht einzuschrecken [einzuschüchtern], überhaupt nicht. Auch, was ich dann gehört habe, während des Krieges, im Ersten Krieg [Ersten Weltkrieg]. Er hat den Eindruck gemacht, dass er sehr sicher war.

 

CL: Er war im Ersten Weltkrieg…war er--

 

EF: --Kapitän, Hauptmann. Ich habe Bilder da noch, mit einem Pferd.

 

CL: Wo war er?

 

EF: Auf der Ostfront.

 

CL: Und was für Geschichten haben Sie da gehört?

 

EF: Na nur, dass er darauf bestanden hat, dass er sich täglich kalt gewaschen hat. An der Front. Ausgezogen und gewaschen, das haben ja alle erzählt. Ich weiß nicht, komische Sachen. [Lacht.]

 

CL: Warum hat Ihr Vater nie die österreichische Staatsbürgerschaft--

 

EF: --weil er den Besitz in der Tschechoslowakei gehabt hat. Habe ich doch nie gefragt, weiß ich nicht.

 

CL: Was für Besitz?

 

EF: Häuser…Wohnhäuser, die der Großvater gebaut hatte. Und es waren, ich glaube, mal mehr und dann hat die Großmutter die verkaufen müssen, um zu leben. Aber noch bis jetzt, bis unter den Kommunisten, waren zwei noch auf einem guten Platz, die ich noch gesehen habe – jetzt, nach dem Krieg. Und zurückbekommen habe, eines. Und er hat…wie gesagt, vielleicht war das nur mein Eindruck: ich habe mich vollkommen beschützt gefühlt, als Kind. Wahrscheinlich habe ich nichts zugelassen das es anders gezeigt hätte.

 

 

1/00:35:31

 

 

CL: [19]34 und die Machtübernahme von Dollfuß und den Austrofaschisten: hat das etwas in Ihrem Leben geändert?

 

EF: Nein, gar nichts. Gar nichts. Das ist es ja. Die Firma war eigentlich so groß, [unklar] haben die geheißen, die waren groß. Mit der agriculture, und haben in Klagenfurt…nicht Klagen…hat das [unklar] geheißen? Gibt es den Ort bei Prag…bei Klagenfurt? Eine große Geschichte, waren Großindustrielle. Aber der Hauptsitz war in Prag, das mag auch einen Einfluss gehabt haben. Ich war nicht…ich war mir keiner Unsicherheit bewusst. Sicher falsch, aber so war es.

 

CL: Und dann von [19]34 bis [19]38 war--

 

EF: --dann habe ich schon gewusst--

 

CL: --dann war es ein topic, dass Deutschland--

 

EF: --ja, dann war schon Deutschland, aber auch in Österreich schon die…ich meine, nicht Hakenkreuzler…wie haben die geheißen, von dem Starhemheim--

 

CL: --[Ernst Rüdiger] Starhemberg--

 

EF: --Starhemberg. Wie hat die Gruppe geheißen? Da hat man schon--

 

CL: --Schwarzkreuzler.

 

EF: Ich weiß nicht mehr, was es war. Aber da kann ich mich schon…daran, an die Sachen, kann ich mich erinnern. Ich meine, dass man schon darüber gesprochen hat, dass das nicht eine ideale Gruppe war. Das wusste ich schon.

 

CL: Wurden Sie irgendwie antisemitisch behandelt?

 

EF: Nein. Das ist das Komische: nie. Nie, nie…also, an der Hitler…ja, als Gruppe. Persönlich habe ich die komischsten Erlebnisse gehabt, mit Nazis, in Theresienstadt. Es ist gar nicht einfach. In einem Arbeitscamp habe ich für einen Installateur gearbeitet. Der hat Kuchen mitgebracht für seinen Geburtstag. Schlechten Kuchen, denn sie haben nichts anderes gehabt. Wie er in den Volkssturm eingezogen wurde, hat er mich gefragt, ob ich für ihn beten kann. Ich meine, es gab die merkwürdigsten Sachen. Und andere Freunde haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Das ist nicht so einfach. Das ist einfach nicht ganz leicht.

 

CL: Aber vor [19]38 hatten Sie keinerlei--

 

EF: --nein.

 

CL: Und Sie haben auch gesagt, dass Sie mit einem illegalen Nationalsozialisten einen Tanzkurs besucht haben.

 

EF: Ja. Und der hat gesagt, er wollte boxen gehen und ich wollte ins Theater gehen, und wir waren beide besonders schlechte Tänzer. Und das war eine…das war eine Freundschaft. Ich weiß schon nicht mehr, wie er heißt…wie er geheißen hat. Aber es hat ihn überhaupt nicht gestört, und mich auch--

 

CL: --und er wusste auch, dass Sie--

 

EF: --ja!

 

CL: Haben Sie das…ausgedrückt?

 

EF: Manchmal habe ich…damals schon. Damals habe ich es schon gesagt, natürlich. Nur sobald Hitler kam…da war es schon…ja, klar. Ich meine, war ja kein Geheimnis, really. Ich habe es immer irgendwie gewusst, aber nicht…wir sind gar nicht in den Tempel gegangen. Wir waren nicht religiös. Komisch. Ich meine, es waren auch viele, in Deutschland auch, da gab es auch solche…solche sehr…ich weiß nicht, Assimilierte, wie wir das nennen. Merkwürdig. Ich glaube nicht, dass es besonders gut war, aber ich habe mich sehr wohlgefühlt.

 

CL: Sie haben gesagt, Sie haben Radio gehört. Haben Sie die Rede von Schuschnigg, seine Abdankung--

 

EF: --ja, natürlich. Da wusste man schon, wie schrecklich…wie die Kapelle von einer Richtung nach der anderen gespielt hat. Wie die erst für…der Schuschnigg war dort und sie spielten. Dann sind die Nazis hereinmarschiert, war dieselbe Kapelle, glaube ich, an der Grenze. Es war unheimlich. Der Schuschnigg kam ja hierher. Der hat dann unterrichtet, in Amerika.

 

CL: Haben Sie das mit Ihren Eltern angehört?

 

EF: Ja.

 

CL: Haben Sie Ihnen das erklärt, was passiert? Oder--

 

EF: --ich glaube, das haben wir schon gewusst. Da war ich schon sechzehn. Da habe ich schon…die letzten Jahre war man ja politisch schon sehr…ich meine, da hat man schon aufgepasst.

 

CL: Hatten Sie Angst um Ihr Leben? Wussten Sie--

 

EF: --nein, das noch nicht. Das nicht, man war sich dessen nicht ganz klar. Aber da habe ich schon gewusst…ich wusste schon, dass illegale Nazis existiert haben und so, das ist ja…das hat man schon gewusst. Und da die ökonomische Lage schlecht war, hat man es sogar ein bisschen verstanden. Das war eine schlechte Situation. Waren viele arme Leute. Viele.

 

 

1/00:40:50

 

 

CL: Aber Ihnen in der Familie ist es gut gegangen?

 

EF: Ja. Die meisten haben irgendein…da war ein Onkel das schwarze Schaf, das hat nie gearbeitet. Der hat nie gearbeitet, es hat sich nichts geändert.

 

CL: Ein Bruder von Ihrem Vater?

 

EF: Meiner Mutter. Von meinem Vater, der eine ist umgekommen, der ist dann nach Łódź. Ich habe versucht ihn nach dem Krieg zu finden. Und der andere ist in Brünn gestorben. Der war dann schon wieder in Brünn zurück. Die Tochter war mit einem deutschen Aristokraten verheiratet, der sie sofort…sich scheiden ließ, wie der Hitler kam. Aber die waren alle so viel älter als ich, deshalb war die Beziehung nicht so eng.

 

CL: Und von Ihren Freundinnen?

 

EF: Von meinen Freundinnen, da waren dann gleich am Anfang ein paar Väter im concentration camp. Das war schon scheußlich, ja. In der Schule.

 

CL: Waren Ihre Freundinnen jüdisch?

 

EF: Gemischt. Also, in der Schule waren viel mehr Jüdinnen als nicht. Manche waren gleich weg. Ich habe noch ein paar hier. Und dann…eigentlich eine sehr enge Freundin war Mischling. Der Vater war nicht-jüdisch, die Mutter war jüdisch. Sie hat überlebt und ich habe sie nach dem Krieg besucht. Und war bis jetzt mit einem Sohn, auch Christian, und…so war es. Aber ich bin mir viel mehr – jetzt – dessen bewusst, dass man jüdisch ist. Ist doch gar kein Zweifel.

 

CL: Der Tag, an dem Hitler einmarschiert ist mit seinen Truppen--

 

EF: --kann ich mich gut erinnern.

 

CL: Haben Sie es gesehen?

 

EF: Nein. Nur die…also nein. Ich gehe nie wo Massen sind. Ich war jetzt am Ballhausplatz. Ich kann mich noch erinnern, wie die Leute geschrien haben: „Lieber Führer, sei nicht hart, zeige dich mit [Arthur] Seyß-Inquart!“ Das war der…was war er? Gauleiter--

 

CL: --Bundeskanzler--

 

EF: --Seyß-Inquart, ja. Solche herrliche Gedichte. Großes Geschrei.

 

CL: Und Ihr Vater, hat er Angst gehabt?

 

EF: Nein. Also, wissen Sie…wie soll ich das sagen? Ich habe es nicht gemerkt.

 

CL: Er hat es verborgen, vielleicht.

 

EF: Vielleicht. Oder vielleicht war er wirklich nicht…ich weiß es nicht.

 

CL: Die Mutter?

 

EF: Die Mutter war ängstlich. Die Mutter war sanft und…wahrscheinlich, ja. Aber ich kann mich nicht…ich kann mich erinnern, dass wir dann noch eine Weile für Leute was machen konnten, weil wir diese tschechische Flagge gehabt haben, die Fahne. Und da konnte man rumgehen, auch wenn die anderen schon Schwierigkeiten hatten. Und ich bin dann im…Mai, glaube ich, war es…in die Schule konnte man nicht mehr gehen, da bin ich nach Prag übersiedelt [umgezogen]. Meine Eltern waren noch in Wien. Und ich habe in Prag gewohnt und bin dort wieder in die Schule eingetreten. Ins Deutsche Gymnasium. Und habe dort Freundschaften geschlossen. Die Chefs meines Vaters, die in Prag waren, haben sich unglaublich um mich gekümmert. Es war interessant. Mir hat Prag unglaublich gut gefallen. Mir hat Prag gefallen, mir…ich konnte kein Wort tschechisch, fast, aber habe das sehr rasch gelernt. Ist eine unmögliche Sprache, eigentlich, mit…kennen Sie die Grammatik? Mit sieben Fällen! Ich meine, allerhand. Aber ich habe es erlernt, mit einem schweren accent, immer. Ich konnte die gewissen Sachen nie aussprechen, dieses „R“. [Macht den Laut.] Unmöglich, aber ich konnte gut Tschechisch. Ich habe tschechisch gelesen und geschrieben.

 

 

1/00:45:03

 

 

Und dann war ich in Prag, habe in so einer Art Pension gewohnt. Die Mutter war Tschechin und die Freundin…die Tochter dieser Leiterin ist ins französische Gymnasium gegangen. Und wir hatten eine Freundschaft angefangen, die bis zu ihrem Tod – hier – gedauert hat. Eine Tschechin. Und ich bin in die Schule gegangen und dann kamen meine Eltern und ich bin mit ihnen eingezogen. Und dann, wie Hitler nach Prag kam, haben diese Freunde sich unglaublich um uns gekümmert, so lange es ging. Und ich bin im…mein Vater ist im [19]40er-Jahr gestorben und ich habe versucht nach England…ich hatte englische Freunde. Es ist einfach schiefgegangen. Und wie mein Vater dann starb, konnte man nicht diese…wie hat das geheißen…Steuerunbedenklichkeitserklärung bekommen. Denn es war ein Nachlass, aber wir haben schon kein Geld mehr freigehabt es zu bezahlen. Wir sind steckengeblieben. Ich war auch nicht sehr geschickt, wahrscheinlich. Aber wir hatten Freunde. Darunter war ein junger Mann, der ein Honorarkonsulat geführt hat und der hat einige der Papiere aufgehoben. Das habe ich dann zurückbekommen nach dem Krieg.

 

Und im [19]42er-Jahr sind meine Mutter und ich durch das…nach Theresienstadt. Und wir kamen in Theresienstadt an und…den Großteil, wirst du sicher wissen…ist ja weiter nach Osten. Die einzigen, die bleiben konnten, waren Leute mit gewissen Berufen und Leute, die Verwandte von diesem Aufbaukommando hatten. Ich weiß nicht, ob Sie wissen was das ist: Theresienstadt wurde gegründet von einigen Gruppen junger Männer…Aufbaukommando. Und die haben…was deren National [Nationalität] war, weiß ich nicht…besondere Privilegien gehabt. Unter anderem durften sie zwei oder drei Verwandte halten, in Theresienstadt. Und wie man…abgeschafft wurde nach Theresienstadt, hat man nur eine gewisse Menge von Gepäck mitnehmen dürfen. Und ich habe nachgedacht, was man da so macht. Bücher…in Wien noch so viel…so habe ich noch von meinem Vater etwas…das hat geheißen Complexus…und war ein Buch mit mathematischen Rätseln. Und habe gedacht, das wird lang…kann man lang etwas machen. Also wir kamen in Theresienstadt an, meine Mutter und ich, nach dieser grässlichen Fahrt und…da waren so dreistöckige Betten und wir sind auf irgendetwas gesessen. Und ein junger Mann kam by und hat gefragt, ob wir hierbleiben, oder so irgendetwas. Und ich habe gesagt: „Ich habe keine Ahnung wie.“ Und er hat mein Buch gelesen, das hat ihn interessiert. Und dann ist er weggegangen und nach einer Weile kam er zurück und hat gesagt: „Würden Sie etwas dagegen haben, wenn ich sage, Sie sind meine Verlobte?“ Und da war…ich meine, so etwas von blöd muss man suchen…ich habe gesagt: „Ich muss meine Mutter fragen.“ Habe ich auch, die war gescheiter und hat gesagt: „Warum nicht?“ Und er hat uns dortbehalten. Aus dem Grund: er war einer dieser jungen Männer, die zu diesem Aufbaukommando gehört haben. Er hat die…elektrischen Leitungen [unklar], er war ein Ingenieur. Und so bin ich dortgeblieben, bis [19]44.

 

CL: Aufbaukommando, das bedeutete, dass--

 

EF: --sie haben aufgebaut. Sie haben das Lager aufgebaut--

 

CL: --auch maintained--

 

EF: --aufgebaut, hauptsächlich, ja. Das waren Teile von Theresienstadt. Da sind viele begabte, junge…lauter junge Leute gewesen. Und so bin ich dortgeblieben, bis [19]44, unter diesem Schutz. Und da war dieser komische Nazi, der war der…Nazi-Teil von dieser elektrischen…[unklar] hat er geheißen. Und der hat sehr geholfen…versucht Medizin hineinzuschmuggeln und Essen und so, ganz komisch. Er war ein illegaler Nazi, aber von den Tschechen, die also Deutsche waren. Es war anders…also, ich glaube, er hat sich das anders vorgestellt. Die Hauptführung war natürlich furchtbar. Aber mit der hat man nicht sehr viel zu tun gehabt.

 

 

1/00:49:58

 

 

CL: War das Lager sehr streng bewacht? Also, es war von außen--

 

EF: --ja, von außen war es ganz abgeschlossen. Ja, natürlich. Ich habe in einem Büro gearbeitet, für die sogenannte technische Abteilung. Und da habe ich den Posten bekommen, weil einer der alten Ingenieure meinen Namen gehört hat…sich an meinen Vater erinnern konnte, aus seinen Studienjahren. Und meine Mutter hat dann dort auch gearbeitet, also in einem Büro. Es war erträglich.

 

CL: Was haben Sie dort gemacht?

 

EF: Ich habe…Büroarbeiten. Gar nicht anstrengend.

 

CL: Und hatten Sie dort ein eigenes Zimmer mit Ihrer Mutter?

 

EF: Aber wo? Nein, ich hätte ein eigenes Zimmer mit diesem jungen Ingenieur haben können, aber das war mir nicht sicher genug. Ich war vollkommen blödsinnig altmodisch. Ich meine--

 

CL: --wie war sein Name?

 

EF: Rust. Ernst Rust. Interessant ist: ich habe noch lange nach dem Krieg mit ihm zu tun gehabt. Ich meine, ich habe ihn in Prag noch gesehen, wieder. Aber…ich meine, wir sind in Wien so naiv gewesen. Ich weiß nicht, was wir gemacht haben. Ich meine, ich muss…wenn ich mir das vorstelle, wie die Leute jetzt leben. Ich war ganz…ich meine, ich war dumm. Aber so war es. So kann man doch nichts sagen.

 

CL: Was für eine Sprache haben Sie dort gesprochen? Deutsch?

 

EF: Deutsch. In Theresienstadt Deutsch und Tschechisch. Es waren wenige Ungarn…hauptsächlich Deutsch und Tschechisch.

 

CL: Haben Sie auch Leute aus Wien--

 

EF: --ja. Waren einige aus Wien, viele aus Deutschland. Meine Freundin hatte eine enge Freundin…aus Holland kam eine kleine Gruppe. Und ein paar dänische Juden. Aber im Allgemeinen, sehr viele…in Theresienstadt sehr viele aus Prag, also der Tschechoslowakei und das war…gut.

 

CL: Wussten Sie in Theresienstadt schon von den Konzentrationslagern--

 

EF: --man wusste vom Osten genug. Das war schlecht. Aber über Auschwitz nicht wirklich. Ich meine, man wusste, es ist nicht gut, aber nicht ganz. Die Leute draußen haben viel mehr gewusst als wir drinnen. Wahrscheinlich besser.

 

CL: Haben Sie Zeitungen gesehen?

 

EF: Nein, aber man hat manchmal Nachrichten gekriegt, von diesem Deutschen und so. Bei den Reichsdeutschen musste man am Anfang fragen, auf welcher Seite sie waren. Es war wirklich…wenn sie gesagt haben, es war ein Sieg, musste man zuerst fragen auf welcher Seite…die waren noch so patriotisch, es war traurig. Unglaublich. Sehr interessant. Die waren für Deutschland, nicht für Hitler. Für ihre Heimat. Es war traurig.

 

CL: Die jüdischen--

 

EF: --sehr. Die deutsche Kultur ist ihnen im Herz steckengeblieben.

 

CL: Und Sie--

 

EF: --ich war schon ein bisschen anders, weil…durch den tschechischen Einfluss. Da war ja schon…wissen Sie, ich habe für mein Leben gelernt, wie ich aus Wien aus der Schule kam und…wir haben doch Geschichte in Wien gehabt und dann war ich in Prag und da haben wir wieder Geschichte gehabt. Und wenn man über den Ersten Weltkrieg gesprochen hat, hat man nicht wissen können, dass es derselbe Krieg war. Die tschechische Einstellung und die deutsche…da bin ich aufgewacht. Ich meine, da habe ich gesehen…ich war schon ein bisschen vorbereitet, durch Karl Kraus und so weiter…ein bisschen skeptisch zu sein. Ich kannte Die letzten Tage der Menschheit, aber da bin ich eigentlich aufgewacht und das hat mich eigentlich nie verlassen. Ich lese noch heute die Zeitung und alles. Wer schreibt, wer sagt…ich meine, es ist so, wie mit den griechischen Dramen: wann, wer, und wo? Es hat sich nichts geändert. Und wie sagen die Leute: der Sieger schreibt den Bericht…und das ist sehr stark. Und das habe ich dann schon gewusst.

 

Und in Theresienstadt ist es mir nicht schrecklich schlecht gegangen. Ab und zu haben wir Pakete bekommen von der einen Köchin. Und ich habe einen Koch gekannt, das war so…es waren interessante Leute dort. Wie Sie wissen, hat man dort Theater gespielt und musiziert. Und wenn man halbwegs jung und gesund war, war es zu überleben. Ich war eigentlich nie sehr krank dort.

 

CL: Können Sie vielleicht erzählen wie so ein alltäglicher Tag ungefähr ausgesehen hat?

 

EF: Nun, man ist aus dieser ekelhaften…aus diesem Bett herausgekraxelt, hat versucht sich zu waschen. Es waren Waschgelegenheiten. Dann ist man arbeiten gegangen, dann war…von Zeit zu Zeit hat man zu essen bekommen. Wieder noch…in sein Haus gegangen. Und manchmal ist man ausgegangen, man ist zu einer Vorstellung gegangen, komischerweise. Und dazwischen war diese blödsinnige Sache mit den Schweden, dem Roten Kreuz…dazu hat schon Naivität gehört.

 

 

1/00:55:27

 

 

CL: Können Sie uns da…ich meine, ich kenne die Geschichte nicht--

 

EF: --natürlich kennen Sie die Geschichte nicht. Man hat einfach Theater gespielt für die. Was immer man versucht hat, haben sie nicht gesehen, oder nicht sehen wollen. Ich weiß nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie so naiv waren. Es passt nicht zu denen.

 

CL: Haben Sie mitgespielt?

 

EF: Ich bin irgendwo gesessen, nicht aktiv. Irgendwo hat man uns hingesetzt, in ein Kaffeehaus. Unglaublich, ganz merkwürdig.

 

CL: Sie sprechen diese…Inspektion des Roten Kreuzes an, vom…das auch gefilmt wurde und dann in Deutschland und Österreich gezeigt wurde.

 

EF: Ja. Dass man es geglaubt hat! Weil es doch dort schon den anderen nicht gut gegangen ist. Ich meine, es war grotesk. So war es.

 

CL: Hat es Hunger gegeben?

 

EF: Ja. Ich meine, viele Leute erinnern sich an viel Hunger, ich merkwürdigerweise nicht. Ich hab…es war nicht viel, aber ich war nicht richtig hungrig. Später dann…ich meine, in Auschwitz und in…das war etwas anderes. Aber dort war es möglich. Und manchmal hat man noch Pakete gehabt, noch ein bisschen was dazu gegessen. Es war--

 

CL: --haben Sie mit Deutschen, mit Nazis, dort zu tun gehabt?

 

EF: Mit Nazis? Nein. Nur mit diesem einen Vertreter, der da diese elektrischen…[Karl] Rahm [Lagerkommandant des Ghettos Theresienstadt] und wie sie alle geheißen haben, die habe ich eigentlich nie gesehen. Ich habe auch nicht in einer Fabrik gearbeitet. Da gab es Glimmer [Glimmerverarbeitung], [unklar]. Da habe ich nicht…ich habe in einem richtigen Büro gearbeitet.

 

CL: Wie ist es Ihrer Mutter ergangen?

 

EF: Dasselbe, die hat auch im Büro gearbeitet. Ganz gut.

 

CL: Sie war körperlich auch gesund?

 

EF: Ganz gut zusammen, ja. Wir hatten keine großen Katastrophen during Theresienstadt. Dann mit Auschwitz…die Mutti ist dort gestorben. Ich meine, da war die [unklar]. Aber bis dahin…wenn man dortgeblieben wäre, hätte man es ganz gut überlebt.

 

CL: Wussten Sie, wie der Krieg weitergeht?

 

EF: Ein bisschen, aber nicht wirklich. Nicht wirklich. Genaue Nachrichten, nein. Und--

 

CL: --noch kurz zurück nach Prag. Ihr Vater ist gestorben an--

 

EF: --mein Vater ist an einem Herzanfall gestorben. Wie gesagt, er hat Musik gespielt…es war zwei Tage nach seinem Geburtstag, ich hatte ihm eine Partitur gekauft für Eugen Onegin. Und die hat er gespielt und plötzlich aufgehört. Ist vom Sessel gefallen. Also, sehr…ich wusste sogar damals schon, dass es gut war. Dass er sich etwas erspart hat. Er war…ich habe gedacht alt, damals. Er war 64, aber das schien mir damals alt.

 

CL: Hat er…das letzte Jahr, als die Nationalsozialisten in Prag waren: wurden Sie verfolgt?

 

EF: Nicht sehr. Wir sollten Sterne tragen, haben das aber nie gemacht. Wir hatten welche, aber sind spazieren gegangen. Es hat uns niemand dort gekannt, wir sind neu hingekommen und die Freunde waren Nichtjuden, die mit denen…Studienkollegen meines Vaters, mit denen Verbindung war. Und der junge Mann, der das Konsulat gehabt hat, Paraguay und Uruguay. Und meine tschechische Freundin war immer da.

 

CL: Sie haben sich nicht bedroht gefühlt?

 

EF: Nein, komischerweise nicht. Nicht sehr.

 

CL: Und das Leben war recht normal?

 

EF: Wir hatten…wir konnten nicht einkaufen, gewisse Sachen, aber man hat uns versorgt. Diese Freunde waren immer da, haben sich immer gekümmert. Ich habe persönlich mit Menschen gutes Glück gehabt. Ich habe zum Beispiel fast alles zurückbekommen, was ich versteckt hatte, bei Freunden und Verwandten. Nie eine Liste gemacht. Und viele Freunde haben mir gesagt, sie sind auf ihrem eigenen Perserteppich gesessen und man hatte ihnen gesagt, es wurde von den Deutschen weggetragen. Das habe ich nicht, die Erfahrung. Wie ich nach Prag zurückkam, also nach dem Krieg, bin ich zu dieser Freundin rauf. Und die hatten die ganzen Jahre meine Sachen aufgehoben, mit Mottenpulver versorgt und wie ich zurückkam, war alles da. Noch dazu, ich erwähne das immer, weil irgendwie war mir das wichtig: französische Seife haben sie aufgehoben. Was erstaunlich war, denn das war eine Rarität. Also, ich meine, ich habe Glück gehabt mit Freunden, was irgendwie geholfen hat.

 

 

1/01:00:34

 

 

CL: Und wie wurden Sie dann gefangengenommen?

 

EF: Wir sind nach Theresienstadt und da waren Nummern und da hat man einen einberufen. So wie in allen anderen Städten. Und wir sind nach Theresienstadt und…bis dann konnte ich bleiben--

 

CL: --also, Sie wurden von Prag verständigt--

 

EF: --jetzt ist die Nummer. Das war, ich glaube, die Kultusgemeinde, oder wie das geheißen hat, die jüdische. Die Gemeinde hat das arrangiert und da war der [Adolf] Eichmann, glaube ich, dort, zu dieser Zeit. Und da ist man eingerückt mit seinen Bündeln.

 

CL: Und was hat man Ihnen gesagt, was dann passiert?

 

EF: Nach Theresienstadt, nein, das wusste man schon.

 

CL: Eine Umsiedlung oder--

 

EF: --ja, so etwas. Man hat schon geglaubt. Und dort war ich bis Oktober [19]42 [meint: Oktober 1944].

 

CL: In Theresienstadt?

 

EF: In Theresienstadt. Und dann waren diese Transporte – da waren eine ganze Menge – nach Auschwitz. Und das war furchtbar. Ich meine, diese Fahrten, diese Tierwagen und so…furchtbar. Schrecklich. Aber…und dann, also, wie gesagt, da wusste ich noch nicht, was vorgeht. Da war der [Josef] Mengele dort gestanden – dieses Ungeheuer – und hat die Leute rechts und links eingeteilt. Und dann war ich…also, die Mutti war auf der anderen Seite. Und dann war ich mit einer Gruppe von dem ersten Transport, also von unserem Transport, in Auschwitz aber nur eine Woche. Und dann haben sie uns weiter nach einem Arbeitslager abgeschoben. Also Auschwitz: wie Leute das dort überleben konnten, kann ich überhaupt nicht verstehen. Überhaupt.

 

Aber wir sind dann in ein Arbeitslager, Oederan [Außenlager des KZ Flossenbürg], nicht weit von Chemnitz…war eine Textilfabrik, die auf eine Munitionsfabrik umgeändert wurde. Die meisten Leute haben an Maschinen gearbeitet und ich habe aus irgendeinem Grund für einen Installateur gearbeitet. Das [unklar] mich interessiert hat. In Theresienstadt habe ich für eine Weile auch mit einen Tischler auf einem Bauhof gearbeitet. Ich habe bis heute noch gerne den Geruch von frischem Holz. Ich habe solche Sachen gerne gemacht…ich meine, es war gut. In diesem Oederan habe ich bei dem gearbeitet, der mich gut behandelt hat. Und, wie gesagt, es war ganz merkwürdigerweise…scheinbar…wahrscheinlich ein Nazi war, aber nicht ganz genau gewusst hat, was für schreckliche Sachen geschehen. Oder hat er schon gewusst, wie es ausgeht und hat sich bemüht ein bisschen zu helfen? Und in der Gegend waren italienische Kriegsgefangene. Die hatten Nachrichten. Nur hat keiner von uns gut italienisch können. Das war immer so: „Bum, bum, bum!“ Also, man hat schon gewusst, der Krieg ist nicht gut für die Deutschen. Aber das war noch vor dem…Battle of the Bulge [Ardennenoffensive]. Das haben die Deutschen uns wissen lassen, wie das war. Der Vorteil in diesem Lager war, dass die Plätze, wo wir geschlafen haben, verbunden waren mit der Fabrik – und geheizt. [Unklar] konnten nicht helfen…so hatten wir doch…außer, wie man draußen gestanden ist zum Zählen. Und das war die Zeit…wir haben zum Beispiel diesen Brand in Dresden gesehen, von dort. Das war die Zeit, wo dieses firebombing in Dresden war. Und man hat es komischerweise überlebt. Und dann eines Tages haben sie uns wieder zusammengerufen und wieder in diesen Tiertransport gesteckt und…man hat gesagt, sie wollen uns nach Buchenwald abschieben. Da war aber schon irgendwie keine Möglichkeit mehr…ich weiß nicht, ob die railroads die…

 

 

Ende von Teil 1

 

 

Teil 2

 

 

CL: This is part two of an Austrian Heritage Collection interview with Edith Friedlander conducted by Christian Lerch on 28th June 2005.

 

EF: Dann sind wir nach Theresienstadt gekommen, sind dort von der Station zu Fuß – schon sehr kaputt – bis nach Theresienstadt gegangen. Und dort habe ich wieder diesen jungen Ingenieur getroffen. Der hat mir dann seine Hemden…etwas geborgt. Wir hatten doch nichts…nur Fetzen angehabt: Ich habe absichtlich Auschwitz ausgelassen. Jeder weiß was vorgeht, ich spreche nicht gerne darüber. Und dort werden kurze Haare…die haben doch dort die Haare geschoren.

 

CL: Ihnen auch?

 

EF: Ja, scheußlich. Aber ich meine…anyway. Ich war dann in Theresienstadt und…nicht sehr lange danach, das war Anfang April, glaube ich, haben wir gehört, dass irgendein Zug nach Prag geht. Und vier Mädeln und ich sind zur Bahnstation gegangen. Ich verstehe auch heute nicht, wieso. Wir sind einfach durch…rausgegangen. Und kurz nachher war dann quarantine in Theresienstadt, weil Typhus war. Aber wir sind weg und mit dem Zug…wirklich nach Prag gelandet. Und dort ist uns erst eingefallen: was jetzt? Da haben sie noch ein bisschen in Prag geschossen. Also, wir haben dann ausgemacht, wir werden…ich weiß schon nicht mehr, sagen wir, es war drei Uhr nachmittags…wir kommen um sieben zurück und schauen, was vorgegangen ist. Und ich bin in dieses Haus gegangen, wo ich mit dieser Freundin im Pensionat gewohnt habe. Wie ich ins Haus kam, kam sie gerade die Stiegen runter. Und hat sich gleich…also, große Begrüßung. Und ich bin raufgegangen und habe also ein bisschen erzählt was vorgeht. Die wussten genau, was vorgegangen ist. Und die Mutter hat mir gesagt, wenn irgendjemand eine Wohnung braucht, soll ich die alle mitbringen. Aber jeder hat etwas gefunden gehabt. Dann habe ich bei denen gewohnt, bis zum…dann war noch ein paar Tage Krieg…und dann habe ich dort gewohnt, habe einen Posten gefunden bei den Amerikanern als Übersetzerin. Die Freundin hat dann gearbeitet für die Agence France-Presse und…ich habe eine Wohnung bekommen, weil Leute, die vom Lager zurückkamen, konnten eine Wohnung bekommen. Und da bin ich…sie ist mit mir übersiedelt. Wir haben dann dort zusammengewohnt. War sehr schön, in einer sehr guten Gegend, Zentralheizung, was selten war. Und alle Leute sind zu uns baden gekommen. Zum Schrecken ihrer Mutter, die gefunden hat, unser Ruf wird leiden. Das ist uns dann schon nicht mehr eingefallen.

 

Und ich habe dann später gearbeitet…ich konnte Spanisch, das habe ich irgendwo ein bisschen gelernt, während des Krieges. Da habe ich für das Konsulat für Paraguay und Uruguay gearbeitet. Und im [19]45er-Jahr, kann ich mich erinnern, haben sie uns von Wien, von der österreichischen Kultusgemeinde angerufen. Sie wollten Visa für Leute…zu emigrieren. Sie wollten für Paraguay ein Visum, damit man durch…Transitvisa bekommt. Und da war ich im [19]45er-Jahr in Wien mit meinem Chef und den Stempeln und habe im Hochhaus gewohnt, kann ich mich erinnern. Und da sind Leute gekommen und wir haben Visa ausgeteilt. Das war meine Hauptbeschäftigung für die nächsten zwei Jahre.

 

CL: Was war das Hochhaus?

 

EF: Im Hochhaus, das war in der Herrengasse. Das hat Hochhaus geheißen, vis-à-vis von der Schwarzwaldschule. Wissen Sie, wo die Schwarzwaldschule in der Herrengasse ist? Das hat jeder bei uns gekannt. Damals haben wir…also, in meiner Jugend dort gekannt, weil der [Otto] Tressler – das war ein Burgtheaterschauspieler – mit seinen drei Söhnen dort gewohnt hat und vom Chemiesaal in der Schule konnte man hinüberschauen. Das war sehr wichtig. [Lacht.] So war es.

 

Und dann war ich in Prag und…mir hat Prag fabelhaft gefallen. Ich war schon vorher verrückt mit Prag. Mir ist das sehr gelegen. Und ich war mit einer Gruppe von Prager Studenten…und manche sind schon von Amerika zurückgekommen. Und ich habe dort in dem Konsulat dann gearbeitet und Stempel ausgeteilt wie wild und bin dann eigentlich auf…ich meine, erst habe ich ein Visum nach Paraguay gehabt, aber dann habe ich hier ein Affidavit herbekommen. Ich war wieder in Kontakt with alten Wiener Freunden meiner Eltern und bin zu ihnen her. Und dann war ich hier. Und erstaunlich…habe ich nicht einmal…ich habe die beste Figur meines Lebens nach dem Krieg gehabt. Ich war nicht einmal so dünn. Ich verstehe es bis heute nicht.

 

 

2/00:05:29

 

 

CL: Ich werde jetzt vielleicht noch zwei, drei Fragen stellen. Sie müssen sie nicht--

 

EF: --natürlich. Ich sage nein, wenn ich nicht will--

 

CL: --sagen Sie einfach nein, oder müssen gar nichts antworten. Ihre Mutter ist noch mit Ihnen bis--

 

EF: --bis Auschwitz, ja.

 

CL: Und sie ist dann--

 

EF: --und da wusste ich, Gott sein Dank, nicht, was geschieht.

 

CL: Sie wussten nicht, was geschehen ist?

 

EF: Nein, erst später.

 

CL: Mit später meinen Sie, nach dem Krieg?

 

EF: Nachher, natürlich.

 

CL: Konnten Sie sich ungefähr ausmalen, was in Auschwitz passiert, wie Sie dort waren?

 

EF: Ja, natürlich. Ja.

 

CL: Frau [unklar]--

 

EF: --[unklar], meine Freundin, ja. Dort habe ich sie schon getroffen…in dieser Verbindung.

 

CL: In Theresienstadt schon?

 

EF: Am Weg von…ich wusste von ihr…ich meine, man hat sich ein bisschen gekannt, aber ich habe sie nicht wirklich gekannt. In dem Zug nach dem Arbeitslager. In Theresienstadt und dann in Auschwitz…von Theresienstadt nach Auschwitz, in dem Zug irgendwie, dann die Woche in Auschwitz und dann in Theresienstadt für ein paar Tage. Aber sie ist dortgeblieben. Sie war nurse…sie war eine Krankenschwester und ist dortgeblieben. Meine Freundin Eva ist eine Idealistin. Nein, in Theresienstadt und ist dann dortgeblieben bis das Lager nicht mehr unter quarantine war. Ist viel später nach Prag. Ich habe sie dann verloren, denn sie ist…ihre Schwester kam aus England zurück und sie war dort und ich war mit dieser tschechischen Gruppe. Wir haben ein bisschen gesucht, aber…sie ist nach Shanghai gefahren, um ihren boyfriend und dann husband…ich habe sie hier in Forest Hills, im Park, getroffen.

 

CL: Diese Geschichte möchte ich dann noch hören. [Beide lachen.]

 

EF: Ja, sie ist mit dem Kinderwagen…und ich bin mit dem Kinderwagen…hier, in Forest Hills, spazieren gegangen.

 

CL: Wann war das?

 

EF: Die Kinder waren ganz klein, also…geboren sind sie beide [19]49. [19]50 vielleicht. Im Kinderwagen.

 

CL: Nach fünf Jahren?

 

EF: Ja. Aber ich habe einige Freunde so getroffen, ganz zufällig. Und mit der Eva bin ich natürlich in Kontakt geblieben. Das ist die Idealistin in der Gruppe. Auf die muss man aufpassen.

 

CL: Und Sie sind dann von Auschwitz in dieses Arbeitslager, weil Sie noch kräftig genug waren?

 

EF: Sie haben Arbeitskräfte gesucht. Ja, ich konnte noch ganz gut rumklettern--

 

CL: --und waren das hauptsächlich Frauen?

 

EF: Ja, wir waren nur mit einer Frauengruppe. Da waren dann schon Ungarinnen und Polinnen…und alles. Und manche…schreckliche Sachen. Ein Mädel war pregnant, die hat es natürlich nie…ein Kind erwartet, hat es nie gemacht. Da waren schreckliche Geschichten, natürlich. Aber man musste…ich meine, es sind soviel…wenn Leute sagen: wieso hast du das überlebt? Hauptsächlich Zufall. Man konnte wenig planen. Ich meine, manche Leute sind vom Zug gesprungen und weggelaufen und so. Nur diese letzten paar Tage, wo ich wegmarschiert bin…was ich noch immer nicht verstehe, was ich mir vorgestellt habe. Aber es hat geklappt.

 

CL: War es bei Ihnen auch Zufall?

 

EF: Nur! Ich habe gar nichts geplant. Ich meine: schon wo ich dort gesessen bin in Theresienstadt, habe ich eigentlich gar nichts dazu gemacht, nicht wegzufahren. Ich habe auch nicht gewusst, wie oder was. Ich bin nicht jemand, der sich mit dem Kopf durch etwas durchsetzt. Es ist…das war purer Zufall, dass dieser junge Mann da niemanden anderen gehabt hat…Verwandte…und das offeriert hat, es zu machen. Und wie gesagt, ich habe immer behauptet: nur, weil er das Buch wollte, das Mathebuch. [Lacht.]

 

CL: Und aus Ihrer Gruppe, waren da Freundinnen bei Ihnen, die nicht mit ins Arbeitslager konnten?

 

EF: Nein, eigentlich…die Gruppe waren alle…ich habe noch einige eine ganze Weile in Prag gesehen. Da waren dann große Unterschiede: Einige waren Kommunistinnen. Und--

 

CL: --nicht jüdisch, sondern kommunistisch?

 

EF: Ja, ich meine…auch jüdisch, aber kommunistisch. Und ich war ganz unkommun…mir ist das gleich komisch vorgekommen. Ich konnte nie verstehen, dass man glaubt, dass das funktioniert. Ich habe immer versucht ihnen zu erklären: wenn eine Gruppe gleich anfängt, bleibt sie nicht gleich. Es entwickelt sich doch. Ich meine…wann immer ich sehe, Leute fangen gleich an, es ist wie beim Laufen. Einer fängt…dann kommt oben heraus. Ich lese jetzt eine Biographie von Nelson Mandela, ist hochinteressant. Wie das…doch überall…power…so geht es.

 

 

2/00:10:47

 

 

CL: In Oedera--

 

EF: --Oederan hat das geheißen, ja. Sachsen.

 

CL: War das ein großes Lager?

 

EF: Nein, es war eigentlich ein kleiner Textilort…mit primitiver Gruppe. Ich habe mit den Leuten geredet, sie konnten überhaupt nicht verstehen was wir da machen, warum wir Gefangene sind. Die wollten hören, dass wir etwas Schreckliches gemacht haben. Hat ihnen lange gedauert. Da muss ich sagen, manche haben wirklich nicht gewusst.

 

CL: Wie meinen Sie das?

 

EF: Nicht gewusst, was genau vorgegangen ist.

 

CL: Die Leute--

 

EF: --die Leute, diese Mitarbeiter, die dort an diesen Textilmaschinen gearbeitet haben. Manche waren kolossal primitiv und naiv, und so.

 

CL: Sie wussten nicht, was im Osten passiert?

 

EF: Nicht viel. Nur diese…mein Chef, sozusagen, dieser Installateur, der hat es gewusst. Der hat Angst gehabt, der wollte gar nicht einziehen. Aber…keine Wahl gehabt. Aber da waren so ein paar Frauen, ältere…mir damals älter…wenn ich jetzt sage, älter, kommt mir das komisch vor…waren wahrscheinlich 50. Die haben nicht genau gewusst, was vorgeht, sehr primitiv. Aber ich habe in der Zwischenzeit beobachtet: wenn man nicht will, kann man viel nicht wissen.

 

CL: Haben Sie diesen Menschen erzählt, von Auschwitz?

 

EF: Ja, aber das…aber warum? Sie haben immer wieder…ich meine, in der Beziehung…vielleicht anständig wissen wollen: es muss doch einen Grund haben. Das konnten sie nicht erfassen. Sie haben sich dann an uns gewöhnt. Es ist merkwürdig.

 

CL: Waren sie einmal wirklich offen antisemitisch?

 

EF: Nein, nicht in der Zeit. Offiziell, ja.

 

CL: Aber persönlich?

 

EF: Nein, nicht wirklich. „Geschieht euch recht, Euch Juden.“ Hier habe ich viel mehr gehört. Erstaunlicherweise viel öfters. Es ist--

 

CL: --Sie waren zwei Jahre lang in diesem Arbeitslager?

 

EF: Nicht einmal, nein, ein paar Monate nur. Vom Oktober [19]44 bis April.

 

CL: Oktober [19]44 bis April [19]45. Und davor waren Sie bis [19]44 in Theresienstadt?

 

EF: Ja. Das war natürlich ein großer Vorteil. Ich meine, gesund…wirklich möglich. Ich weiß, viele Leute sind dort gestorben, aber für junge, gesunde Leute war eine Chance.

 

CL: Einer der wenigen Orte, wo die Chance--

 

EF: --ja. Ich meine, es sind viele…Sie wissen, die Älteren…und so.

 

CL: Am Schluss wurde Theresienstadt aber auch--

 

EF: --die wollten es, glaube ich, unterminieren, oder so. Aber dann im letzten Moment…ich glaube, mit dem Schweizer Roten Kreuz hat der Kommandant irgendeine…sich gerettet und die Leute mitgerettet. Aber wie gesagt, again, wieder Zufall. Wer konnte sich das ausrechnen? Und es ist schwer geblieben…ich konnte nie ganz verstehen, wie es dazu gekommen ist, zu diesen Schrecklichkeiten. Wie Leute persönlich so brutal sein konnten – und so viele. Aber es gibt auch interessante…haben Sie zufällig – es fällt mir jetzt ein – dieses Buch einmal gelesen, Briefe an Freya? Von [Helmuth James von] Moltke, ein Deutscher. Von der aristokratischen Familie, der ein Anti-Nazi war. Ein lawyer. Und dann umgebracht wurde, ganz am Ende. Es ist wirklich ein hochinteressantes menschliches Dokument. Es ist auch in Englisch. Aber da…es heißt, glaube ich, Briefe an Freya, an seine Frau geschrieben. Ich meine, unglaubliche Sachen. Es ist viel, aber…ich meine, die Freundin Eva, nach der Sie fragen, die würde nie nach Deutschland gehen. Wenn sie Deutsche sieht, wird ihr noch immer angst und bange. Ich habe das überhaupt nicht. Ja, bei meiner Altersgruppe bin ich sehr vorsichtig. Da muss ich schon schriftliche Dokumente sehen. Aber die jungen…habe ich gar keine, im Gegenteil.

 

 

2/00:15:40

 

 

CL: Das wollte ich Sie fragen. Sie sind dann nach Prag gegangen und haben in Prag einen Job bekommen, beim Konsulat…ich denke, das war der Freund von Ihnen--

 

EF: --ja, Paraguay, das waren die Verbindungen.

 

CL: Und Sie meinten, Sie sind dann nach Wien gegangen, um Visa auszustellen.

 

EF: Ja, das waren nur ein paar Tage. Habe ich niemanden getroffen, außer von der Kultusgemeinde--

 

CL: --nach sieben Jahren?

 

EF: Ja, da war Wien in einem schrecklichen Zustand und ich kann nicht sagen, dass es mir leid getan hat. Und die paar Leute, die ich gerne…in Verbindung gewesen wäre, konnte ich nicht. Da war kein Telefon, ich konnte kein Telefonbuch finden, die Adressen habe ich nicht gehabt. Die Freundin habe ich viel später getroffen und die Köchin auch, die ich dann…im [19]62er-Jahr habe ich alle besucht.

 

CL: Und war Wien zerbombt?

 

EF: Furchtbar. Und wie gesagt, ich kann nicht sagen, dass mir das leid getan hat, in dem Moment.

 

CL: Waren Sie in der [unklar]?

 

EF: Nein. Ich bin kaum rumgegangen. Es war sehr ungemütlich, da waren noch die Russen überall und so. Ich meine, die Russen waren auch in Prag, der Krieg war vorbei, das war schon…ja. Aber das war [19]45/46, Winter. Und es hat schrecklich ausgeschaut. Prag war viel besser dran, war viel weniger zerstört. Aber in Prag habe ich natürlich auch Schwierigkeiten gehabt, denn…obwohl ich damals schon richtig Tschechisch sprach, habe ich natürlich einen starken deutschen accent gehabt. Und das war fast gefährlich. Ich habe damals bei dem Konsulat gearbeitet und musste zu verschiedenen Ämtern gehen. Und es war immer ein bisschen gefährlich. Und da hat diese Freundin…kann ich mich erinnern…kam eines Tages nach Hause und hat gesagt: „Du, mir ist gerade eingefallen“, auf Tschechisch, „was du machen kannst. Sprich, als ob du einen Sprachfehler hättest.“ [Demonstriert den Sprachfehler.] Und so habe ich Tschechisch gesprochen. Und da hat niemand mehr gemerkt, dass ich einen accent habe. So habe ich…mit der Zunge angestoßen.

 

CL: Dann haben Sie weniger Probleme gehabt?

 

EF: Gar keine. Die waren so beschäftigt mit meinem Stottern, dass sie gar nichts mehr gemacht haben. Es war sehr gescheit. Die war überhaupt sehr gescheit, meine Freundin. [Lacht.] Die ist dann weggelaufen, wie die Kommunisten kamen. Und kam dann hierher und hat bei mir gewohnt. Hat niemanden mehr zur Hilfe gebraucht, die war sehr tüchtig. Und…dann habe ich mich hier eingelebt.

 

CL: Sie haben gesagt, Sie haben Prag so gerne gemocht.

 

EF: Mir hat Prag gefallen und mir haben die Tschechen so gut gefallen. Mir hat…die Wiener Höflichkeit nach dem Krieg hat mich wahnsinnig gemacht. „Küss die Hand, gnädige Frau“, und die Tür offengehalten…ich habe geglaubt, ich werde verrückt. Das war schrecklich. Wie ich hier zu dieser sehr nette Familie kam, die mir das Affidavit geschickt hat…und die kamen aus sehr wohlbestelltem Haus hier, in Wien. Und ich kann mich erinnern, die sind gut ausgewandert. Wie ich herkam, das war [19]47, Mai [19]47, da haben sie gerade geplant für eine der Töchter eine Hochzeit im Pierre Hotel – ich weiß nicht, ob Ihnen das etwas gesagt hätte, sehr vornehm. Ich habe geglaubt, die sind verrückt geworden. Ich meine, die haben über rosa, dunkelrosa, lichtrosa Servietten gesprochen. Ich glaubte, die Leute sind nicht normal. Und die Tschechen…dann kam mein Mann, späterer Gemahl, angewackelt, tschechisch und viel weniger formell. Und das war mir viel wichtiger. Ich konnte das nicht verdauen. Die Beziehung hat dann eine Weile überhaupt nicht funktioniert mit der Wiener Gruppe. Obwohl ich sie sehr, sehr gerne gehabt habe. Ich meine, es war eine alte Kinderfreundschaft. Aber es hat mir eine Weile gedauert wieder in Kontakt zu kommen. Jetzt bin ich wieder…ich meine, ich bin mit der ganzen Familie wieder beisammen, aber damals…ich konnte nicht verstehen, dass jemandem wichtig war, was für Servietten.

 

 

2/00:20:07

 

 

CL: Aber warum sind Sie in die USA gekommen? Weil Sie--

 

EF: --ich wusste, die Kommunisten kommen. Ich habe schon genug gehabt von dem Regime…einem Regime. Es ist eines wie das andere. Und ich habe die Verwandten hier gehabt.

 

CL: Sie wussten, dass Prag sich ändert?

 

EF: Das war schon. Ich meine, die Politik…das war schon sehr klar. War gar kein Zweifel. Nicht für mich. Ich habe…bevor ich weggefahren bin, habe ich jedem meiner Freunde noch einen Stempel in den Pass gegeben. [Lacht.] Und manche haben es ausgenützt, natürlich. Mir war das klar. Da war ich schon viel mehr…politisch…aware als vorher.

 

CL: Waren Sie in einer Gruppe oder nur privat?

 

EF: Nie. Ich gehöre nie zu Gruppen. Ich habe noch keine gefunden, die mir hundertprozentig passt. Ich kann bis zu einem gewissen Grad mit und nicht…und das…ich habe da…ich meine hier, währendem ich hier lebe…so Gruppen in der Nachbarschaft…es ist mir alles zu politisiert. Ich meine, zu viel eigene Interessen, das ist nichts für mich. Ich bin lieber unabhängig. Ist wahrscheinlich falsch, denn man sollte ja natürlich viel mehr Einfluss ausüben. Ich kann das nicht, das ist nichts für mich.

 

CL: Aber man muss dann seine eigenen Prinzipien aufgeben.

 

EF: Ich weiß nicht. Man sollte imstande sein, etwas durchzusetzen, aber ich kann das nicht. Ich bin nicht gut darin. Das bin ich nicht.

 

CL: War es ein Problem für Sie, ein Affidavit zu bekommen?

 

EF: Nein, diese Verwandten haben sich gesorgt, das war nicht schwer.

 

CL: Haben Sie auch versucht, Verwandte im Osten zu suchen?

 

EF: Ja, nur ich habe diesen einen Onkel gesucht, den ich nicht finden konnte. Und erst jetzt habe ich von ihm gehört, durch die Schweizer, die sein Bankkonto gehabt haben. Wie ich das erste Mal geschrieben habe, haben sie behauptet: nein. Aber ich habe eigentlich niemanden von den Verwandten gefunden. Einen Cousin in England, mit dem ich nicht sehr eng war, aber wir haben natürlich korrespondiert. Und merkwürdigerweise Verwandte, die durch die Stiefgroßmutter…weil mit den Jungen war ich befreundet und die sind hier, mit denen bin ich in gutem Kontakt. Und die Verwandten meines Mannes, mit denen ich besonders befreundet bin, in der tschechischen Republic, die mir sehr liegen.

 

CL: Ihr Mann ist ebenfalls--

 

EF: --mein Mann ist von Prag nach Ecuador, von Ecuador durch die Armee…hier.

 

CL: Ich habe aber in einem seiner Briefe…war seine Mutter ebenfalls in Auschwitz?

 

EF: Ich weiß nicht…nein, nicht Auschwitz, war in Łódź, glaube ich. Ich habe die Sachen nicht gelesen, ich habe sie nur sorgsam aufgehoben.

 

CL: Da ist eine Karte aus Auschwitz--

 

EF: --ja, die wurden weggeschickt, ist möglich. I don’t know. Bob hat furchtbar gelitten unter dem, dass er sie nicht rausgekriegt hat. Er hat so versucht. Er kam von Ecuador mit gar keinem Geld her…zu versuchen, weil sie reiche Verwandte hier haben, die ihm gesagt haben, sie haben schon so viele Affidavits geschickt und no more. Er hat das nie ganz überlebt, dass er die Eltern und die Schwester nicht rausgekriegt hat. Er hat viel mehr an Survivor guiltwhich ist etwas, was ich überhaupt nicht verstehe.

 

CL: Survivor guilt?

 

EF: Überhaupt nicht. Es geht mir überhaupt nicht in den Kopf. Warum man das…warum? Man hat ja nicht den anderen etwas gemacht. Ich meine, wenn die Wahl gewesen wäre und ich mich vorgedrängt habe, das ist etwas anderes. Aber so…ich habe es nie verstanden.

 

CL: Wie hat sich das bei ihm ausgedrückt, die Survivor guilt?

 

EF: Er war sehr empfindlich und traurig – ein bisschen sehr. Und ich wusste von anderen Freunden, dass er sehr lustig und lebhaft war, ursprünglich. Oft so…rausgekommen. Er hat ja eine Menge aufgehoben. Ich habe Ihnen hier ein paar Sachen noch gegeben, weil ich dachte das [Leo] Baeck [Institut] wird noch etwas wollen. Ich habe mir vieles nie angeschaut, aber Sie schauen…Sie können schauen. [Blättert in Dokumenten.] Sie sind besser…mir macht das große Freude, dass ich…nicht Freude, aber ich fühle gut, dass die Sachen irgendwie würdig untergebracht sind.

 

 

2/00:24:51

 

 

CL: Und ist das ein Grund…er versucht…weil ich das Foto hier sehe von ihrem Mann mit General Clarke. Wo ist das?

 

EF: Kurz vor [der Schlacht um] Monte Cassino.

 

CL: Er war also in Italien?

 

EF: Ja.

 

CL: War das ein Grund, warum er auch die army--

 

EF: --er war…ja, natürlich. Er hat versucht zu volontieren und es ist nicht gegangen, schon in Ecuador, lange Geschichte. Und dann ist er…ja, natürlich. War ihm ganz klar, das war wichtig für ihn.

 

CL: Und er ist dann nach Prag gegangen?

 

EF: Nein, er ist nie wieder nach Prag zurückgegangen. Erst mit uns…nachdem die Kommunisten weg waren, sind wir dann die Familie besuchen gegangen…nie wieder zurück.

 

CL: Sie haben sich also hier kennengelernt?

 

EF: Ich habe ihn hier kennengelernt, bei der Familie, die die Hochzeit geplant hat.

 

CL: And now we are in America, we can talk English a little.

 

EF: Yes, of course we can.

 

CL: If you still want to.

 

EF: Fine. I think that is a good idea.

 

CL: So, in 1947 you came to America--

 

EF: --and I got married in [19]48.

 

CL: So you met him here at a--

 

EF: --in [19]47. I mean, I had barely arrived and he was there.

 

CL: And you both had a background of Prague--

 

EF: --Prague and he had a technical profession, which appealed to me. Architecture was close enough and…yes.

 

CL: Were you working here?

 

EF: Yes, sure. My first job was with a textile firm. I did foreign correspondence, more or less. With a few disastrous misunderstandings. My English was good, but I could not…for instance, I thought the country…the state where [Bill] Clinton comes from is Arkansas, and things like that. So it took a while, but they were very good to me…two old gentlemen ran a big firm. And then I had a child and then I worked a little bit at home with that publishing firm I mentioned. He was working on an English-German dictionary and I worked at home with little pieces of paper. And then I worked for a doctor a very short time, and for a nursery school, because of the hours. Eventually I learned shorthand, not very successfully, and worked for a Czech import/export glass firm. And at lunchtime I visited that old publishing house, because I have been kind of friendly with somebody. And they asked me: “Why do you work with glass import? Why do you not work with books?” Which sounded reasonable. And then I started in publishing and stayed with that for…never worked full-time. I started three days and worked four days, and did a lot of things. I loved it. [Lärm im Hintergrund.] And then, as I had mentioned – that journal on psychotherapy – that was a chance encounter with somebody who was complaining…somebody I knew complaining about the editor. That she made so many mistakes, because she had eye trouble and I said I was interested in the field. I would do the proof reading. And out of this became a job which I did for 25 years. It was fascinating.

 

CL: Where did you live first?

 

EF: In Manhattan, near the museum. When we expected a child, we moved to Queens. Then I have been in a radius here, with two small houses in between and the usual successful upgrading, not planned…financial planning, just very good luck in all of this.

 

CL: Did you have any financial support when you came over here from Prague?

 

EF: No, but Bob had been in the army, had saved some money and had a job as architect, already then. Not at the beginning. At the beginning, he worked as a bus-boy and in a…I have some documentation. I mean, anything. But then he got an architectural job. I mean, America was still in a very bad economic situation at that point. But the moment the war started, the armament improved and he got architectural jobs, and had a job in Detroit with a big firm that had GM [General Motors] as client. Alfred Kahn…not the famous architect [Albert] Kahn…big job…and then he was in the army and came back with some savings, which we eventually invested in our first house.

 

 

2/00:29:56

 

 

CL: So you were not in financial troubles?

 

EF: Never really. And also those friends were incredibly supportive. And I worked, and Bob always had a job and could do overtime. Not terribly much. Not…so I had to know how to cook and I remember the first dinner with…I cooked in a pressure cooker. It was the saddest-looking chicken I have ever seen. Very sad. Ended up with grey sauce, with two bones sticking out. Because I had overcooked, terrible. But we managed, yes.

 

CL: And your son was born--

 

EF: --yes, but he was…Paul was homosexual. He lived until 50, but…that was of course the tragedy of our lives.

 

CL: He was HIV-positive?

 

EF: Yes. It was very sad. I mean, he was lucky within that horror. He did not really…he was not sick for very long and lived interestingly. But, of course…very gifted computer guy and very funny. Lived in Hawaii for a long time, so we went there often. But obviously…and this is why I want to put the things somewhere, where they rest reasonably. He and Eva’s son were a day apart. And Paul was very interesting, very…as I say, very, very clever and very much like my father in these offbeat traits. Funnily enough, I mean, I have often wondered how people inherit features of people they never met. But they do. It is…even movements. It is amazing. So that was it. And of course, I mean, that was a shadow over our lives.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

CL: You said that you were never personally the target of anti-Semitism in Austria, but here you were?

 

EF: Here I heard many remarks.

 

CL: Can you tell us some?

 

EF: Well, just…not necessarily for me, but talking about it. Sometimes, people did not know I was Jewish. That is when you hear the worst. In Prague, I had one incident after the war. I mentioned, I lived with my Czech girlfriend who happened to be small and dark-haired. And below lived two guys, two Slovaks. One was a secretary to [Edvard] Beneš, I think. And he started flirting with me. Alright. And then he…one day told me that he liked me so much, and he just cannot understand that I live with a Jewish girl. He had somehow heard that one of us was Jewish. And he got the wrong one.

 

CL: What did you say?

 

EF: I was…well, I gave it to him. I said: “You are wrong! She is making the mistake, I am the Jewish girl!” Well, he got very flustered and…my girlfriend went down and gave him hell. [Lacht.] She said something. That, yes. That, I heard, but personally, funnily enough, never. My husband, during his student years: a lot, he said.

 

CL: Here or--

 

EF: --in Prague. I mean, it is a German university, German technical…yes, a lot. But I did not. Funnily enough, not.

 

CL: Do you know if your father ever did?

 

EF: I never asked him. I do not think so. Well, he must have heard that the student organization…but he belonged to an organization and there must have been a liberal and a not so liberal one, obviously.

 

CL: And here in the United States, there were also remarks?

 

EF: Well, there were hotels that did not take Jews. Yes: restricted. There was something…when it said: churches nearby. Then you knew. You better do not go. Sure. And also Forest Hills was restricted. Not a Jew in sight for a long time. So was banking--

 

CL: --was that officially?

 

EF: Yes. Bob told me jobs he was looking at, that there were signs: need not apply…Jew, or whatever sign they had for that.

 

 

2/00:35:04

 

 

CL: They were not allowed to apply for jobs?

 

EF: They would not have a chance.

 

CL: Because of--

 

EF: --being Jewish. And certain professions…chemistry, banking was for a long time no Jew in sight. So that changed then…I remember, when [Irving S.] Shapiro became, I think, president of DuPont, that was almost funny.

 

CL: Was Shapiro--

 

EF: --a Jewish man got finally…but that is the last.

 

CL: [Unklar]--

 

EF: --was very anti-Semitic. I mean, there were many…banking certainly was totally anti-Semitic. And I remember, I read a story about the Metropolitan Museum and the board. Lehman, who gave so much…how long it took to accept a Jewish board member and the remarks. Well, you read about [Richard] Nixon and the…much more so than I funnily enough heard in – clearly anti-Semitic – Austria. And the Czechs certainly also. I mean, I am not saying I was not. The strange thing is it…and I know Eva tells me the same. That…I do not know. I cannot quite tell you how it happened. But it was. But I remember when I after the war visited my friend, who was half-Jewish [unklar]. She told me…she said: “You know, nobody will say anything, but if they are among themselves…I am sure.”

 

CL: How was it for you to…you came to Vienna in [19]45 already, but just for a couple of days, you said. And how was it the next time?

 

EF: The next time was [19]62.

 

CL: How was it for you?

 

EF: I went specifically to visit that friend, [unklar], and her parents. I went to visit [unklar] was her name, my grandmother’s cook, whom I was very close with, who kept all the jewelry – you would not believe it. A poor, poor woman. I mean, she could have sold it obviously. And then I visited an old doctor who was a friend of my father’s, Doktor [unklar]. A gynecologist who happened to be Paula Wessely’s doctor, also. He was a friend of my father, Jewish. Who had, and that story I remember, a non-Jewish friend, lifelong, and when Hitler came, the friendship broke up. And I remember still the phrase that friend said: „Die Schuppen sind mir von den Augen gefallen.“ There are shocking stories. That was a friendship…years. I mean, that man was…I think he was even older than my father…born [18]75. And Hitler in the [19]30s…in his 50s, 60s. There were things like that. I saw also marriages like that. But I saw also the opposite. I know about one marriage that was miserable, but the man stuck it out until after Hitler. To help. So it was very hard.

 

CL: And how was it for you to be back in Vienna?

 

EF: Well, I stayed only with those friends and I was in the country with…they had a house in Millstatt. Then once, I visited one of my old vacation places. I came from Italy and went to Lienz and visited…well, I was a little nervous…[unklar] was their name, they owned a restaurant and hotels. And I was very friendly with the boy. We played as children. And in the bus going to Lienz, I asked a man that said he came from…the bus-driver from Lienz. I asked whether he knew that family. And he said: “They had such a terrible time under the Nazis, because they were such devout Catholics.” So I checked in with them and we had a good time together, for a while. Then it petered out again. And then there were…obviously many people told me terrible stories.

 

 

2/00:40:10

 

 

CL: How did people you did not know this well, but met in Vienna after the war…how did they react to--

 

EF: --they were interested, most of them.

 

CL: Friendly?

 

EF: Yes, but the younger ones--

 

CL: --guilty or--

 

EF: --guilty. But I had run into people like that here too. I mean, young engineers, proprietaries and so, from Germany, some terribly guilt-stricken. I had here once an absolutely crazy experience. I worked for the publisher with German books and we exhibited at the Austrian information…what was it? The institute.

 

CL: Austrian Cultural--

 

EF: --Austrian Cultural Institute. And there was another book, that had come out. The Ghost Waltz, I think it was called, written by a young Austrian woman, who had come to America and only had found out during her school year here…about the Nazis, really. And when she came home, she found out that her very dear father had been a horrible Nazi. And she was totally shocked and moved back to America. And I met her at that meeting and when I mentioned that I had read her book and that I was Jewish she started crying. I mean, she was hysterical. She said, that one cannot imagine how horrible that feeling is. And I had another experience once. It is a long story, why I met that man. A young banker in Mannheim, through a funny thing. We were in Switzerland and I heard a couple walking ahead of us somewhere in the Alps. And she was crying: „Moische, lauf nicht so!“ And why it struck me as so funny, I cannot tell you. I was so curious. We caught up with them; it turned out she was German, he was Jewish, they had met in a DP camp [Displaced Persons camp] and lived in Mannheim. She had converted. At one trip, we were supposed to visit them. They were away, but their daughter greeted us and had invited some friends, among them a German couple. A young banker with his girlfriend. And Bob walked with the girls and I walked with that young man. And he mentioned, spontaneously: “I am so grateful that I know what my father did during the war.” And that struck me, that is some burden to carry. I was sensitized to that, because Bob had relatives who were very communist. Very communist. And with all the horrors that that entails. There was once an interview with…or a get-together of sons of prominent Nazis and prominent Communists, and what it had done to their lives. And that always interested me. So…I remember, that was very interesting to see. And with that young man, who is now 65, I am still in touch. They live in Dresden now. So I was always interested in the young. As I said, partly out of the Jewish heritage. The resentment, that I would be responsible, whatever the Bible says, for the sins of my fathers. I want to reject it.

 

CL: So…if you go to Austria, you still--

 

EF: --I am cautious.

 

CL: You are cautious.

 

EF: I am cautious with my age group. But not at all with anybody else--

 

CL: --when was the last time you were in Austria?

 

EF: About four years ago. Vienna is beautiful now. Wonderfully recovered. And I meet those friends. I was…they invited me, the Austrian Welcoming Service [meint: Jewish Welcome Service Vienna]. I went there. And then I stayed on and went to the Czech Republic. But I have this Austrian friend. I did not know Marianne then, but I knew that Ingrid, Doktor [unklar] and…wonderful friends. I remember when I went back the first time to Austria, I had in the hotel…she sent me flowers, candy and also sent a note: “Just so you know it is also your home.” Or something like that. Very charming. Interesting woman.

 

 

2/00:45:03

 

 

CL: Did you ever go to your home place?

 

EF: Yes, I looked. No, it was not the greatest…a nice house, but nothing…no elevator, I noticed. I had forgotten about that. [Lacht.]

 

CL: But that was…this apartment, was it owned by your father?

 

EF: No, there were rents, I am sure.

 

CL: Because I think it was not normal--

 

EF: --no, people did not own. Diese Eigentumswohnungen, I think that was post-war. I do not think that was then…you owned a villa if you had the wherewithal.

 

CL: No apartments?

 

EF: I do not think so.

 

CL: What actually happened to your property?

 

EF: Well, part of it was moved to Prague and got lost there. I have been collecting odds and ends in restitution here and there. But, basically, that--

 

CL: --did you get something back?

 

EF: Yes.

 

CL: From Czechoslovakia?

 

EF: From Czechoslovakia, from Austria, from Germany, where I…not bad. I mean, all of us refugees live a little better thanks to those pensions. The social security here certainly does not cover. But we all…I mean, my group lived carefully. We are not the same spenders as the next generation or two generations later. We all cook and bake and…I do not know, we just do not spend that much.

 

CL: Buy the groceries by yourself, no eating out?

 

EF: No, not as a daily rule. None of us do that. So we are, I think basically financially better off than many. We are savers, most of us…I meant no generalization, but they are.

 

CL: Do you follow Austrian politics?

 

EF: A little bit, yes.

 

CL: Do things scare you, like--

 

EF: --[Jörg] Haider? Yes, of course. Of course. But I think there is nothing one can do…if there is a terrible financial crisis, we are in trouble. I am sure. Everywhere. It brings out the worst. That is why the young group…like you, and as I mentioned a few others…if they not consciously work against it, we are in big trouble again. It seems invariably that you hate a neighbor that week or the other…whatever you call them. I mean, you watch that…it was so ingrained when the Czechs did not want to talk to the Hungarians. There was this arrogance from one layer to the other. I mean, even from one village to the other. I do not think that is going to disappear. Once in a while I am still amazed how [Josip Broz] Tito managed. It was actually quite remarkable. How he kept those groups halfway working together. And there were some people who felt like Yugoslavs, not like Bosnians, Serbs et cetera.

 

CL: May I ask you one more question? You do not have to answer it. Did you ever go back to Auschwitz?

 

EF: No. I would not. As I mentioned before we really…interviewed I do not go to places I do not like. I am a little puzzled why people would go. They remember it. I mean, is there something to see again? But I know many who go and feel that it is odd of me not to go. But I would not. Maybe I am more vulnerable.

 

I forgot to tell you something that happened to me, at one point in Auschwitz, which was so horrible. I clearly remember stepping out of myself and starting…like, from an outside, watching what happened to that person. I have since talked to people…I mean, it is a safety…it is like having a safety fuse. I was totally uninvolved.

 

CL: When you stepped out of the train?

 

EF: No, I do not know anymore, exactly. I know it was already there, I think, after the head-shaving. Something happened. I remember a clear distancing.

 

CL: Between yourself?

 

EF: Yes.

 

 

2/00:49:48

 

 

CL: And did you find yourself later?

 

EF: Apparently. [Lacht.] But…that I remember. And I think that keeps you sane, probably. I do not know…I have heard and read occasionally about other people, who had that experience. And that was very clear to me, which--

 

CL: --it protects you, because you see--

 

EF: --yes, it does not hit you directly…in-between…kind of bumper. That I remember very vividly. Looking with kind interest at what was going on. Very strange. I have mentioned that to people and I mean, it is not an unknown psychological happening. That I remember. No, I do not remember climbing back together. That I do not, but I remember that. I do read books about that time. Reading I can handle very well. Movies occasionally yes and sometimes not. I am not going out to do things like that. I do not…owe it to anybody. Why?

 

CL: Was your husband also like this?

 

EF: He read. He did not go, no.

 

CL: He never visited as well?

 

EF: No. He was very…much more vulnerable than I in many ways. As I say, he was haunted by the fact that he did not get the family out. And that bothered him always.

 

CL: How was it for you, with your mother?

 

EF: With me? I did not feel guilty, I felt horrible. But not guilty at all. I mean, I did not think I could have done anything. So that is--

 

CL: --how old was your mother when she--

 

EF: --my mother was born in [18]96, so that was 44…48.

 

CL: 38 years old?

 

EF: 48.

 

CL: 1996 she was born?

 

EF: [18]96. 1896! 48, yes. So yes, I mean, I missed her and everything. She was extremely lovable, but…guilty? No. And as I said, that conversation goes on and on with people. And that survivor guilt is everywhere from Vietnam to…I do not understand. I do not understand if you clearly know there was nothing you did that contributed. Nor anything you could have done. Different wäre es if you could have done…a different story. I do not know. That is not anything I ever felt. And as I say, I know most people do. I wonder how much they really do or how much they are talked into it. There are certainly sicknesses, from hysteria to…that are fashionable at a certain time. I do not know. Some go out of fashion and some come into it. Yes, the media, I think, overdo. So, that is it. I find it interesting how things come out in literature and in case histories. When I am reading…I remember once, I had an issue in that psychotherapy journal I worked on: there was a story of a Holocaust survivor, a story of a Cambodian boat person and a South African black who had been under torture. And I found that…I mean, I stuck them all into the same issue. Thought I could send a message that way. It is devastating. Still, with all that experience, I do not understand how people can be so cruel. Whenever I read that. Neither do I understand the torture that we are discussing now in the paper about the prisoners. I can see that you hit somebody, suspect, despise…still, how can you trample on somebody? There, I just lack understanding. What makes people…and what could one do in early childhood education to prevent that? Because that has to be done very early.

 

 

2/00:54:57

 

 

I worked with one psychiatrist and he always said, he has the feeling it has to start on a very simple basis. You already have to teach children not say the hippopotamus is ugly. He felt that one should give each creature a full right…dignity. And you should not say the Negro has…the lips too thick. Why are they too thick? Maybe ours are too thin. He felt that…I do not know. But we often talked about it. That it would be important to find an early childhood clue. I do not know. What do you think?

 

CL: I think it would be a good idea to start really early with education--

 

EF: --yes, he felt it has to be done very early--

 

CL: --and of course, I think there is a lack of education with today’s working class, where both parents are working and they do not have a lot of time. Especially here, I feel like a lot of it is replaced with TV and I do not see the things--

 

EF: --but on the other hand, the parents can also be a very noxious influence if they have their own prejudices.

 

CL: And then school has to--

 

EF: --the school has…and the school books. I mean--

 

CL: --and literature, of course.

 

EF: Yes, the school books. I remember, I had neighbors, we were very friendly, and the young girl went to Catholic school. We were very friendly and I pointed out what is said in the books. They took her out of Catholic school. They were unaware. And I understand in the Muslim schools there is an awful lot of hatred disseminated. And that, I think, is where all the money should go. In the next generation, definitively.

 

 

[Übergang/Schnitt.]

 

 

[Ende des Interviews.]

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Friedlanders Vater Karl Käufler während des Ersten Weltkriegs in Galizien, 1916.
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Friedlander am Schulweg, Wien ca. 1929.
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Friedlanders Mutter Elisabeth Wolf (r.) im Salzkammergut mit zwei Freundinnen, 1930er-Jahre.
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Friedlanders Vater Karl Käufler in der Nähe von Altaussee, 1930er-Jahre.
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Arbeitsbestätigung des Konsulats von Paraguay für Friedlander, Prag 1947.
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Friedlander, New York ca. 1948.
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Friedlander in Vienna/New York State, 1950er-Jahre.
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Friedlander, New York ca. 1960.
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Friedlander in ihrem Büro in der Frederick Ungar Publishing Company, wo sie als Lektorin arbeitete, New York ca. 1980.
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Friedlander mit ihrem Mann Robert (Bob), New York 1986.